Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sieht durch die jüngsten Enthüllungen über US-Spionageaktivitäten in Deutschland das Vertrauensverhältnis der beiden Staaten belastet. Washington ist seinerseits über die Berliner Reaktionen verstimmt.
Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den USA in Geheimdienstangelegenheiten sei wichtig, aber dazu gehöre auch, «dass man sich nicht gegenseitig ausspioniert», sagte Merkel am Samstag im deutschen TV-Sender ZDF. Sie hoffe auf eine Verhaltensänderung der USA.
Merkel betonte bei der Aufzeichnung des ZDF-«Sommerinterviews», die «sehr enge» geheimdienstliche Zusammenarbeit Deutschlands mit den USA sei wichtig, etwa zur Abwehr terroristischer Gefahren. Aber die Welt befinde sich nicht mehr im Kalten Krieg, «wo jeder jedem wahrscheinlich misstraut hat».
Für sie sei es «keine Vertrauensbasis», wenn sie sich immer fragen müsse, «ob derjenige, dem ich gegenübersitze, vielleicht noch gleichzeitig auch für den anderen arbeitet». Es sei auch keine partnerschaftliche Zusammenarbeit, «wenn so etwas vorkommt».
Jetzt sei es notwendig, den USA «ruhig und beharrlich» die deutsche Auffassung deutlich zu machen. «Ich hoffe natürlich, dass sich etwas ändert», sagte Merkel. Allerdings sei es nicht einfach, die USA von einer Verhaltensänderung zu überzeugen.
Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier rief dazu auf, die transatlantische Freundschaft zwischen Deutschland und den USA «ehrlich» neu zu beleben. Dabei erwarte die deutsche Regierung von Washington «einen tatkräftigen Beitrag», sagte er der «Welt am Sonntag».
Steinmeier hat angekündigt, am Rande der Wiener Verhandlungen über das iranische Atomprogramm am Sonntag mit seinem US-Kollegen John Kerry über die Geheimdienst-Affäre zu sprechen.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, in deren Ressort ein mutmasslicher Zuträger der US-Geheimdienste entdeckt worden war, forderte Washington auf, «solchen Übergriffen politisch einen Riegel» vorzuschieben. Entsprechende Vorgaben an die Nachrichtendienste müsse die US-Regierung «klar kommunizieren», sagte von der Leyen dem «Tagesspiegel am Sonntag».
Drastischere Worte wählte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi: «Die Spähaktionen der USA gegen unser Land sind eine Frechheit, denn sie unterwandern unsere Souveränität», sagte sie der «Passauer Neuen Presse» vom Samstag.
In Deutschland stehen je ein Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums und des Bundesnachrichtendiensts (BND) im Verdacht, für die USA spioniert zu haben. Nach Bekanntwerden der Fälle forderte die Bundesregierung am Donnerstag den obersten Vertreter der US-Geheimdienste in Berlin auf, das Land zu verlassen.
In Washington sorgte die bisher beispiellose Ausreiseaufforderung für Verstimmung. Differenzen im Geheimdienstbereich sollten über «bewährte private Kanäle» geklärt werden, sagte ein Sprecher des Weissen Hauses am Freitag. Zugleich betonte er das US-Interesse an einer weiter engen Zusammenarbeit mit Deutschland.
Unterdessen wurden neue Details der mutmasslichen Spionagefälle bekannt. Laut «Spiegel» wurde der mutmassliche US-Spion beim Bundesnachrichtendienst (BND) nicht aus der Berliner Botschaft der USA geführt, sondern traf sich mehrmals mit CIA-Agenten aus der US-Botschaft in Wien. Die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» berichtete, der Mann sei während seiner mutmasslichen Spitzeltätigkeit im BND intern überprüft und als unauffällig eingestuft worden.
Mehreren Medienberichten zufolge gibt es Hinweise auf eine Verbindung der Fälle des BND-Manns und des Mitarbeiters im Verteidigungsministeriums. Der BND-Mitarbeiter soll demnach ein internes Dokument über Vermutungen hinsichtlich der Spionagetätigkeit des Ministeriumsbediensteten gekannt haben. (viw/sda/afp/dpa)