Zum einen scheint es bereits aus moralischen Gründen nachvollziehbar, dass du eine verletzte Person nicht einfach ignorieren solltest. Aber zum anderen kannst du dich hier auch wegen unterlassener Nothilfe strafbar machen, es droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.
Entscheidende Frage, die ein Gericht stellen würde und die auch du dir stellen solltest, ist, ob dir die Hilfe den konkreten Umständen nach zumutbar war. Oder mit anderen Worten, ob die Hilfe von dir vernünftigerweise hätte erwartet werden können. Selbst wenn du beim Anblick einer verletzten Person in Panik gerätst oder du wirklich nicht die geringste Ahnung von erster Hilfe hast: Um die Notfallnummer zu wählen, brauchst du nur ein Handy mit genügend Akku und Empfang. Eine Netzabdeckung ist nicht immer nötig, denn der Notruf kann auch über Satellit möglich sein. Kannst du tatsächlich nicht telefonieren, leistest du bereits Nothilfe, wenn du eine andere Person ansprichst und sie bittest, zu helfen.
Bist du in erster Hilfe versiert oder verfügst du gar über eine medizinische Ausbildung, musst du im Notfall anwenden, was du kannst. Hingegen musst du dich als Privatperson nicht in Lebensgefahr bringen, um einer anderen Person zu helfen. So musst du beispielsweise nicht in ein brennendes Haus gehen und dort versuchen, eine Person aus dem Gebäude zu retten. Ebenso ist es dir, selbst als geübte Schwimmerin, nur in Ausnahmefällen zumutbar, in das Wasser zu springen und einen in Not geratenen Menschen hinauszuziehen. Falls du dir die Rettung zutraust, solltest du vor dem Sprung ins Wasser den Rettungsdienst alarmieren.
Nicht immer ist es offensichtlich, dass sich eine Person in unmittelbarer Lebensgefahr befindet. Hilfe muss, so das Bundesgericht, «als geboten oder zumindest sinnvoll erscheinen». Ein erstinstanzliches Gericht sprach denn auch einen Mann frei, der einen zusammengebrochenen Jugendlichen liegengelassen hatte. Dieser hatte einen Schlaganfall erlitten. Das Gericht ist der Argumentation des Mannes gefolgt, wonach er als Laie den Schlaganfall nicht hätte erkennen können und müssen. Im konkreten Fall hatte der Mann zudem eine Täuschung befürchtet und dazu sein Mobiltelefon nicht dabei gehabt.
Im Strassenverkehr musst du bereits dann helfen, wenn die verletzte Person nicht in Lebensgefahr ist. Tust du das nicht, riskierst du auch als Unbeteiligter eine Busse. Warst du der Unfallverursacher und bleibst passiv, droht dir gar eine Freiheitsstrafe. Dies gilt nicht nur, wenn du als Unfallverursacher Fahrerflucht begehst. Vielmehr hat das Bundesgericht auch einen Unfallverursacher entsprechend hart sanktioniert, der am Unfallort geblieben ist, aber keine Nothilfe geleistet und seine Unfallbeteiligung verschleiert hat.
Für die Strafbarkeit wegen unterlassener Nothilfe keine Rolle spielt, ob die Hilfe erfolgreich gewesen wäre: «Hilfe ist auch dann geboten, wenn es nur darum geht, einem Verletzten oder Sterbenden Leiden zu ersparen», wie das Bundesgericht schreibt. Hingegen musst du eine verletzte Person nicht zwingen, Hilfe anzunehmen. Lehnt sie deine Hilfe ausdrücklich und bewusst ab, bist du nicht verpflichtet, zu helfen. Wenn du siehst, dass eine verletzte Person bereits Hilfe erhält, musst du ebenfalls nichts mehr tun.
Im Strassenverkehr wiederum musst du, sofern du am Unfall beteiligt warst, vor Ort bleiben bis die Polizei es dir erlaubt die Unfallstelle zu verlassen. Warst du nicht am Unfall beteiligt und ist Hilfe vor Ort, solltest du hingegen weiterfahren und die Rettungskräfte ihre Arbeit machen lassen. Als Gaffer droht dir ebenfalls eine Strafe, nämlich wegen Behinderung der Nothilfe.
In den USA ist es umgekehrt: Hilfe ist freiwillig und man kann im Nachhinein auch noch verklagt werden.
- Ein Notruf kann auch von einem gesperrten Handy aus abgesetzt werden. (D.h. auch vom Handy des Verletzten)
- Es reicht, wenn irgend ein Handynetz in Reichweite ist, auch wenn es nicht das Netz des eigenen Providers ist (oder im Ausland das Netz eines Roaming-Partners).