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Muss Deutschland wieder aufrüsten?

A combat diver "Kampfschwimmer" of German special naval forces is pictured during a presentation by the German army "Bundeswehr" in Eckernfoerde, Schleswig-Holstein, April 5, 2014. ...
Deutscher Elitesoldat, April 2014.Bild: Reuters
Krise in der Ukraine

Muss Deutschland wieder aufrüsten?

Der neue russische Militarismus fordert die Nato heraus. Diesmal werden es die USA nicht richten. Nur die Deutschen haben die Möglichkeit, die Lücke zu füllen. Aber haben sie auch den politischen Willen dazu?
13.04.2014, 09:5717.11.2020, 13:52
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Die preussische Armee war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Vorbild aller anderen Armeen. Ob amerikanische, russische oder französische Generäle – alle bewunderten sie und orientierten sich an ihr. Zwei verlorene Weltkriege und unglaubliche Kriegsgräuel haben dazu geführt, dass die heutigen Deutschen nichts mehr von Militarismus wissen wollen und Ehre nicht mehr auf dem Schlachtfeld, sondern allenfalls auf dem Fussballrasen suchen.

Nun werden sie möglicherweise von Wladimir Putin gezwungen, erneut ihre militärischen Qualitäten zu entdecken. Die Krise in der Ukraine wird so schnell nicht vorüber sein. Das zeigt sich immer klarer. Nach der Annexion der Halbinsel Krim brechen im Osten der Ukraine lokale Konflikte auf und selbsternannte russische Patrioten fordern Putin dort auf, auch sie vor den «Faschisten» zu retten. Wie weit sie dabei von russischen Provokateuren angestachelt werden, ist reine Spekulation.

Putin hat vier Trümpfe im Ärmel

Hingegen deutet alles darauf hin, dass Putin alle Hebel in Bewegung setzt, um zu verhindern, dass Ende Mai in der Ukraine eine Wahl durchgeführt wird und eine demokratisch legitimierte Regierung installiert werden kann. Dabei hat er vier Trümpfe im Ärmel: Er wiegelt die russische Bevölkerung gegen den Westen auf. Er setzt die prowestliche Regierung in Kiew unter wirtschaftlichen Druck, indem er den Gaspreis massiv erhöht. Um Ruhe vorzutäuschen, lässt er seinen Aussenminister Sergei Lawrow mit US-Aussenminister John Kerry verhandeln. Und er lässt grosse Truppenverbände an der Grenze aufmarschieren.

Obwohl ein heisser Krieg immer noch sehr unwahrscheinlich ist, bereitet der Truppenaufmarsch den westlichen Militärs Bauchschmerzen. Russland ist besser auf einen Waffengang vorbereitet als die Nato. Gemäss Angaben des International Institute for Strategic Studies sind die russischen Militärausgaben seit 2008 um 31,2 Prozent gestiegen. In Italien hingegen sind sie im gleichen Zeitraum um 21,5 Prozent gefallen, um 9,1 Prozent in Grossbritannien und um 4,3 Prozent in Deutschland. In Frankreich sind sie etwa gleich geblieben.

«Die Vereinigten Staaten sind davon ausgegangen, dass die Sache in Europa erledigt sei, und haben sich dem pazifischen Raum zugewendet.»
Nato-Expertin Kathleen McInnis

Die USA wenden sich dem pazifischen Raum zu

Bisher konnten sich die 28 Nato-Mitglieder blind auf die Supermacht USA verlassen. Auch für die Amerikaner haben sich die Gewichte seit dem Fall der Berliner Mauer verschoben. So erklärt die Nato-Expertin Kathleen McInnis in der «Financial Times»: «Die Vereinigten Staaten sind davon ausgegangen, dass die Sache in Europa erledigt sei und haben sich dem pazifischen Raum zugewendet. Sie werden zwar ihr Engagement erneuern, aber nur, wenn die Europäer ihre Verteidigungsausgaben neu überdenken.»

Genau hier aber liegt der Hase im Pfeffer. Die Wirtschaftskrise hat den Spielraum für Militärausgaben auf ein Minimum reduziert. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit und der Staatsschulden können die Defizitländer im Süden ihre Aufwendungen für Kanonen und Kampfjets unmöglich erhöhen. Spanien, Frankreich und Italien stecken in grossen wirtschaftlichen Nöten. Einzig die unmittelbar an Russland angrenzenden baltischen Staaten haben angekündigt, ihre Militärausgaben zu erhöhen. Aber ist das wirklich ein Trost?

Die Nato steht an einem entscheidenden Punkt

Alle Augen richten sich daher nach Berlin. Deutschland hätte die wirtschaftliche Potenz, um dem wachsenden russischen Militarismus etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen. Aber hat es auch den politischen Willen dazu? Ursula von der Leyen, die neue Verteidigungsministerin, hat – unterstützt von Bundespräsident Joachim Gauck – zu einem neuen militärischen Selbstbewusstsein aufgerufen. Wie weit sie dabei auch gehört wird, bleibt abzuwarten. Die Deutschen haben inzwischen Gefallen an ihrer Rolle einer pazifistischen Nation gefunden. Nichts deutet auf einen neuen preussischen Militarismus hin.

Für die Nato wird der neue russische Militarismus zu einer Bewährungsprobe. Nach dem Ende des Kalten Krieges geriet das westliche Militärbündnis in eine Sinnkrise. Nun ist es von Putin wieder herausgefordert. Der Chef der Nato, der Däne Anders Fogh Rasmussen, hat denn auch erklärt: «Wir stehen an einem entscheidenden Moment für die Sicherheitsarchitektur, die wir in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben.»

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