Theresia, du hattest eine gute Stelle bei der UBS, bevor du entschieden hast, dich in die Unsicherheit der Selbständigkeit zu wagen. Wie kam es dazu?
Theresia Le Battistini: Nach der Geburt meiner Tochter ist mir im Spielwarengeschäft aufgefallen, wie unattraktiv die Puppen waren. Ich habe nachgeforscht und schnell gemerkt: Der Puppenmarkt ist total veraltet. Gleichzeitig fand ich heraus, dass der Spielwarenmarkt ein Riesenpotenzial hat: Sein Absatz liegt bei 90 Milliarden Dollar pro Jahr. Im Vergleich zu anderen Märkten, wie etwa demjenigen der Musik mit 20 Milliarden, ist das der Wahnsinn. Der Spielwarenmarkt ist aber nicht nur einer der grössten Märkte, sondern ebenso derjenige, der am stärksten wächst. Diese Erkenntnisse haben mich dazu gepusht, weitere Research zu machen.
Ich höre die Finanzfrau sprechen. Wie ging es weiter?
Ich habe bald darauf eine Fokusgruppe mit Kindern durchgeführt. Ich habe sie gefragt: «Spielt ihr mit Puppen?». Die Antwort war «nein», die Begründung besonders spannend: Aus Sicht der Kinder waren die üblichen Puppen uncool. Ich habe sie nach ihren Bedürfnissen gefragt und eine erste Puppe entworfen. Die Kinder fanden sie toll. Da war der Fall klar für mich.
Das klingt einleuchtend. Trotzdem, der Schritt von einem sicheren Job in die Selbständigkeit ist ein grosses Risiko.
Die Ergebnisse aus der Fokusgruppe haben mir einfach gezeigt, dass ich die Sache durchziehen muss. Aber ich habe nicht einfach losgelegt: Ich benötigte eine zweimonatige Pause, um mir alles nochmals zu überlegen. Ich machte meine Analysen – das Unterfangen war ein kalkulierbares Risiko. Klar, habe ich zwischendurch etwas Bammel gekriegt. Aber ich sagte mir, wenn es nicht klappt, finde ich schon wieder einen Job. Man lebt nur einmal, so let’s do it! Die Idee hat mich nicht mehr losgelassen. Puppen sind für viele Kinder eine Art Freund und Begleiter. Sie geben Halt im Loslösungsprozess. Die Spielmöglichkeiten sind vielfältig: vom freien Rollenspiel bis hin zum kreativen Stylingobjekt. Ich war rundum überzeugt. Unterdessen war ich zum zweiten Mal schwanger. Das hat mir zusätzliche Energie gegeben. 2017, zwei Wochen vor der Geburt meines Sohnes haben wir «I’m a Girly» offiziell lanciert. Das Interesse war gross: Drei Wochen nach der Geburt war ich am ersten Meeting mit Franz Carl Weber.
Selber Mutter frage ich mich, wie geht das? Die Strapazen der Geburt, Stillen, Wickeln und Schlafmangel nehmen einen doch in dieser Zeit total ein!
Ich habe das Gottesgeschenk, dass ich von Natur aus mega viel Energie habe. Das war schon bei meinen Eltern so. Ich brauche wenig Schlaf. Trotzdem muss ich ganz ehrlich sagen: Ich weiss nicht, wie ich damals alles geschafft habe. Ich wollte es einfach und habe es irgendwie durchgestiert. Da bin ich jedoch kein Einzelfall: Welche Mutter denkt nicht manchmal zurück und fragt sich, wie es möglich war, in der intensiven Anfangsphase alles zu stemmen? Mein zweites grosses Glück ist, dass ich auf die Unterstützung eines super Teams, meines Mannes und meiner Eltern zählen konnte.
«I’m a Girly» ist stark gewachsen und heute international tätig. Die Kinder der Beckhams und der Federers spielen und posieren auf den sozialen Medien mit euren Puppen. Was war oder ist entscheidend, dass dein Unternehmen solchen Erfolg feiern kann?
Erstens: Das Produkt überzeugt. Kinder haben die Puppen mitentwickelt, deshalb lieben die Kinder sie. Ausserdem sind sie kein billiges Wegwerfprodukt. Sie halten lange und Einzelteile, wie beispielsweise die Haare, können ausgewechselt werden, sollten sie nicht mehr schön sein. Zweitens: Man schafft es nicht allein, ein solches Unternehmen auf die Füsse zu stellen. Ich habe ein starkes Team. Wir zelebrieren Erfolge sowie Misserfolge, das schweisst zusammen. Drittens: Durch meine Berufserfahrung und mein Fachhochschul-Studium hatte ich meinen Rucksack gefüllt mit hilfreichem Werkzeug. Ich konnte den Markt analysieren und brauchte nicht für alles einen Spezialisten, weil ich mir in vielen Bereichen selbst zu helfen wusste.
Wie kam es eigentlich zum Namen «I’m a Girly»?
Die Kids haben ihn vorgeschlagen. Uns hat er gefallen. Unter anderem, weil er provoziert. Der Begriff Girly wird fälschlicherweise zu oft mit Oberflächlichkeit, Schwäche oder Dümmlichkeit assoziiert, aber wir stehen für eine neue Definition von Girly ein! Ein Girly kann eine sackstarke, kreative und smarte Person sein. Nichts ist falsch daran, wenn Mädchen und Jungs mit Puppen spielen. Sie sind genauso intelligent wie andere Kinder. Übertragen auf unser Team, das übrigens zu 75 Prozent aus Frauen besteht, wollen wir mit dem Namen zeigen, dass jede und jeder hart arbeiten und Erfolg haben kann – egal, welches Geschlecht oder welchen Stil man hat.
Eine Botschaft, die du weitergeben möchtest?
Ich möchte jungen Menschen Mut machen, sich selbst zu sein und sich nicht aufgrund von Äusserlichkeiten abstempeln zu lassen. Und ich will ein Vorbild für die Kinder sein, die auch heute noch an der Weiterentwicklung unserer Puppen beteiligt sind. Sie erleben hautnah, wie der Brand aufgebaut wird. So sehen sie, dass man seine Ideen und Träume tatsächlich verwirklichen kann.