Handwerk ist wieder sexy. In der öffentlichen Wahrnehmung war es schon verpönter, Maurer oder Schreinerin zu werden. Einen wahren Boom erlebt der Holzbau. Einerseits wurden technisch gewaltige Fortschritte gemacht. Grosse, repräsentative Gebäude überzeugen immer öfter mit Konstruktionen aus dem natürlichen Baustoff. Und mit Holzhochhäusern hat sich sogar ein neuer Begriff in unser Vokabular eingeschlichen. Andererseits hat auch der Anteil des Holzbaus am gesamten Bauvolumen in den letzten zehn Jahren, je nach Kategorie, zwischen drei und fünf Prozent zugenommen.
Die grosse Nachfrage wirkt sich auf den Arbeitsmarkt aus. Viele Betriebe ringen um qualifizierte Mitarbeitende, insbesondere um Holzbauingenieure. So einer ist auch Luca Föhn. Der 30-Jährige ist heute COO bei einem Unternehmen, welches Softwareprodukte für Schreiner und Zimmerleute herstellt. Zudem präsidiert er den Berufsverband Swiss Timber Engineers (STE). Er kennt die Gründe für den Boom sowie das Rezept gegen den Fachkräftemangel.
Luca, warum boomt der Holzbau?
Luca Föhn: Holzbau macht auf verschiedenen Ebenen Sinn. Holz wächst im Gegensatz zu Beton und Stahl nach und ist damit ein langfristig nachhaltiger Baustoff. Ausserdem fällt beim Bauen viel weniger Abfall an als bei herkömmlichen Bauweisen. Der zweite grosse Grund ist die ökonomische Bauweise. Gerade hier haben wir gewaltige Fortschritte gemacht, ich sage immer: Der Holzbau ist erwachsen geworden. Durch die Digitalisierung erschliessen sich ganz neue Möglichkeiten und durch die Vorfertigung der Elemente ist die Montage vor Ort sehr effizient gegenüber anderen Bausystemen. Der Holzbau ist heute breit aufgestellt für das Bauen in allen Bereichen.
Und das schafft neue Herausforderungen?
Die Branche kann nicht so schnell wachsen, sondern wir wollen das organische Wachstum beibehalten. Der Grund liegt darin, dass die Holzbranche aus tausenden von KMU besteht und nicht von wenigen Grossbaufirmen beherrscht wird, wie beispielsweise beim konventionellen Massivbau.
Alleine am Wachstum liegt es aber kaum, dass vom Zimmermann bis zur Holzbauingenieurin in der ganzen Branche Fachkräftemangel herrscht. Woran dann?
Ich glaube, die Holzberufe sprechen viele Jugendliche an. Doch der Trend zur Akademisierung in den letzten Jahren zeigt eine für mich fälschliche Wirkung. Noch immer gehen auch zu wenig junge Leute in handwerkliche Berufe. Gleichzeitig, glaube ich, kommen wir langsam zurück zur Wertschätzung des Handwerks. Diese Entwicklung müssen wir noch mehr fördern und die Möglichkeiten aufzeigen, mit denen man sich weiterbilden kann. Auch Quereinstiege sind immer besser möglich, durch die Digitalisierung und Technisierung unserer Berufe. Hier liegt noch Potenzial.
Was tun die Holzberufsverbände dafür?
Viele gute Image-Kampagnen von den Branchenverbänden laufen bereits. Auch wir beim STE möchten mit unserer Kampagne #goforwood Berufsleute für ein weiterführendes Studium gewinnen. Wir zeigen auf, dass man zum Beispiel auch nach einer Zimmermann-Lehre später zum CEO eines Unternehmens werden kann. Sehr wichtig sind für uns auch Berufsmessen wie die SwissSkills. Dort können wir live demonstrieren, was wir tun und unseren Vorteil ausspielen, nämlich die Sinnlichkeit unserer Produkte. Da fliegen die Späne, es riecht nach Holz, unsere Arbeit wird fühl- und sichtbar.
Reicht das?
Die Verbände, darunter unser Dachverband Lignum, setzen sich auch politisch dafür ein, dass der Holzbau den Stellenwert erhält, den er meiner Meinung nach haben sollte. In gewissen Bereichen, etwa Brandschutz, haben wir noch immer kleine Hürden, die andere Bausysteme nicht haben. Zudem sind wir dran, unseren Verband STE, der bisher nur aus Einzelmitgliedern bestand, stark auszubauen. Wir haben soeben einen Fachverein gegründet, der aus Unternehmensmitgliedern besteht. So entsteht ein echter Berufsverband der Holzbau-Ingenieure, der sich dem Dachverband Lignum anschliesst.
Stichwort Studium: Wo werden Holzbau-Ingenieure wie du ausgebildet?
Es gibt nur eine Möglichkeit, nämlich an der Berner Fachhochschule in Biel. Wobei es beim Bachelor-Studiengang in Holztechnik zwei Vertiefungen gibt: Die eine ist Timber Structures and Technology (TST). Das sind die eigentlichen Holzbau-Ingenieure, die sich mit Statik, Brandschutz oder Bauphysik auseinandersetzen und meist Gebäude planen. Die zweite Vertiefung Process and Product Management (PPM) bringt eher «Holz-Wirtschaftsingenieure» hervor. Sie können Betriebe leiten und strukturieren, Systeme weiterentwickeln oder Prozesse überarbeiten. Auch dieser Bereich ist wichtig, damit sich unsere Branche weiterentwickeln kann. Ich habe die Vertiefung PPM absolviert.
Wie sind die Arbeitsmarktchancen der Absolventen dieses Studiengangs?
Jährlich kommen rund 30 Abgänger mit TST-Vertiefung und etwa 20 mit PPM-Vertiefung aus der Fachhochschule und werden vom Markt sofort «gefressen». Ich habe noch nie erlebt, dass jemand nicht auf Anhieb eine Stelle gefunden hätte. Eigentlich müssten mehr ausgebildet werden.
Erzähl doch bitte kurz, wie deine Karriere bisher verlief.
Ich habe mit der Schreinerlehre begonnen, die Berufsmatura absolviert und bei meinem Ausbildungsbetrieb gearbeitet bis hin zum Projektleiter. Danach habe ich an der Fachhochschule in Biel studiert. Dadurch konnte ich im internationalen Umfeld in die Unternehmensberatung einsteigen, stets in der Holz- und Möbelindustrie. Heute arbeite ich bei einem Softwareunternehmen, das Softwarelösungen für Schreiner und Zimmerleute anbietet. Und ich würde diesen Weg sofort wieder wählen.