Bild: shutterstock
Yonnihof
Zumindest teilweise.
05.04.2015, 13:2405.04.2015, 13:40
Never judge a book by its cover. Verurteile nie einen Menschen, bevor du nicht eine Meile in seinen Schuhen gegangen bist. Etc. Etc.
Vorurteile sind böse, das wissen wir alle.
Trotzdem ist es absolut unabdinglich, sie zu haben, denn unsere Gehirnkapazität ist beschränkt. Wo wir von wichtigen Menschen noch ein detailliertes Persönlichkeitsprofil abgespeichert haben, kreiert unsere Psyche von unserer restlichen Umwelt Schubladen, die mal grösser, mal kleiner sind, abhängig davon, wie wichtig uns das spezifische Thema ist. Ziel ist, Energie zu sparen, denn unser Gehirn möchte so ökonomisch und schnell wie möglich funktionieren können. Wir brauchen Schubladen. Wir sind also alle bei den AV, den Anonymen Vorverurteilenden.
Was an der spezifischen Schublade steht, entscheidet sich durch unterschiedliche Mechanismen. Einerseits ist da die Statistik. Zeigt ein grosser Teil der Gruppe (in meiner Wahrnehmung) dieselben Verhaltensmuster, stehen diese dann auch aussen an der Schublade.
So hat man (also ich, ich gebe es zu) z.B. eine SVP-Schublade, wo all die lustigen SVPler drin höcklen und an der Schublade steht rechts, ausländerfeindlich, homophob, abschottungsfanatisch, intolerant.
Ein anderes Phänomen, das über die Gruppenstereotypen entscheiden kann, ist der Schluss von wenigen Extremen auf viele Gemässigte. Über die Extremen (in welchem Belang auch immer) liest und hört man viel und weil man dadurch dem extremen Verhalten viel eher ausgesetzt ist, schliesst man dann davon auf die ganze Gruppe.
So kann es sein, dass die Schublade mit den Linken die Verhaltensweisen einiger weniger Linksextremer trägt, wie zerstörerisch, randalierend, Strassenkrieg. Dasselbe kann einem auch beim Schluss von einigen Nazis auf alle Rechten passieren.
Diese Schubladengeschichte funktioniert im Alltag ganz gut, denn sie vereinfacht einem das Leben um ein Vielfaches, bis man mit jemandem konfrontiert wird, der nicht in die Schublade passt. Ups. Ein total homofreundlicher SVPler. WAS NUN? Das Hirn sagt dann: «HA! DAS ist nun also die berühmte Ausnahme der Regel. Ich fühle mich dadurch in meinem Vorurteil bestätigt, dass alle andern eben homophob sind.» Unsere Vorurteile suchen Bestätigung und lassen Widerlegungen nicht im gleichen Masse gelten.
Und: Sie sind von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich streng. Verlangen z.B. einige Zeitgenossen mehr Differenzierung im Umgang mit Asylanten, weil jeder Mensch ja einzigartig ist, schmieren dieselben Brüder (oder Schwestern) dann ACAB, also All Cops Are Bastards, an Hauswände. Das Gleiche gilt auf der anderen Seite der politischen Mitte, wo ein Herr einerseits Schwarzarbeiter verteufelt, jedoch seine eigene Haushaltshilfe dann unter dem Tisch bezahlt. Die fand also irgendwie ihren Weg aus der Ausschaffungsschublade.
Will heissen: Wir biegen uns unsere Schubladen auch zurecht, meist so, wie es uns gerade in den Kram passt.
Die schlechte Nachricht: Es geht nicht ganz ohne Schubladen. Jede/r hat welche – ja, auch Sie. Differenzierung auf allen Ebenen und in jedem Lebensbereich würde unsere Gehirnkapazität innert kürzester Zeit sprengen und wir wären nur noch dabei, ganz genau herauszufinden, was die An- und Absichten jedes einzelnen Menschen sind, der uns begegnet, und hätten für alles andere keine Zeit mehr.
Die gute Nachricht: Wenn wir die Schubladen schon haben müssen, machen sie uns wenigstens das Leben leichter. Und wir haben ausserdem die Möglichkeit, ab und an einen Schritt zurück zu machen, uns selber auf die Finger zu klopfen und uns einzugestehen, dass nicht alles schwarz-weiss ist und dass wir den einen oder die andere vielleicht mal wieder aus seiner/ihrer Schublade befreien könnten. Dazu müssen wir uns einfach bewusst werden, dass wir welche haben.
Deshalb hier meine Message bei den Anonymen Vorverurteilenden: Hi, mein Name ist Yonni und ich habe alle SVPler in eine Schublade gesteckt. Mea Culpa!
Yonni Meyer
Yonni Meyer schreibt als Pony M. über ihre Alltagsbeobachtungen –direkt und scharfzüngig. Tausende Fans lesen mittlerweile jeden ihrer Beiträge. Bei watson schreibt die Reiterin ohne Pony – aber nicht weniger unverblümt.
Pony M. auf Facebook Yonni Meyer online
Das könnte dich auch noch interessieren:
Was strukturierte Produkte sind, wie du sie nutzen kannst und interessante Beispiele der Preisträger der 19. Swiss Derivative Awards.
Letzte Woche am Donnerstag war es dann so weit, das Aura in Zürich knisterte nur so vor Spannung bei der Preisverleihung der 19. Swiss Derivative Awards co-hosted von SIX und Payoff. Anwesend eine grosse Community von Finanzexperten, prämiert wurden die von einer namhaften Jury bewerteten besten strukturierten Produkte respektive deren Emittenten nach verschiedenen Kriterien wie Originalität der Idee, Realisierung und Struktur des Produktes. Berücksichtigt wurden alle Produkte, die bis Ende 2023 in der Schweiz emittiert und an der SIX Swiss Exchange gelistet wurden. Ich war zum ersten Mal an den Derivative Awards und fand den kurzweiligen Anlass enorm spannend, viel spannender noch die vorgestellten Produkte, von denen ich euch hier im Artikel eine kleine Auswahl zeigen möchte.