Hoppla, das war ein bisschen unlustig gestern. To say the least. Und ich muss es wissen, denn ich verweile gerade in Südfrankreich. Gestern Nachmittag noch haben meine Freundin und ich Sprüche geklopft – wenn uns auf der Autobahn ein Sportwagen mit französischer Nummer überholte, lächelten wir gnädig und sagten: «Du magst ein schnelles Auto haben, aber heut’ Abend machen wir Euch FERTIG!» Bösartiges Gelächter.
Am Abend machten wir uns auf ins Dörfli, wo wir uns auf dem Dorfplatz vor das Pub setzten und zusammen mit ganz vielen Franzosen – inklusive einem, der aussah wie Sherdan Shaqiri – ungeduldig auf den Anpfiff warteten. Wussten Sie übrigens, dass man das «Schatschiri» ausspricht? Und nicht «Schakiri»? Ich nämlich nicht. Das brachte mir gestern im Pub meine Freundin bei, ihrerseits Albanoschweizerin. Oder Schweizerin mit albanischen Wurzeln. Oder albanischstämmige Schweizerin. Was auch immer gerade politisch korrekt ist.
Vor dem Anpfiff war das, als wir noch frohen Mutes waren und Sachen sagten wie «Weisch, die müend eifach muure hine, oisi Jungs. Und vorne dänn über d’Flanke. De Ottmar wird’s scho richte, gäll?» Ja, da lachten wir noch.
Über den alten Dächern ging am wolkenlosen Himmel in prächtigen Farben die Sonne unter, der Weisswein schmeckte, die Luft duftete nach Lavendel, in den Bäumen zirpten die Zikaden und es zeigte sich, dass die jungen Franzosen alle ganz fest Fussballerfrisuren haben. Jedenfalls diejenigen, die auf dem Dorfplatz auf dem Fernseher des Pubs den Match gegen die Schweiz schauen kamen. Jeans, enges, schwarzes Shirt, Strasssteinchen in den Ohren, gezupfte Augenbrauen und eben Frisuren, die – wie Gabriel Vetter das einmal so schön ausdrückte – aussahen, als würde sich ein Eichhörnchen an ihrer Stirn festhalten, welches sich dann mit seinem Schwanz bis an den Nacken erstrecken. Auf der Seite alles wegrasiert. Voilà le style.
Aber zurück zum Elend des Abends. Ich wusste nun also, dass Sherdan Schatschiri heisst und nutzte das bei jeder Gelegenheit. Schatschiri hier, Schatschiri da. Haha. «Füre, füre, füre!!»
Dann: Das erste Tor. Zagg. Nach gefühlten 30 Sekunden. Die Franzosen jubelten und wir merkten, dass wir uns genau in die Mitte aller Zuschauer gesetzt hatten.
Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Schweizerin, Schweizerin, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose, Franzose.
Noch während wir die ersten dummen Sprüche klopften, die sollten mal nicht übermütig werden, der zweite Topf. Wow. Schon etwas schwieriger. Gleich nach dem zweiten Tor der Franzosen landete ein Schweizer Pass im Netz, wonach wie automatisch meine Hände in die Luft flogen und mir ein «Jeeeeeeh» entwich – nur, um dann festzustellen, dass es sich um eins der krassesten Abseits der Geschichte des Fussball handelte und die Fahne des Assistenten schon oben war, bevor der Schweizer Stürmer überhaupt geboren wurde.
Jetzt wussten auch unsere französischen Mit-Schauer, dass wir nicht auf ihrer Seite standen und wir kassierten den einen oder anderen hämischen Blick. Nachdem dann auch das 3:0 gefallen war, herrschte um uns herum beste Stimmung – nur wir beide sassen mit in unsere Hände gestützten Köpfen am Tisch, während uns ab und an ein resigniertes Lachen entwich.
In der Pause entschlossen wir, nach Hause zu fahren und uns wichtigeren Dingen zu widmen, nämlich dem Rosé der Gegend. Beim Checken von Facebook waren mal wieder alle zu Fussballexperten mutiert und ich entdeckte sogar den Status einer Freundin aus Singapur, die schrieb «Holy Fuck, is anyone watching France-Switzerland? What the hell is happening?!» Ich setzte ein konstruktives «No, why? Is it hockey season again already?» darunter.
So betranken wir uns denn in der provençalischen Küche ein bisschen und checkten ab und an den Spielstand – und betranken uns dann noch ein bisschen mehr. Ja, das war wohl nichts. Schade.
Aber hey, la vie est dure sans confiture und wenigsten weiss ich nun, dass es Schatschiri heisst. Wenn das nicht super ist...