Es gibt ein Phänomen, das mich immer wieder verblüfft. Es hat mit der Reaktion der Passagiere nach Flugzeuglandungen zu tun.
Nun denken vielleicht einige: OH, DIESE VERDAMMTE KLATSCHEREI NACH DER LANDUNG!
Und genau um dieses Phänomen geht’s mir – also nicht ums Klatschen selbst, sondern darum, dass sich so viele Menschen so unglaublich darüber aufregen können, wenn im Flugzeug nach der Landung geklatscht wird.
Jaja. Ich weiss schon: «Landen ist ja wohl das Allermindeste, was ein Pilot können muss.»
Ich gebe es in Zeiten der Flugscham ungern zu, aber ich bin schon sehr oft geflogen. Und ja, ich war jeweils ganz okay damit, wenn ich auch wieder runtergekommen bin – aber es gibt tatsächlich qualitative Unterschiede in Sachen Landen (mir wurde übrigens kürzlich von einem Linienpiloten erklärt, dass gewisse Landungen durchaus gewollt ruppig sind).
Ich habe schon Aufsetzer erlebt, bei denen ich förmlich die Bandscheiben aus den Wirbelsäulen springen hören konnte. Und dann waren da welche, die man kaum spürte, es war, wie wenn ein Federlein auf ein Wölkchen gefallen wäre.
À propos Federlein. Thema Tennis. Da klatscht man auch nach jedem Ballwechsel und Bälle zu schlagen ist ja auch irgendwie so ein bisschen die Hauptaufgabe eines Tennisspielers, n’est-ce pas? Da ist das aber easy.
Was ist am Loben (in welcher Form auch immer) eigentlich so falsch? Auch diejenigen, die das selten zu hören bekommen? Im Restaurant einen Dank in die Küche schicken, zum Beispiel. Oder im Tram beim Aussteigen dem Fahrer adieu sagen und einen schönen Tag wünschen. Oder dem Pöstler einen Weihnachtsbatzen geben.
Auf der privaten Ebene können wir da viel von den Amerikanern lernen, welche die Kompliment-Kultur perfektioniert haben.
«DAS ISCH ABER ALLES EH MEGA FAKE!»
Mimimimi! Erstens kann man das nicht pauschal wissen und zweitens habe ich noch immer lieber jemanden, der mir auf oberflächlicher Basis (wenn man sich nicht kennt, ist das ja per Definition die einzige Möglichkeit, nöd wahr) etwas Liebes sagt, als jemanden, der mich behandelt wie das letzte Fuckweasle.
Ich weiss, es gibt auch noch Graustufen zwischen verbalem Ankotzen und Lobliedern mit Lautenbegleitung im Tutu – und man muss es ja nicht übertreiben oder gar irgendwas erfinden, was einem gar nicht gefällt.
Aber vielleicht ab und zu einfach sagen, wenn jemand einen guten Job gemacht hat, wenn man seine Jacke oder ihr Make-up mag oder wenn man dasselbe Buch gelesen hat und sich freut, dass jemand anderes es auch liest oder vielleicht einmal öfter einen schönen Tag wünschen. Ich glaube, das ist auch eine Trainingssache. Es fällt uns wirklich kein Zacken aus der Krone.
Plus: Es entstehen wirklich schöne Begegnungen (obwohl der gemeine Schweizer oft erst mal etwas misstrauisch wird, wenn man grundlos freundlich ist, aber das vergeht oft meist schon, wenn man ihn anstrahlt). Und ich glaube, dass wir letztlich auch selbst davon profitieren, weil nämlich dann Positives zurückkommt, und das macht auch unsere Welt besser.
Ich verstehe einfach nicht ganz, wieso wir mit Positivem so streng haushalten. Es geht hier ja nicht mal drum, dass man nach der Landung ums Verrecken klatschen muss. Aber man kann diejenigen, die es tun, ja einfach machen lassen.
Mir leuchtet dieses Niedermachen einer gut gemeinten Geste einfach nicht ein.
«Alle, die im Flugzeug klatschen, sind idiotische Bünzlis», «Man muss ja nicht immer alle häschelen und bäschelen», «Ich gebe nur Trinkgeld, wenn man mich WIRKLICH exzellent bedient hat», usw.
Hui ja, da hättest du ja fast umesuscht deine Hände ein paar Mal zusammengeschlagen oder jemandem etwas Liebes gesagt oder drei Stutz mehr ausgegeben. BHÜET MI DE HÜEHNERVOGEL!
Ich glaube, ich will ein bisschen auf das raus, was Marc-Uwe Kling so schön über den Umweltschutz sagt: «Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schon ärgern.»
Ja, wir könnten jetzt schon einfach mal lieb zueinander sein und vielleicht einmal zu oft klatschen (oder diejenigen, die es tun, nicht niedermachen) oder Trinkgeld geben oder uns Komplimente machen, aber wenn wir dann in 50 Jahren auf dem Sterbebett liegen und merken, dass es gar kein Nettigkeitskonto gibt, das uns bei höherem Stand eine Loge im Playboy-Gratis-Crack-und-Glace-Himmel beschert und dass wir ganz ohne Grund einfach die Welt für andere, vielleicht sogar fremde Menschen einen Moment lang etwas besser gemacht haben ...
... da würden wir uns schon ärgern.
Statler
Die Amis machen das tatsächlich mehr als wir (hey, nice shirt - I like your [whatever]). Völlig spontan und einfach so. Wenn ich das in der Schweiz mache, hab' ich immer das Gefühl, die Leute erwarten einen Überfall oder zumindest die Frage «wännd Sie nöd für Kinder-in-Not spände?».
Dabei tun Komplimente wirklich gut!
Ich klatsch im Flugi übrigens nicht, weil meine Finger noch vom Festkrallen im Sitz verkrampft sind.
Fun fact am Rande: Wenn man mal angefangen hat zu klatschen, hört man nie mehr damit auf. Nur die Abstände zwischen den Klatschern werden grösser.
Zwerg Zwack
neutrino