Papst Franziskus ist vor gut vier Jahren angetreten, um als Pontifex der Armen die katholische Kirche zu reformieren. Endlich ein Papst zum Anfassen, jubelten die Katholiken. Einer, der keinen Pomp braucht, um die grösste Kirche der Welt zu führen. Einer, der trotz der Nähe zum Himmel die Bodenhaftung nicht verloren hat.
Doch seine bisherige Bilanz fällt dürftig aus. Reformen? Fehlanzeige. Befreiung von den rechtskonservativen Fundis in der Kurie? Nichts da. Zurückstutzung des Geheimordens Opus Dei? Weit gefehlt.
Der Vatikan und die katholische Kirche haben sich auch unter Papst Franziskus kaum bewegt. Die Distanz zu den Gläubigen ist nur unwesentlich kleiner geworden, auch Franziskus kann ihre Sorgen und Nöte kaum lindern.
Empfängnisverhütung mit Pille oder Kondomen ist immer noch Sünde, die Frauen bleiben in der Rolle der Dienenden, geschiedene Katholiken bleiben Menschen zweiter Klasse, von den Homosexuellen ganz zu schweigen. Das ist insofern absurd und scheinheilig, als ein beträchtlicher Teil des Klerus bis hinauf zur Kirchenspitze selbst homosexuelle Neigungen hat.
Franziskus möchte auch die erzkonservative, traditionalistische Priestergemeinschaft der Piusbrüder zurück in den Schoss der Mutterkirche holen. Mehrere ranghohe Exponenten und Bischöfe dieser „Brüder“ sind mit antisemitischen Äusserungen aufgefallen, Bischof Richard Williamson leugnete gar den Holocaust.
Bezeichnend für das Pontifikat ist ein aktueller Aufstand der einflussreichen konservativen Kräfte in der katholischen Kirche, wie Religionsexperte Michael Meier im «Tages-Anzeiger» berichtete. Auslöser ist eine unverdächtige Fussnote im langen Lehrschreiben «Amoris Laetitia», («Freude der Liebe») von Franziskus, das sich auf die Familiensynoden bezieht. In dieser deutet er an, dass in bestimmten Fällen auch Gläubige die Kommunion und andere Sakramente empfangen dürfen, die geschieden und wiederverheiratet sind.
Gegen diese Bemerkung laufen einflussreiche konservative Theologen und Würdenträger nun Sturm. 200 von ihnen haben sich organisiert und schreien Zeter und Mordio, als stünde die Zukunft der katholischen Kirche auf dem Spiel.
Die Fussnote sei ein Angriff auf das von Jesus erhobene Gebot der Unauflöslichkeit der Ehe, monieren sie. Ausserdem sehen die Papst-Kritiker die Familien- und Sexualmoral in Gefahr. Sie sehen in Franziskus bereits einen Ketzer, der die Kirche in eine beispiellose Krise gestürzt habe. Ehebrechern die Kommunion zu geben sei eine ebenso schwere Sünde wie der Ehebruch selber.
Der Aufstand des rechten Flügels der katholischen Kirche ist nicht nur absonderlich, sondern auch sachlich verfehlt, wie liberale Katholiken monieren. Sie weisen verbittert darauf hin, dass Franziskus in seinem Lehrschreiben eben nicht von seinen traditionellen Vorstellungen von Familienpolitik und Sexualmoral abrücke. Tatsächlich hält er darin immer noch an seinem rigiden Verbot der Empfängnisverhütung fest.
Die betagten Fundis sehen nicht, dass sich die Welt in den letzten 2000 Jahren grundlegend verändert hat. Dass die Ehe heute mehr ist als eine Zweckgemeinschaft zur Existenzsicherung. Und vor allem: Dass die Frauen keine „Leibeigenen“ ihrer Männer mehr sind und heute zum Glück ihre Rechte einfordern sowie selbstbestimmt leben wollen. Und sich scheiden lassen, wenn der Ehemann ein Ekel ist.
Sie reklamieren damit lediglich die Freiheit für sich, die sich die Männer seit Jahrhunderten herausnehmen. Ausserdem berufen sie sich lieber auf die Menschenrechte als auf die veralteten Dogmen einer verknöcherten Kurie. Diese muss sich deshalb nicht wundern, wenn ihr die Gläubigen in der westlichen Welt in Scharen davonlaufen.
Der Streit um die Fussnote zeigt, dass die katholische Kirche auch im 21. Jahrhundert versteinert bleibt. Nicht nur die Kräfte am rechten Rand kämpfen wie Löwen gegen jeden Gedanken, der sich mit Reformideen befasst, auch Franziskus selbst bleibt im klerikalen Elfenbeinturm gefangen und verteidigt die „reine katholische Lehre“.
Von der Aufbruchstimmung, die er vor vier Jahren verbreitete, ist nur noch wenig übrig geblieben. Die mehrheitlich konservativen Kardinäle, die Franziskus gewählt hatten, wussten offenbar genau, dass dieser zwar in sozialen Belangen erfrischend munter ist, in Sachen Kirchenlehre aber ebenfalls ein Fundi.
In diesem Licht betrachtet war die Wahl von Franziskus möglicherweise ein geschickter Schachzug des Wahlgremiums. Es wählte einen Papst, der bei Katholiken und Nicht-Katholiken beliebt ist, den Traditionalisten aber nicht gefährlich werden kann.
Ihre Rechnung ist aufgegangen. Ob sie damit den Niedergang der katholischen Kirche stoppen können, ist aber fraglich.
Die Evangelikalen Sektierer und Extremisten aber bleiben und "kapern" eine Reformierte Kirchgemeinde nach der anderen!
Ich konnte das selber im ländlichen Aargau beobachten.
Paradoxerweise entwickeln sich also heute Teile der Reformierten Kirche (vor allem auf dem Land) "zurück", während andererseits Teile der Katholischen Kirche (vor allem in Städten) erstaunlich weltoffen und geistig flexibel werden.
Auch diesen sich "reformierenden" Katholizismus beobachte ich hin und wieder wohlwollend an meinem Wohnort, ohne deswegen ein grosser Fan zu werden.
Etwas verwirrend, das alles...
Zu bedenken ist jedoch, dass der Papst die Reformbemühungen zwar stärker unterstützen könnte, wie lange er dann aber noch am Leben bleiben würde ist wieder eine andere Frage.
Und noch ein letzter Punkt: Franziskus galt schon vor seiner Wahl zum Papst als konservativ, nur gibt er sich halt bedeutend volksnäher als zumindest sein direkter Vorgänger.
Ob die jetzt geschiedene als Miese Leute betrachten, who cares? Die sollen mal lieber vor der eigenen Türe kehren. So viel wie sich die schon geleistet haben...