Los Angeles stand nie auf meiner Travel Bucket List. Aber Hanna ist mit ihrem neuen Lover verreist, normalerweise gehen wir im Sommer irgendwohin, aber sie hat nur vier Wochen Ferien und die werden jetzt anderweitig gebraucht. Ich habe, wie ihr wisst, mehr als vier Wochen arbeitsfreie Zeit. Wir dürfen das selbstverständlich nicht Ferien nennen, aber sagen wir mal: Ich habe definitiv häufiger als vier Wochen lang die Möglichkeit zu verreisen. Jedenfalls war Hanna raus, ein anderer Kumpel, mit dem ich oft wegfahre, hat gerade ein Kind gekriegt und weil ich Lust hatte, eine Weile ausserhalb der Schweiz zu sein, nahm ich das Angebot eines Freundes an, der vor vier Jahren nach LA gezogen ist und seither immer wieder sagte, ich sollte ihn endlich besuchen kommen.
Ich kenne meinen Kumpel noch aus Gymizeiten, er war der Nerdigste von uns allen, dazu winzig, bis fast zur Matura war er zwei Kopf kleiner als alle, für die Mädchen der Schule war er inexistent, was ihn aber nicht störte, da er eh nur vor dem PC hockte. Jedenfalls hat ihn seine Nerdiness nun nach Hollywood gebracht. Er arbeitet nicht irgendwo, wo man ihn sehen könnte, er macht, dass die, die man sieht, gut aussehen. Er verdient höllisch viel Geld, wohnt aber recht bescheiden, für LA-Verhältnisse aber gut. Er lebt in einer Wohnung in Los Feliz, darin ist ein grosses Schlafzimmer, ein grosses Wohnzimmer, eine Mini-Küche, dafür zahlt er 3800 Dollar im Monat.
Wer hier leben will, muss teuer dafür bezahlen, habe ich gelernt. Was ich in meiner ersten Woche auch noch gelernt habe, ist, dass ...
1. Man lebt nicht in Los Angeles, sondern in seiner Neighborhood. In Silverlake, West Hollywood, Koreatown. Den Rest lässt man links liegen. Nicht, weil man da nicht hin will, sondern weil es gut und gerne zwei Stunden dauern kann, bis man da ist. Ich wollte an den Strand an einem Nachmittag, Venice Beach, habe die Idee sofort wieder begraben, es hätte mich 60 Dollar fürs Uber und 70 Minuten gekostet.
2. Alles kostet wahnsinnig viel. Einen Cappuccino to go: 6 Dollar, mit Trinkgeld, das man ja geben muss, über 7 Dollar. Verrückter als die Schweiz.
3. Alle tragen Sonnenbrillen. Immer und überall. Nicht so sonnig, egal, Sonnenbrille wird dennoch aufgesetzt. Sonne schon untergegangen, egal, Sonnenbrille wird dennoch anbehalten. Und es sind nicht irgendwelche Sonnenbrillen, sondern solche, die das ganze Gesicht verdecken. Solche, die gewöhnlich Promis tragen. Aber an der Menge von Leuten mit Sonnenbrillen können das nicht alles Promis sein, die hier rumlaufen.
4. Die Frauen hier sehen überdurchschnittlich gut aus. Sehen sie alle ähnlich aus? Ja. Aber gut.
5. Die Männer hier sehen auch überdurchschnittlich gut aus.
6. Die Mocktail-Liste auf der Speisekarte ist manchmal länger als die Cocktail-Liste. Alkohol macht hässlich, vielleicht deshalb.
7. Dass man aus der Schweiz ist und einen Akzent hat, wenn man Englisch spricht, finden alle wahnsinnig toll. Je «thicker the accent», desto hotter, sagte mir jemand, was ich nicht ganz verstehe, denn warum ist es so toll, dass jemand ihre Muttersprache nicht richtig sprechen kann?
8. Dating befolgt klare Regeln. Habe es noch nicht ausprobiert, aber mein Kumpel hat es mir erzählt. Der Mann zahlt immer beim ersten Date. Ab dem zweiten darf die Rechnung gesplittet werden. Küssen darf man die Frau beim zweiten Date und wenn man «lucky» ist, gibt es beim dritten Date Sex. Ausnahme: Die Frau macht «einen Move», dann ist alles möglich.
9. Alle reichen Männer hier vögeln ihre Nanny. Keine Ahnung, ob das stimmt. Hat auch mein Kumpel erzählt.
10. Frauen sind oft «done with the apps». Schreiben sie, wenn man mit ihnen auf einer Dating-App chattet. Was ich mache, also, auf den Apps mit ihnen kommunizieren. Ich verstehe nicht ganz, warum sie sagen, sie seien fertig mit den Apps, wenn sie ja doch ein Profil haben und Messages verschicken. Scheint mir also halb gelogen, dieses «Done with the apps»-Sein. Aber «halb gelogen» sei hier vieles, meinte mein Kumpel und ergänzte: «Welcome to Hollywood!»
Ich werde mein Bestes geben, euch von einem Date hier berichten zu können. Bis jetzt hat es noch nicht geklappt. Aber ich habe ja noch eine Woche Zeit.
Wish me luck!
So long,
Ben
Dating-Regeln? Ben, du bist der Grund, warum die Frauen dort „done with the apps“ sind. Oder wie dein Nerd-Freund sagen würde: 404 chemistry not found. 😹
Aber hey – ich glaub an dich. Vielleicht wartet in Koreatown ja wirklich eine Nanny mit Daddy Issues und einem Faible für thick accent in silly packaging.
So long, Gandalf der Beige – möge dein Zauberstab bald zum Einsatz kommen.🪄 Und wenn nicht: verkauf ihn als Selfiestick 😹
Hat Ben überhaupt schon mit jemandem gesprochen, ausser seinem Bekannten?
Hast du schon mal eine Französin Deutsch sprechen hören?
So sexy spricht kaum eine Deutschweizerin 😉