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Bevorzugt sich Apple beim Werbetracking? Deutschland ermittelt nun

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Wettbewerbshüter in mehreren Ländern ermitteln gegen Apple.Bild: keystone

Deutsche Wettbewerbshüter untersuchen Apples Tracking-Stopper

Das Bundeskartellamt hat eine Untersuchung von Apples Anti-Tracking-Massnahmen eingeleitet. Man wolle prüfen, ob das Unternehmen, das selbst im Werbegeschäft tätig ist, seine eigenen Dienste gegenüber der Konkurrenz bevorzuge.
15.06.2022, 13:3115.06.2022, 15:42
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Das Bundeskartellamt leitet ein zweites Verfahren gegen Apple ein. Die deutschen Wettbewerbshüter nehmen neu Apples Anti-Tracking-Regelungen unter die Lupe. Das teilte die Behörde am Dienstag mit. Dabei steht die Art und Weise im Fokus, wie Apple seinen Nutzerinnen und Nutzern ermöglicht, das Nachverfolgen ihres Verhaltens quer über verschiedene Apps und Websites einzuschränken. Das Bundeskartellamt will nun untersuchen, ob die Regelungen die eigenen Angebote von Apple bevorzugt behandeln oder andere Unternehmen behindern könnten. Der Konzern wies die Vorwürfe zurück.

Rivale Google wurde in der Vergangenheit ebenfalls dafür kritisiert, dass seine geplanten Anti-Tracking-Massnahnmen im Chrome-Browser darauf abzielten, die Konkurrenz im Werbegeschäft zu benachteiligen. Es gehe den dominierenden Tech-Konzernen nicht primär um Privatsphäre, sondern ums Geld. Konkret darum, wer wie viel vom Werbekuchen abbekommt. Auch in den USA und Grossbritannien ermitteln deshalb die Kartellbehörden.

Die polnische Kartellbehörde UOKiK prüft ebenfalls seit längerem, ob die Kalifornier mit iOS gegen Wettbewerbsrecht verstossen: «Wir wollen untersuchen, ob Apples Massnahmen möglicherweise darauf abzielen, Konkurrenten auf dem personalisierten Werbemarkt auszuschalten», sagte UOKiK-Chef Tomas Chrostny Ende 2021.

Die Wettbewerbshüter prüfen also nicht, ob Tracking und personalisierte Werbung rechtens ist, sondern ob Apple seine Marktmacht mit der Regelung «App Tracking Transparency» (ATT) missbraucht.

Sonderregeln für Apple?

Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, sagte, man begrüsse datenschonende Geschäftsmodelle, die den Nutzern Wahlmöglichkeiten über die Verwendung ihrer Daten einräumten. «Ein Konzern wie Apple, der die Regeln in seinem Ökosystem und speziell im App Store einseitig festlegen kann, sollte diese aber wettbewerbskonform gestalten.» Daran bestünden begründete Zweifel, wenn Apple Regeln für Dritte festlege, die aber ausgerechnet für Apple nicht gelten sollten.

Der Behördenchef sagte, die Nutzer könnten in den Einstellungen zwar auch gegenüber Apple die Verwendung ihrer Daten im Hinblick auf deren Nutzung für personalisierte Werbung einschränken. Allerdings unterliege Apple – so der vorläufige Stand – nicht den neuen und zusätzlichen «App Tracking Transparency»-Regelungen.

Kritiker und Rivalen sprechen daher davon, dass Apples (und Googles) Anti-Tracking-Massnahmen darauf abzielten, die Konkurrenz zu benachteiligen. Denn «App Tracking Transparency» (ATT) würde nur «Third Party Tracking» betreffen, also wenn eine App direkt anderen Firmen Zugriff auf die Aktivitäten der Nutzer gibt. «Das Einsammeln von umfassenden Daten durch den App-Betreiber selbst – und auch deren Verknüpfung über mehrere Apps hinweg – ist hingegen nicht verboten», berichtete der «Der Standard».

Dies sei auch ein Grund, warum sich Rivale Google mit Kritik an Apple auffällig zurückgehalten habe. Anti-Tracking-Massnahmen, wie sie von Apple und Google umgesetzt würden, begünstigten grosse Unternehmen, da diese über ihre eigenen Apps sehr viel direkt über die Nutzer erfahren, während kleinere Werbeanbieter kaum mehr Daten erhalten würden. Im Endeffekt würde niemand so sehr davon profitieren «wie der Betreiber des Betriebssystems selbst, zumal wenn er auch noch den App Store betreibe».

Konkurrenz sieht sich benachteiligt

Die im Sommer 2020 angekündigte Funktion «App Tracking Transparency» (ATT) war nach lautstarken Protesten der werbetreibenden Industrie im April 2021 beim iPhone, iPad und Apple TV eingeführt worden. Konzerne wie Meta (Facebook, Instagram und WhatsApp), die stark von Werbeeinnahmen abhängig sind, beklagten sich, dass sie ohne Tracking nicht mehr zielgenau Werbung ausspielen könnten und grosse Einnahmeverluste hinnehmen müssten.

In Deutschland reichten Spitzenverbände der Medien-, Internet- und Werbewirtschaft noch im April 2021 eine Beschwerde gegen Apple beim Bundeskartellamt ein. Sie machten geltend, dass das Unternehmen mit ATT seine Marktmacht missbrauche und gegen Kartellrecht verstosse. Das Bundeskartellamt könnte zu diesem Schluss kommen, wenn sich Apple als Anbieter des Betriebssystems sowie eines eigenen Werbenetzwerks einen Vorteil gegenüber anderen Anbietern von Werbenetzwerken verschafft.

Apple weist Vorwürfe von sich

Apple erklärte, das Datenschutzkonzept ATT gebe den Nutzerinnen und Nutzern die Entscheidungsmöglichkeit, ob Apps sie tracken oder ihre Informationen an Dritte weitergeben dürfen oder nicht. «ATT hindert die Unternehmen nicht daran, Werbung zu schalten, und sie schränkt auch nicht die Verwendung der Daten ein, die sie von den Nutzerinnen und Nutzern mit deren Zustimmung erhalten.»

Diese Regeln gelten nach Angaben von Apple für alle Entwickler, einschliesslich Apple. Ein Firmensprecher verwies gleichzeitig auf die starke Zustimmung, die Apple von Behörden und Datenschützern für diese Funktion erhalten habe. «Apple hält sich an einen höheren Datenschutzstandard als fast jedes andere Unternehmen, indem es den Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit gibt, selbst zu entscheiden, ob sie personalisierte Werbung wünschen oder nicht.» Apple werde weiterhin konstruktiv mit dem Bundeskartellamt zusammenarbeiten, um alle Fragen zu klären.

Apple erobert den Werbemarkt

Apple konnte zuletzt seine Werbeumsätze auf Kosten der Konkurrenz massiv steigern. App-Entwickler schalten im App-Store Werbung, um auf ihre Apps aufmerksam zu machen. Laut «Financial Times» hat sich der Marktanteil von Apple bei Werbeanzeigen, die zu App-Installationen auf iOS führen, nach Einführung der Funktion «App Tracking Transparency» von 17 auf 58 Prozent verdreifacht – und dies in nur einem halben Jahr. Werbetreibende setzten für App-Werbung im App Store vermehrt auf Apples Werbenetzwerk, da Apple nun die besseren Daten als die Werbenetzwerke von Google, Facebook und Co. liefere.

«Der Standard» machte bereits im Herbst 2021 auf diese Entwicklung aufmerksam und schrieb: «Bekamen Google, Facebook, Twitter oder auch Snap zuvor praktisch in Echtzeit Informationen darüber, ob eine ihrer Werbungen zu einer App-Installation geführt hat, so gibt es diese Details nun nur mehr mit bis zu 72 Stunden Verspätung. Gleichzeitig gibt es diese Beschränkung für Apples eigenes Werbenetzwerk nicht, hier erhalten die Werbenden erheblich detailliertere Informationen – insofern haben viele ihre Werbeetats in den vergangenen Monaten auf das Apple-Angebot verschoben.»

Apples «App Tracking Transparency» habe den Rest der Werbeindustrie im iOS-Universum «blind» gemacht, berichtete die «Financial Times» im Oktober 2021. Apple habe den Markt für App-Werbung so in kürzester Zeit komplett umgekrempelt. Analyst Ben Thompson von Stratechery sprach von einem der «atemberaubendsten wettbewerbsfeindlichen Schachzüge in der Tech-Geschichte».

Illusion von Privatsphäre?

Eine Studie von Lockdown Privacy stellte die Wirksamkeit der «App Tracking Transparency» generell infrage. Die Studie behauptet, die Funktion erzeuge nur «die Illusion von Privatsphäre». Während die überwiegende Mehrheit der iPhone-Besitzer die Funktion genutzt habe, um sich gegen App-Tracking zu entscheiden, fanden die IT-Experten (ehemalige Apple-Ingenieure) heraus, dass die neue Funktion «keinen Unterschied» in der Gesamtzahl der aktiven Drittanbieter-Tracker gemacht habe. Es würden weiter persönliche Daten abgegriffen, nur könnten diese nicht mehr so einfach einer Person zugeordnet werden.

Ermittlungen gegen Apple, Amazon, Google und Meta

Das deutsche Kartellamt ermittelt schon seit einem Jahr in einem zweiten Verfahren gegen Apple. Das Amt prüft, ob der US-Konzern eine «überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb» habe. Google und Meta sind in Deutschland bereits als besonders marktmächtig eingestuft worden. Sie können dadurch von den Behörden deutlich einfacher reguliert werden. Dies droht auch Apple. Ein weiteres Verfahren läuft gegen Amazon.

(dpa/oli)

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