Die digitale Durchsuchung von Handys an der Grenze sorgt erneut für Ärger.archivBild: Getty Images
Eine Amerikanerin zieht die US-Zoll- und Grenzschutzbehörde vor Gericht. Sie will wissen, was mit ihren privaten Fotos und Daten passiert ist.
24.08.2018, 19:3424.08.2018, 20:34
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«Als Frau L. in Newark landete, war sie erschöpft von dem neunstündigen Transatlantikflug. Anstatt sie in den Vereinigten Staaten, ihrem Heimatland, willkommen zu heissen, wurde sie von Agenten befragt, man durchsuchte sie, brachte sie in ein kleines, fensterloses Zimmer und nahm ihr das Handy weg.»
Auszug aus der aktuellen Klage gegen die amerikanische Zoll- und Grenzschutzbehörde, kurz CBP.
Das Wichtigste in Kürze
- Wer in die USA einreist, kann von Beamten der Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) gezwungen werden, das Handy zu entsperren, zwecks digitaler Durchsuchung.
- Solche Durchsuchungen, die Fotos und Social-Media-Profile einschliessen, sind umstritten. Mehrere Klagen sind vor US-Gerichten hängig. Die Rechtslage ist unklar.
- Das IT-Portal Ars Technica berichtet über einen aktuellen Fall, einer Frau, die gegen die US-Behörde geklagt hat.
- Die US-Bürgerin muslimischen Glaubens war im Februar 2018 von Zürich nach Newark geflogen und weigerte sich bei der Grenzkontrolle, ihr iPhone zu entsperren.
- Die Beamten beschlagnahmten das Handy, knackten es laut einem Anwalt mit forensischer Spezialsoftware und gaben es erst 130 Tage später zurück.
- Nun klagt die Betroffene vor einem Bundesgericht in New Jersey auf Herausgabe ihrer digitalen Daten.
- Die Muslima will von der Behörde Auskunft darüber, was mit den auf ihrem Handy gespeicherten privaten Fotos passiert ist, wer die Daten einsehen konnte und ob die Kopien mittlerweile auf allen staatlichen Servern gelöscht wurden.
- Die US-Zoll- und Grenzschutzbehörde betont, dass solche digitalen Durchsuchungen äusserst selten seien. Allerdings hat sich die Zahl innert einem Jahr verdoppelt.
Die ganze Geschichte
Reisende werden an den Flughäfen unregelmässig und nach dem Zufallsprinzip «herausgefischt». Es kann wirklich jeden und jede treffen.
So berichtete watson im April 2017 über die willkürlich scheinenden Durchsuchungen von Geräten, die Beamte der U.S. Customs and Border Protection (CBP) durchführten.
Ein aktueller Fall zeigt, dass sich die Situation nicht verbessert hat. Betroffen ist eine Frau, die im Februar dieses Jahres mit ihrer sechsjährigen Tochter von Zürich nach Newark flog.
Die US-Amerikanerin – nennen wir sie Selma L. – war müde vom langen Flug und wollte möglichst rasch nach Hause. Doch sie blieb bei der Grenzkontrolle hängen.
Irgend etwas muss die Beamten misstrauisch gemacht haben. Vielleicht das Kopftuch. Oder ihre Kontakte zu der umstrittenen islamisch-amerikanischen Bürgerrechtsorganisation CAIR? Dieser wurde schon wiederholt die Nähe zu militanten und terroristischen Organisationen wie der Hamas vorgeworfen.
Die CBP-Beamten verlangten jedenfalls von Selma, dass sie ihr iPhone entsperre. Doch sie weigerte sich.
2017 führten Trumps verschärfte Einreisebestimmungen gegen Muslime für Proteste an Flughäfen. archivBild: EPA
Die Hijab-Trägerin sagte, sie wolle nicht, dass sie der männliche Kontrolleur auf ihren eigenen Handyfotos ohne Kopfbedeckung sehe – aus religiösen Gründen. Und die juristische Korrespondenz mit der Bürgerrechtsorganisation sei vertraulich.
Trotz mehrmaliger Aufforderung blieb Selma standhaft und entsperrte ihr Handy nicht, worauf es beschlagnahmt wurde. Immerhin durfte sie mit ihrer Tochter daraufhin einreisen.
Wie ihr Anwalt später erfuhr, wurde das iPhone 6S Plus mit einer forensischen Spezialsoftware geknackt, um alle darauf gespeicherten Daten zu entschlüsseln und zu kopieren.
Zehntausende betroffen
Was mit Selmas Daten weiter passierte, ist nicht bekannt. Und wir wissen auch nicht, wie sich die Grenzkontrolle aus Sicht der beiden CBS-Beamten – ein Mann und eine Frau – zutrug. Wir kennen nur die eidesstaatliche Erklärung von Selma.
Mit ihren Anwälten erhofft sie sich, auf dem Rechtsweg eine Änderung der umstrittenen Durchsuchungspraxis an den US-amerikanischen Landesgrenzen zu erreichen. Das Handy sei für viele Leute ein unverzichtbarer Begleiter, auf dem höchst private und schützenswerte Informationen gespeichert seien.
Am 17. September soll es vor Gericht eine Anhörung geben.
Weitere Gerichtsverhandlungen werden diesen Herbst folgen. Ars Technica zitiert einen Anwalt der Electronic Frontier Foundation (EFF): «Wir haben viele Fragen, wie die Trump-Administration an den Landesgrenzen Geräte durchsuchen lässt.»
Gemäss den neusten Zahlen führte die Zoll- und Grenzschutzbehörde im Geschäftsjahr 2017 insgesamt 30'200 digitale Durchsuchungen durch: Bei 397 Millionen internationalen Reisenden entsprach dies einem Anteil von nur 0,007 Prozent.
Im Vorjahr waren es laut Statistik 19'051 Durchsuchungen. Die Zahl der Fälle hat sich also deutlich erhöht.
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