Lieber Eckehardt
Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber ...
Ich bin ja nicht bei der SVP, aber ...
Ich verabscheue eigentlich den Begriff «Das Boot ist voll», aber ...
Ich hasse Ausländer nicht, aber ...
Sie erwähnen recht viel, dass Sie eigentlich nicht denken. Das ist insofern spannend, als dass das, was wir sagen, immer unser Denken abbildet. Auch in der Verneinung. Denn wenn etwas nicht ist, dann erwähnt man es auch nicht in der Negation. Wenn Sie wissen, was ich meine.
Wo auch immer Sie sind, reisen Sie schnell wieder in die gute Schweiz zurück. In Ihr Vater- und vermutlich auch Mutterland. Nicht, weil wir Sie hier vermissen würden, aber weil das Boot, dort wo Sie gerade sind, mit Sicherheit auch voll ist.
Warum Sie mich fragen, ist mir schleierhaft. Ich bin FÜR die Aufnahme ganz vieler Flüchtlinge und schäme mich für die lächerliche Anzahl der bereits aufgenommenen und in diesem Sinne auch für die Schweiz. Mein Herz und meine gedanklichen Vorstellungen sind weniger eng und klein als Ihre und darüber bin ich sehr froh. Denn mit Ihrem schmucken roten Schweizer Pass werden Sie zu keiner Zeit Ihres Lebens und in keinem Land der Welt dermassen in der Fremde sein können, wie es die Flüchtlingsströme der letzten Monate und Jahre sind.
Das Boot ist noch lange nicht voll.
Und wissen Sie was, Eckehardt: Schauen Sie sich doch einfach mal die Bootsbilder der letzten Monate etwas genauer an. Es kann gut sein, dass diese Bootsmetapher, die Sie ja eigentlich auch ganz schlimm finden, aber dennoch sehr gerne bemühen, etwas Schales, etwas sehr Bitteres bekommt. Schauen Sie auf die angeschwemmten Leichen. Auf die toten Männer, Frauen und Kinder. Es könnte Ihr Kind sein, Ihre Frau. Sie könnten einer diesen toten Männer sein, Eckehardt. Lassen Sie sich das ruhig etwas auf der Zunge zergehen, tauchen Sie für ein paar Minuten in diese grauenhafte Vorstellung ein. Es lohnt sich.
Schenken Sie den Menschen und deren Schicksale ein klein wenig Ihrer wertvollen Aufmerksamkeit und öffnen Sie Ihr Herz einen Spaltbreit für Existenzen, die weniger Glück hatten als Sie. Dass Sie in der privilegierten Schweiz geboren wurden, ist kein Verdienst, kein Menschenrecht. Es ist der reine Zufall. Und es könnte gut sein, dass Sie in einem nächsten Leben verdammt viel weniger Glück haben. Und auf einem dieser Scheissboote sitzen und um ihr Leben zittern, in der Hoffnung, dass es irgendwo einen Staat oder Menschen geben wird, der Ihnen eine neue Heimat und eine neue Perspektive bietet.
Denken Sie darüber nach. Ihre Kafi.
Ich bin uneingeschränkt auch deiner Meinung, auch mich regt die ständige aber-Argumentation von Frau und Herr Müllers auf. Dennoch finde ich, dass man die Sorgen von solchen Leuten nicht gründsätzlich verdammen und sie als kleinkariert betiteln sollte (auch wenn es so ist). Gerade bei gerade bei Eckhard besteht wie bei vielen anderen durchaus die Chance, ihnen diese Argumente aus ihrem Umfeld und den Medien sachlich und moralisch zu entkräften und ihnen beispielsweise, wie du das gemacht hast, aufzuzeigen, dass es sich um grosses Elend handelt und dass es reines Glück ist, in der Schweiz geboren zu sein. Nicht alle Menschen haben ein ähnliches Umfeld wie wir und gerade solche Leute treibt man mit einer grundsätzlichen Entwertung ihrer Sorgen immer mehr in die Fänge der SVP.