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Schwuler Apple-Chef: Werfen die Erzkonservativen nun ihre iPhones weg?

Tim Cook ist der erste US-Konzernchef, der sich selbst outet.
Tim Cook ist der erste US-Konzernchef, der sich selbst outet.Bild: ROBERT GALBRAITH/REUTERS
Das letzte Tabu gebrochen

Schwuler Apple-Chef: Werfen die Erzkonservativen nun ihre iPhones weg?

Auch wenn seine sexuelle Orientierung kein Geheimnis war, geht Tim Cook damit einen Schritt, den noch kein Top-Manager gewagt hat. Schwule werden in der US-Wirtschaft toleriert – aber nicht akzeptiert.
31.10.2014, 09:4431.10.2014, 11:03
Marc Pitzke, New York / spiegel online
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Tim Cook wuchs in Alabama auf, einem der konservativsten, lange rückständigsten US-Südstaaten. Trotzdem blieb er seiner Heimat verbunden, selbst nachdem er als Apple-Chef zu einem der mächtigsten Wirtschaftslenker aufstieg. Als ihm Alabama jetzt seine höchste Ehre antrug, die Einführung in die Alabama Academy of Honor, nahm er das gerne an.

Seine Dankesrede jedoch nutzte Cook für eine Abrechnung: Im Kapitol der Landeshauptstadt Montgomery rügte er Alabama am Montag für seine Unterdrückung von Minderheiten. Es sei empörend, dass Homosexualität dort immer noch als Kündigungsgrund gelte: «Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können eine andere Zukunft erschaffen.»

Der 53-Jährige sprach sich dabei selbst aus der Seele. Dass Cook schwul ist, war ein offenes Geheimnis, seit er 2011 das Erbe des Apple-Gründers Steve Jobs antrat: Cook marschierte in San Franciscos LGBT-Parade mit und rangierte seit Jahren ganz oben in der «Power 50»-Liste der US-Schwulenzeitschrift «Out». 

Reaktionen zwischen Zuspruch und Zynismus

Am Donnerstag, drei Tage nach seinem Auftritt in Alabama, outete sich Cook nun offiziell. «Ich bin stolz darauf, schwul zu sein», schrieb er in einem Essay für «Bloomberg BusinessWeek». «Ich denke, dass Schwulsein eines der grössten Geschenke ist, die mir Gott gegeben hat.» 

Manche mögen die Schultern zucken: Na und? Andere mögen kritisieren, dass Apple selbst nicht immer jene Menschenrechte achtet, die Cook so beschwört. Wieder andere mögen dies nur als jüngsten Streich einer zynischen Kampagne des Silicon Valleys abtun, soziale Fragen als PR-Vehikel zweitzuverwerten. 

Die ersten Reaktionen fielen denn auch zwischen Zuspruch und Zynismus. Bei den IT-Kollegen aber war das Lob einhellig: «Danke, Tim, dass du gezeigt hast, was es heisst, ein echter, mutiger und authentischer Anführer zu sein», schrieb Facebook-Chef Mark Zuckerberg. 

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Chad Griffin, der Präsident der Human Rights Campaign (HRC), Amerikas grösster LGBT-Organisation, betonte, Cooks Coming-out werde jenen Mut spenden, die bis heute mit ihrer sexuellen Orientierung kämpfen: «Cooks Bekanntmachung wird zahllose Leben retten.» 

Zwar ist Cook in der Tat der erste US-Konzernchef, der sich selbst outet – und damit, per Apples Marktgewalt, automatisch zum «mächtigsten Schwulen der Welt» («Columbia Journalism Review») aufsteigt. Zugleich ist er spät dran als Pionier: Anderswo in der US-Gesellschaft waren andere schneller – in der Politik, im Sport, im Fernsehen, in Hollywood. 

Cooks Coming-out ist ein Tabubruch

Überall in den USA preschen die gleichgeschlechtlichen Rechte voran: In 32 Bundesstaaten und der Hauptstadt Washington ist die Homo-Ehe legal, in einem Dutzend weiterer Staaten haben die Gerichte den Weg dafür geebnet. Fast 60 Prozent der Amerikaner leben heute in einem LGBT-freundlichen Staat. 

Nur die Wirtschaft und die Wall Street hinken hinterher: Homosexuelle werden toleriert, aber bisher nie völlig akzeptiert. Zwar haben nach einer HRC-Studie inzwischen 91 Prozent der «Fortune 500»-Unternehmen Nicht-Diskriminierungsklauseln. Doch gibt es noch kein landesweites US-Gesetz zum Schutz homosexueller Arbeitnehmer. In 29 Staaten könnte Cook dafür gefeuert werden. 

Vor Cook wagte nur die zweite, dritte Manager-Garde das Coming-out. Auch auf der «Financial Times»-Liste von 100 «offenen und stolzen Helden» der Weltwirtschaft findet sich (noch) kein einziger US-Vorstandschef. 

Jetzt auf

Cook bricht so eines der letzten Tabus – und sendet ein klares Signal: Gleichgeschlechtliche Liebe eignet sich nicht länger als Reizthema, ob in der Politik oder in der Chefetage. Auch im US-Kongresswahlkampf sind Schwulenrechte kein Thema mehr. Die Republikaner haben erkannt: Dieser Kulturkrieg ist ausgefochten. 

Erzkonservative in der Defensive

Doch jeder Fortschritt bringt Widerstand. Das spürt zum Beispiel auch der Footballer Michael Sam, der erste offen schwule Spieler in der US-Liga NFL: Sam wurde von allen NFL-Teams fallengelassen oder abgewiesen – aus «rein sportlichen Gründen», wie es hiess. 

Cook leugnete seine Homosexualität nie, sprach sie bisher aber auch nicht an. Weshalb also jetzt? Er fühle sich Martin Luther King verpflichtet, schreibt er und zitiert den Bürgerrechtler: «Die hartnäckigste und dringendste Frage des Lebens lautet: Was tust du für andere?» Er hoffe, dass sein Coming-out «jemanden, der damit ringt, helfen» könne. 

Auf jeden Fall brachte Cook die verknöcherte Anti-Schwulen-Szene in Verlegenheit. «Das sind seine persönlichen Überlegungen», wand sich Tea-Party-Ikone Ted Cruz auf CNBC – doch fügte schnell hinzu: «Ich liebe mein iPhone.»

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