Es geht um Drogentherapien, Tantra, Sektenphänomene. Und um das Inzesttabu. Die Rede ist nicht von einer freakigen Okkultgruppe im Untergrund, sondern von der Kirschblüten-Gemeinschaft aus Lüsslingen SO, in der sich Ärzte, Psychiater und viele Akademiker engagieren.
Zu den Hunderten von Kirschblütlern gehören auch die «Internationale Ärztegesellschaft für Echte Psychotherapie und Alternative Psychiatrie Avanti» die «Therapeutisch-Tantrisch-Spirituelle Universität» und das «World Wide Magic Movement».
Gründer der grossen Gemeinschaft ist der im Januar 2017 verstorbene Psychiater Samuel Widmer. Er hatte ein Strafverfahren am Hals wegen mutmasslichem Verstoss gegen das Betäubunsmittelgesetz. Das gleiche Verfahren läuft gegen zwei seiner Frauen und einen seiner Söhne weiter.
Die Polizei führte vor vier Jahren zwei Razzien im Zentrum der Kirschblütler durch. Passiert ist nicht allzu viel, die Staatsanwaltschaft brütet in dem eigentlich einfachen Fall immer noch still vor sich hin. Bananenrepublik ist der erste Gedanken, der einem dabei in den Sinn kommt.
Es geht aber nur vordergründig um Erwerb, Besitz, Weitergabe oder Konsum von illegalen Substanzen. Diese dienten Widmer und seinen Therapeuten für die Drogentherapien (Psycholyse) mit Grossgruppen, wie verschiedene Aussteiger übereinstimmend berichten. Und wie ein ARD-Journalist mit versteckter Kamera festhielt.
Eine Darstellung, die die Kirschblütler bestreiten. Sie würden legale Medikamente verwenden, behaupten sie. Dies wiederum bezeichnen Aussteiger als Ausrede. Sicher ist hingegen, dass Widmer die Drogentherapien in vielen Publikationen beschrieb. Und er bildete mehrere hundert Therapeuten aus, die teilweise nun selbst Psycholyse im Untergrund betreiben.
Die Kirschblüten-Ärztegesellschaft Avanti schreibt dazu, es stelle sich die Frage, «ob ein Betäubungsmittelgesetz, wie es heute besteht, nicht gar als verfassungswidrig abzuschaffen wäre».
Bei den Gruppensitzungen ging und geht es immer auch um Tantra, weshalb «Patienten» und «Patientinnen» auch mal nackt auf dem Boden liegen, nachdem sie LSD, MDMA, Mescalin usw. eingeworfen haben, wie Aussteiger berichten. Mit dem Nebeneffekt, dass benebelte Frauen gelegentlich unliebsamen Besuch erregter Männer erhielten. Den Orgasmus bekomme man von derjenigen Person ab, die zufällig auf einem lande, sagte eine Aussteigerin.
Für Widmer und seine Anhänger sind Drogen und Spiritualität der vermeintliche Schlüssel zur Seele oder der Türöffner ins Unbewusste und in eine magische Welt, mit denen sich angeblich traumatische Prägungen und andere psychische Leiden schneller und besser beheben lassen als mit konventionellen Therapien. Die Kirschblütler leben und propagieren denn auch die Polyamorie, wie sie Widmer mit seinen drei Frauen vorlebte.
Doch nicht genug: Widmer predigte auch die grenzenlose Liebe, die selbst vor dem Inzesttabu nicht Halt macht. Er gab denn auch einem seiner Bücher den Titel «Das Inzesttabu».
Das Thema Inzesttabu treibt die Kirschblütler auch nach dem Tod ihres verehrten Gurus weiter um. So führen die Ärzte und Psychiater von Avanti vom 21. bis 23. Juni den Kongress «Das Inzesttabu in der Psychotherapie» in Lüsslingen durch. Da schluckt man erst einmal leer.
Widmer und die Kirschblütler verstehen unter Inzest nicht nur der Geschlechtsverkehr unter blutsverwandten Personen, sondern auch sexuelle Beziehung zwischen Psychotherapeut und Klienten. Sie wissen zwar, dass der eigentliche Inzest gesetzlich verboten ist und die Beziehung zwischen Therapeut und Patient ein Tabu, wie die Standesregeln festhalten. Trotzdem widmen die Avanti-Psychiater dem Thema einen ganzen Kongress.
In der Ausschreibung heisst es, dass «auch im therapeutischen Prozess der therapeutische Auftrag erst geglückt sein kann, wenn es gelungen ist, die therapeutische Beziehung aus ihrem Muster und aus allen Mustern überhaupt herauszuführen in ein lebendiges, einmaliges, authentisches und erwachsenes Bezogensein von Du zu Du, das niemanden etwas angeht als die beiden selbstverantwortlichen Betroffenen und in das niemand einen Keil wird treiben können, sofern es wirklich und wahrhaftig in die Liebe – das Ziel jeder Therapie – hineinerlöst wurde». Da schluckt man zweimal leer.
Die Kirschblütler orientieren sich also weiterhin ohne Wenn und Aber an ihrem spirituellen Meister Samuel Widmer. Die Avanti-Ärzte hatten das Thema sogar in ihrem kurzen Nachruf auf Widmer erwähnt. Darin heben sie Widmers Erkenntnisse zum sogenannten Inzesttabu hervor, dem sie eine überragende Bedeutung zumessen.
Wörtlich schreiben die Widmer-Jünger: «Eine unvoreingenommene, ernsthafte und seriöse Auseinandersetzung mit dieser für die weitere Entwicklung der Menschheit und des menschlichen Bewusstseins von zentraler Bedeutung darstellenden Thematik vor allem auch in fachlichen Kreisen ist unsere Aufgabe für die Zukunft.»
Widmer scheute sich nicht, im Buch «Das Inzesttabu» eine erotische Annäherung einer seiner namentlich genannten Töchtern in der Badewanne zu beschreiben. Sie habe als kleines Mädchen täglich mit seinem Penis gespielt: «Wir geniessen beide das Spiel.»
Hätte er sich zurückgezogen, hätte es für sie bedeutet, dass «ihre Freude und ihre Sehnsucht nach Verschmelzung» nicht willkommen sei, schrieb Widmer. Ein Signal, «das ihr das Herz brechen kann». Die Liebe zu seiner Tochter sei «ohnegleichen in ihrer Schönheit und Reinheit» und auch heute noch frei vom Inzesttabu.
Widmer sah denn auch im Inzesttabu die Ursache für praktisch alle Traumata, ja, für Chaos und psychisches Elend auf der Welt. Wörtlich: «Ohne die Aufhebung des Inzesttabus gibt es kein Ende des Krieges, kein Ende des Leids, keine Liebe.»
Widmer schwebte eine Inzesttherapie vor, denn er glaubte, dass «jeder ein Inzestopfer ist. Und jeder ein Inzesttäter.» Seine Ausführungen gipfeln in der Aussage: «Die Erforschung der Inzestproblematik ist mein Vermächtnis an die Welt.» Diesem Vermächtnis fühlen sich nun die Avanti-Ärzte und Widmer-Jünger verpflichtet, wie der bevorstehende Kongress zeigt.
Widmer fühlte sich stets missverstanden. Er vertrat die Ansicht, dass die wahre Liebe durch niemanden und durch nichts eingeschränkt werden dürfe, auch nicht durch das Inzesttabu. Die psychischen Probleme der Menschen und das Elend der Menschheit habe ihre Ursache in der Normierung der Liebe.
Standesorganisationen und die Solothurner Gesundheitsbehörden schauten dem Treiben von Widmer und den Kirschblüten-Ärzten jahrzehntelang tatenlos zu. Seit kurzem regt sich aber Widerstand. Thomas Ackermann, Präsident der Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie des Kantons Solothurn (GPPSo) und die Psychiaterin Alexandra Horsch deponierten vor gut drei Monaten im Namen der GPPSo eine aufsichtsrechtliche Anzeige beim Solothurner Gesundheitsamt.
Auslöser war unter anderem ein Vortrag von Kasia Weidenbach, einer engen Vertrauten Widmers, vor der Solothurner Ärztegesellschaft. Sie trat als Vertreterin von Avanti auf und sagte wörtlich: «Obwohl in aller Regel eine sexuelle Beziehung zwischen Therapeut und Klient dem Klienten schadet und deshalb darauf verzichtet werden muss, darf man eine solche Möglichkeit nicht von vornherein ausschliessen, da sonst die Lebendigkeit der Beziehung verloren geht.»
Horsch und Ackermann verlangen nun von den Behörden, endlich zu handeln und die Patienten zu schützen. Das zuständige Departement des Innern sieht jedoch keine ausreichenden Pflichtverletzungen der Avanti-Ärzte. Es fehlten Beweise oder konkrete Hinweise. Diese wollen Horsch und Ackermann nun nachreichen.
Nur: Wie sollen psychisch belastete Klienten gegen ihre übermächtigen Psychiater aussagen? Und dies bei einer allfälligen Konfrontationsbefragung? Zumal davon ausgehen kann, dass schliesslich Aussage gegen Aussage steht.
Die Avanti-Psychiater sprechen von Verleumdung und verwahren sich gegen die Beschuldigungen von Horsch und Ackermann. Sie würden die geltenden Gesetze und Standesregeln einhalten und die Meinung vertreten, dass «sexuelle Kontakte zwischen Therapeut und Klient im Rahmen der asymmetrischen (Abhängigkeit des Patienten) Therapiebeziehung nicht stattfinden dürfen, da diese dem Patienten oder der Patientin schaden».
Sie würden sich aber weiterhin dafür einsetzen, dass «Psycholyse (substanzgestützte Psychotherapie) als psychotherapeutisches Hilfsmittel in der Zukunft wieder eine breitere Anwendung finden darf, weil wir vom Wert und der Wirksamkeit dieses Verfahrens überzeugt sind».
Fazit: Die sektenhaften Aspekte der Kirschblüten-Gemeinschaft mit ihren Unterorganisationen Merkmale sind offensichtlich: Vom Guru, zur Heilsgemeinschaft bis zur spirituellen Heilsvorstellung und der Abschottung in einer Parallelwelt.
Frage an die Solothurner Behörden: Reichen all diese Zitate von Samuel Widmer und seiner Anhänger sowie die Aussagen der Aussteiger und unabhängigen Psychiater nicht, um endlich eigene Untersuchungen anzustellen?
Vom einen Trauma ins nächste.
Und die "Sehnsucht nach Verschmelzung" mit seinem eigenen Kind? Geht's noch? Hat er jeweils eine Erektion bekommen, wenn seine Tochter mit seinem Penis herumgespielt hat? Ist doch krank.
Das gaanz Andere ist, eine Gruppe von diplomierten Ärzten und Therapeuten, die sektenhaft ein Sex und Dope leben vorschlagen.
So eine Sekte ist Brand gefährlich.
Man sollte Allen die Zulassung aberkennen.
Dann noch einige Jahre Gefängnis aufbrummen..