Liebe Fränzi
Krasse Frage, irgendwie. Mir hat es grad etwas den Atem geraubt, als ich sie gelesen habe. Und zwar nicht wirklich auf die gute, auf die breathtaking Art. Sondern mehr so im Sinne von Kehle zuschnüren. Krass, wirklich.
Als erstes will ich Ihnen mal eine Frage zurück stellen: Gibt es überhaupt Menschen, die zu 100 Prozent glücklich sind? In irgendeiner Lebensform sei es in einer monogamen Beziehung, in einer polygamen, frisch und fröhlich herumfickend oder als Single? Denken Sie ernsthaft, dass es das gibt, ja? Wüki, echt jetzt? Und falls ja; auf welchem Planeten leben Sie eigentlich?
Und dann noch eine: Wenn Sie schreiben, dass Ihr Freund dem Anschein nach andere Frauen gar nicht als potenzielle Lustobjekte wahrnimmt, glauben Sie das dann wirklich? Wüki, echt jetzt? Und falls ja; auf welchem Planeten leben Sie eigentlich?
Und dieser ganze Schrott mit der passiven Flirterei, der ist auch kein Witz, gell? Nun denn. Was soll ich Ihnen antworten, liebe Fränzi. Mich persönlich würde es nicht gross wundern, wenn der Gute früher oder später das Weite suchen und finden würde. Mir kommt Ihr gedankliches Setup wie ein Gefängnis vor. Aber nicht so ein harmloses wie Hindelbank oder Pöschwies. Eher so in Richtung Alcatraz, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ihre Befürchtung – «Manchmal sorge ich mich, dass das Bedürfnis nach sexuellem Ausleben bei ihm plötzlich noch ausbricht» – basiert doch darauf, dass etwas eingesperrt ist und unterdrückt wird.
Dieser Druck, der da von Ihnen ausgeht. Diese Erwartungen. Mich würde es killen. Diese Idee, dass man 100 Prozent glücklich sein sollte, weil sonst was nicht stimmen kann! Diese Idee, dass andere Menschen als asexuell wahrgenommen werden müssen, weil ein Begehren das Konstrukt der 100-prozentigen Glücklichkeit in der monogamen Beziehung ins Wanken bringen könnte! Das Scheuklappensystem des passiven Flirtens! Und das alles gepaart mit Ihrer Angst, dass da noch was aufwachen könnte. Ein Flämmlein der Neugierde, ein scheues Zucken der Lust.
Ich weiss ja nicht, ob Sie sich mit Kindererziehung auskennen. Da Sie kein Kind haben, vermutlich ja nicht. Aber immerhin waren Sie selber mal ein Kind, davon gehe ich jetzt einfach mal aus. Und vielleicht Können Sie sich daran zurückerinnern, dass alles Verbotene furchtbar spannend war und doppelt und dreifach reizte! Jegliche Limitierung will ausgereizt, Grenzen wollen überschritten werden.
Und das bedeutet nicht, dass man monogam nicht glücklich leben kann. Treue kann dann Freude bereiten, wenn sie auf Freiwilligkeit basiert. Auf einem Wollen und Können, anstatt auf einem Müssen. Und wenn man sich bewusst ist, dass es da auch andere Menschen gibt, die einen und den Partner reizen. Wenn man einen gesunden Umgang mit diesem Bewusstsein hat und sich diese menschlichen Regungen auch zu- und eingesteht.
Wenn Sie weiterhin die gedanklichen Mauern hochziehen, dann werden Ihre kühnsten Befürchtungen wahr, so viel kann ich Ihnen schon heute versprechen. Fangen Sie noch heute damit an, sich wie ein Mensch aus Fleisch und Blut zu benehmen und gestehen Sie Ihrem Freund das Gleiche zu. Dazu gehören Abgründe. Dazu gehört Begehren und dazu gehört Flirten. Nehmen Sie sich von der kurzen Leine, gopf nonemoll. Ansonsten müssen Sie sich wirklich nicht wundern, wenn diese eines lieben Tages herrenlos vor der Hütte liegt.
Ganz herzlich. Ihre Kafi.