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Yonnihof
Gedanken zur Sterbehilfe.
22.04.2015, 21:4022.04.2015, 21:40
Das Parlament des Kantons Basel-Stadt hat die Motion, dass allen Patienten in basel-städtischen Spitälern und Altersheimen Sterbehilfe offenstehen soll, zur Prüfung an die Regierung weitergeleitet – und zwar deutlich (watson berichtete). Bisher stand es den Spitälern und Heimen frei, Sterbehilfe anzubieten – die Motion will dieses Angebot nun für alle Institutionen obligatorisch machen.
Ich finde den Entscheid Basels sehr unterstützenswert und wichtig. Dies aus folgenden Gründen:
In der Vergangenheit wurde Organisationen wie Exit oder Dignitas immer wieder vorgeworfen, aus der Verzweiflung und der Lebensmüdigkeit Schwerstkranker Profit zu schlagen – eine Lösung, wie sie Basel-Stadt vorschlägt, würde solchen Profit massiv einschränken.
Des Weiteren müssten alte oder sehr kranke Menschen ihr gewohntes Umfeld zum Freitod nicht mehr verlassen, sondern könnten in ihrem eigenen Bett, umgeben von bekannten Gesichtern, sterben.
Auch würde sich eine monatelange Planung mit der jeweiligen Sterbehilfeorganisation erübrigen, weil die zuständigen Ärzte in den Spitälern/Altersheimen die Patienten kennen und begleiten würden, womit auch mit einem bekannten Mediziner, dem man vertraut, eine solche Entscheidung besprochen und schliesslich gefällt werden könnte.
Ich bin der Meinung, dass allen Patienten, egal in welchem Heim oder welchem Spital, diese Möglichkeit im selben Masse offenstehen sollte und dass man sich nicht eine Institution, in der man sein Lebensende verbringt, nach ihrem Sterbehilfeangebot aussuchen müssen sollte. Ob man das Angebot dann in Anspruch nimmt, ist eine Sache für sich – die Möglichkeit jedoch, selber zu entscheiden, wann es genug ist, sollte jedem und jeder offen stehen.
Die Zweifel, die dieser Lösung gegenüber geäussert wurden, bezogen sich unter anderem darauf, dass ein Teil der Belegschaft der Institutionen durch ihre religiösen Grundsätze in keiner Institution arbeiten möchte, die Sterbehilfe anbietet. Und obwohl ich das nachvollziehen kann, bin ich der Meinung, dass die Selbstbestimmung des Patienten über den Ansprüchen des Personals stehen sollte. Zudem bin ich überzeugt, dass sich für Mitarbeitende mit Vorbehalten gegenüber der Sterbehilfe eine Lösung finden liesse, welche sie nicht direkt in den eigentlichen Prozess des assistierten Suizids involviert.
Und natürlich kamen auch die alten Argumente, zum Beispiel, dass es «Kein Recht auf Tod« gäbe. Doch. Das gibt es. «Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen», lautet Artikel 7 der Bundesverfassung. Dazu gehört in meinen Augen neben einem würdevollen Leben auch ein würdevolles, selbstbestimmtes Sterben.
Noch immer gibt es (vor allem religiöse) Gruppierungen, die den Freitod verurteilen und die Möglichkeit eines assistierten Suizids wenn möglich verbieten wollen. Und wo ich Teil 1, also das Verurteilen, nachvollziehen kann, ist mir Teil 2, also der Wunsch nach einem Verbot für alle, immer wieder ein Rätsel. Warum macht man nicht für sich selbst das, was man für richtig hält, lässt allen anderen jedoch die Freiheit, ihr Leben selbstbestimmt zu leben – oder es eben selbstbestimmt zu beenden. Es ist doch unsere eigene Verantwortung und auch unser eigenes Problem, wenn wir in die Hölle kommen, wenn man das so salopp formulieren will. Gläubige können ihr Leben ja uneingeschränkt ihrem Glauben gemäss zu Ende leben, niemand hält sie davon ab.
Ganz generell (Religion hin oder her) finde ich es schwierig, wenn der/die Gesunde dem/der Kranken vorschreiben will, wie er/sie von dieser Erde zu gehen hat. Haben diese Leute denn das Gefühl, die Entscheidung zum assistierten Suizid falle den Betroffenen leicht? Dass sie nicht lieber gesund wären und weiterleben würden? Dass es nicht die ultima Ratio ist, weil das Leben an sich einfach nicht mehr zu ertragen ist? Dazu kommt, dass der/die Gesunde sehr offensichtlich noch nie terminal krank war, sein/ihr Blut in seinen/ihren Adern schwarz wurde und er/sie sich die Lunge aus dem Leib kotzte – er/sie also keine Ahnung hat, wie es ist, auf schmerzhafte und entwürdigende Art zu sterben...
Wer sind wir denn, wenn wir einander vorzuschreiben beginnen, wie viel Schmerz und Leid wir über uns ergehen lassen müssen, bevor wir (eventuell elendiglich) sterben?
«Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen». Halten wir uns daran!
Yonni Meyer
Yonni Meyer schreibt als Pony M. über ihre Alltagsbeobachtungen – direkt und scharfzüngig. Tausende Fans lesen mittlerweile jeden ihrer Beiträge. Bei watson schreibt die Reiterin ohne Pony – aber nicht weniger unverblümt.
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