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Sobsonai und ich erreichen den höchsten Punkt der kurvigen Bergstrasse. Er schaltet den Motor seines Motorrads aus und wir rollen lautlos ins nächste Dörfchen. Sobsonai ist nicht der einzige, der das im hügeligen Norden von Laos so macht. Die Menschen hier haben aber nicht etwa ein fortschrittliches Umweltbewusstsein, sondern ein dünnes Portmonnaie – und sparen Sprit, wo immer es geht.
Nachdem Sobsonai angehalten hat und ich von seinem Motorrad heruntergestiegen bin, gehe ich langsam durch das Dorf. Ein paar junge Männer spielen Fussball-Tennis. Barfuss halten sie den kleinen Ball aus Stroh und Holz gekonnt in der Luft.
Ein paar Meter weiter sitzt eine alte Frau mit tiefen Furchen im Gesicht an einem Feuer. Neben ihr in einem Kessel liegen gehäutete Ratten, die an einem Holzspiess darauf warten, über die Glut gehalten zu werden.
Durch eine offene Türe erhalte ich Einblick in eine der einfachen Holzhütten. Ein komisches Bild: Im Innern der primitiven Behausung flimmert ein Fernseher. Dieser Hauch der Moderne hat es, den zahlreichen Antennen nach zu schliessen, auch in viele andere Hütten geschafft.
Als ich wenig später das Ende des Dorfes erreiche, kreuzen mich zwei kleine Mädchen. «Sabaidee», grüsse ich sie mit einem scheuen Lächeln. Die Situation ist mir unangenehm, denn die Mädchen haben im Korb auf ihrem Rücken so viel Holz geladen, dass sie schwerer zu tragen haben als ich mit meinem 20-Kilo-Rucksack.
Fotos mache ich von alledem nicht. Ich halte es für unangebracht, meine Kamera auf sie zu richten und so meinen westlichen Reichtum zur Schau zu stellen.
Die Einwohner von Laos sind arm. Gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Kopf, also dem Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die ein Mensch innerhalb eines Jahres herstellt, ist ein Laote gar 55 Mal ärmer als ein Schweizer. In der Schweiz beträgt das BIP pro Kopf gemäss dem Internationalen Währungsfonds (IWF) 81'324 US-Dollar, in Laos 1477 US-Dollar. Damit liegt Laos im weltweiten Vergleich nach Sambia und Indien auf Platz 145 von 186. Direkt dahinter folgen Jemen und Pakistan.
In den kleinen Dörfern im Norden ist die Armut von Laos offensichtlich, im Zentrum von Luang Prabang, der Unesco-geschützten kulturellen Hauptstadt des Landes, ist davon jedoch wenig bis gar nichts zu sehen. Die Strassen sind fest in der Hand von westlichen Touristen. Alle Gebäude an bester Lage wurden in den vergangenen Jahren zu Souvenirshops, Hotels, Restaurants oder Bars umfunktioniert, in denen die Westler ein Leben leben, das sich die Einheimischen nicht leisten können.
Einige Touristen zeigen null Respekt vor der einheimischen Kultur. Bei der allmorgendlichen Mönchprozession zum Beispiel, bei der hunderte buddhistische Mönche in der Hoffnung auf Almosen durch die Stadt ziehen, gibt es immer wieder Leute, die sich nicht an die überall erwähnten Regeln halten. Ist es wirklich so schwierig, die Prozession aus der Ferne zu beobachten, die Mönche nicht anzufassen und beim Fotografieren – wenn es den wirklich nötig ist – zumindest den Blitz auszuschalten?
150 Kilometer südlich von Luang Prabang, in Vang Vieng, sind die negativen Seiten des Tourismus noch offensichtlicher. Vang Vieng ist zum Mekka der Partytouristen verkommen, hier lassen sie so richtig die Sau raus. Dem Partyvolk scheint es egal zu sein, dass in den Restaurants, Bars und Clubs ausschliesslich Westler zu finden sind, keine Durchmischung mit den Einheimischen stattfindet und sie nichts von der laotischen Kultur mitbekommen.
Was die Einheimischen von halbnackt herumtorkelnden, laut herumschreienden Fremden halten, ist schwierig abzuschätzen. «Einige, die in der Nähe der Clubs leben, stören sich am Lärm», sagt mir Toni, der mich auf dem Weg in die Hauptstadt Vientiane auflädt. Die meisten seien aber für den Tourismus – schliesslich bringe er Geld ins Land.
Toni profitiert ebenfalls davon, er ist Tourguide. Die Antwort von Toni ist typisch laotisch: diplomatisch, freundlich und mit einem Lächeln präsentiert. Dennoch meine ich bei einigen Laoten, die in touristischen Gegenden arbeiten, eine gewisse Lethargie zu erkennen. Sie finden es nicht wirklich toll, dass die schönsten Orte im Land fest in ausländischer Hand sind und sie dafür einen Teil ihrer Kultur opfern müssen. Aber weil die Touristen Geld bringen, akzeptieren sie das Ganze.
Auch ich bin Tourist und trage zu dieser Entwicklung bei – ob ich will oder nicht. Ich stelle mir deshalb die Frage: Sind Touristen die Kolonialisten des 21. Jahrhunderts? Oder anders gefragt: Darf ich mein Bier in Laos geniessen?