Ich bin kein Freund der Freikirchen. Diese legen das Wort der «Heiligen Schrift» als von Gott inspirierte «Wahrheit» aus, was zu einem radikalen Glauben und engen Religionsverständnis führt. Exorzismen, Heilungsgottesdienste, Endzeitvisionen und höllische Drohgebärden bestätigen, dass freikirchlicher Glaube nicht frei von Aberglauben ist.
Doch für einmal muss ich Partei für die Freikirchen ergreifen. Der Auslöser ist nicht der Glaube, sondern der Sport: Das Bundesamt für Sport (Baspo) hat neun christlichen Verbänden, die mehrheitlich freikirchlich orientiert sind, mitgeteilt, dass sie ab nächstem Jahr keine Jugend+Sport-Leiter mehr ausbilden dürfen. Das bedeutet faktisch, dass in Zukunft über 200 Jugendgruppen vom J+S ausgeschlossen werden.
Konkret: Die freikirchlichen Jugendorganisationen dürfen keine J+S-Lager mehr durchführen und bekommen auch keine finanziellen Unterstützungen mehr. Es ist damit zu rechnen, dass viele Jungschargruppen ihr Sportangebot reduzieren müssen.
Eigentlich müsste ich dem Bundesamt ein Kränzchen winden: Endlich haben die Beamten begriffen, dass Freikirchen primär das Ziel haben, immer und überall zu missionieren. Und dies oft mit fragwürdigen suggestiven Methoden. Die grundsätzliche Argumentation der Beamten ist denn auch richtig. Sie erklären, dass es bei den betroffenen Jugendverbänden nicht primär um eine offene Jugendarbeit gehe, sondern um die Missionierung.
Das Baspo hat denn auch nicht alle christlichen Jugendverbände ausgeschlossen, sondern gezielt jene gewählt, die besonders dogmatisch sind: Die Methodisten, die Chrischona-Gemeinden, die freien evangelischen Gemeinden und verschiedene Gruppen des Bundes evangelischer Jungscharen. Weiterhin unterstützt werden aber Cevi und die katholischen Jugendorganisationen Jungwacht und Blauring.
Es ist richtig und wichtig, dass der Bund endlich auch in religiösen Fragen die Scheuklappen ablegt und genau hinschaut, was unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit so alles wuchert und spriesst. Nur hat das Baspo das falsche Objekt ausgewählt, um ein Exempel zu statuieren und den Frommen auf die Finger zu klopfen.
Konkret: J+S-Lager eignen sich nicht oder nur schlecht, um Jugendliche zu missionieren. Die allermeisten Teilnehmer sind bereits freikirchlich geeicht oder Mitglied einer Freikirche. Somit müssten Sportlager ganz im Sinn der Baspo-Beamten sein, denen das Missionieren ein Dorn im Auge ist: Wenn die jungen Frommen Sport betreiben, haben sie keine Zeit zum Beten. Deshalb kann ein J+S-Lager ein weltliches Gegengewicht zur streng religiösen Sozialisation von Jugendlichen in Freikirchen sein.
Es wäre besser, der Bund würde sich auf die wirklichen Sektenprobleme konzentrieren und beispielsweise Scientology verbieten, den öffentlichen Raum für Missionszwecke zu benützen. Die Politiker könnten auch eine nationale Sektenberatungsstelle finanzieren und den Aufklärungsunterricht in den Schulen fördern.
Sinnvoll wäre es auch, einen Konsumentenschutz in religiösen Fragen einzurichten und esoterischen Heilern klare Richtlinien aufzuerlegen. So gesehen ist der Ausschluss von freikirchlichen Jugendorganisation vom J+S ein Nebenschauplatz. Oder besser: ein Eigengoal.
Ich war jahrelang als nicht-gläubiger in einer BESJ Jungschar aktiv. Wieso? Weil es keine Pfadi fab bei uns im Dorf. Das Highlight: Sportlager und Unihockeyturniere. Klar wurde da am Morgen gebetet etc., das konnte man als Kind allerdings auch getrost ignorieren. Denn den Rest des Tages waren wir alle nur wegen einem dort: Sport!
Ein Lager ist eine der besten Gelegenheiten um Indoktrination tief zu verankern, da die Jugendlichen und Kinder tagelang zusammen sind und sich in einem gefühlsmässigen Ausnahmezustand sind, in dem sie offen und empfänglich für alles sind, was in der Gruppe geschieht, also auch für religiöse Indoktrination.
Wie bei kaum einer anderen Gelegenheit lassen sich durch gut gesteuerte Gruppendynamik Ideologien verfestigen und vertiefen.
Dem muss ein Riegel geschoben werden und da hat der Bund schon die richtige Entscheidung getroffen.