Sarah und John. Ihr Freund und «Mitbrauer» Pascal war an dem Abend nicht da. Bild: watson
Der Schutzpatron der Kleinbrauerei St.Laurentius liess sein Leben auf einem Grillrost. Dies und viel mehr habe ich bei einem Besuch gelernt. Eine bierselige «Reportage» aus dem Zürcher Unterland.
Wer die Welt kennt, kennt Tuborg. Und andere Industriebiere. Wer aber die Seele des Bieres sucht, reist am besten nach Bülach.
Hier in der Provinz sind Sarah und John aufgewachsen. «Aber nicht im Keller», sagt die Gastgeberin und begrüsst uns lachend zum Kurs der Volkshochschule Bülach.
Ja, richtig gelesen. Das Wissen, wie der «edle Saft» gebraut wird, gehört im Zürcher Unterland zur Allgemein-, respektive Weiterbildung. Und so habe ich mich an diesem milden Sommerabend mit rund einem Dutzend (wissens-)durstigen Besuchern und Besucherinnen an der Kasernenstrasse 62 eingefunden.
Die Kleinbrauerei St.Laurentius steht im stillgelegten Schwimmbad des Elternhauses von John. Davon zeugen noch die farbigen «Plättli» und der gekachelte Boden. Und an der Wand hängt tatsächlich auch noch das klassische Strandposter.
John hat einen Bart und macht Witze über Hipster. Aber ein «fancy Promo-Video» musste schon her, wie er grinsend erzählt. Bevor wir dazu kommen, wie er mit Sarah und Pascal das Hobby zum Beruf machte, schauen wir ihnen beim «Chillen» zu ...
Das Promo-Video. Video: YouTube/John Hiltebrand
Den sicheren, gut bezahlten Job an den Nagel hängen, um mit der Lebenspartnerin und dem besten Freund Bier zu brauen: Dazu gehört eine gehörige Portion Unvernunft Mut.
Der Legende nach fing es mit einer Amerika-Reise an. Die jungen Leute entdeckten an der US-Westküste die reichhaltige Bierkultur – jenseits von Budweiser und Miller – und beschlossen, nach der Rückkehr ihr eigenes Craft Beer zu brauen.
Gebraut wird mit solchen Hopfen-Pellets, mehr Informationen folgen weiter unten. Bild: watson
Man sagt, Qualität setze sich durch, und zumindest für die Kleinbrauerei an der Kasernenstrasse in Bülach trifft dies zu. Das Gebräu fand reissenden Absatz im Kollegenkreis, oder wie es Sarah ausdrückt: «Sie habe uns alles weggetrunken».
Da es in Bülach glücklicherweise keine Brauerei gab, entschieden die jungen Leute, sich «um die Bierversorgung der Stadt zu kümmern». Zu Beginn lag die Produktionsmenge bei 500 Litern pro Monat, heute sind es 10'000 Liter. Aber noch immer werden alle wichtigen Arbeitsschritte von Hand gemacht, betont John stolz. Dann zeigt er auf den 50-Liter-«Kübel», mit dem er anfing.
Bierbrauer-Weisheit quelle: sarah
Am anderen Ende der Halle steht ein moderner Metalltank. Es ist die neuste Errungenschaft der St.Laurentius Craft Beer GmbH. Aus der Hobby-Brauerei ist dank einer erfolgreich verlaufenen Crowdfunding-Kampagne «im regionalen Rahmen» ein gut ausgerüsteter Betrieb geworden.
Video: YouTube/John Hiltebrand
Kleine und grosse Investoren stiegen mit Beträgen zwischen 100 und 4000 Franken ein. So kamen 75'000 Franken zusammen. Zum Glück: Das meiste Geld ging dann für die gesetzlich vorgeschriebenen baulichen Massnahmen drauf ...
Stolz erzählt Sarah, wie sich ihr Lebenspartner das Wissen und das Know-how im Selbststudium angeeignet habe. «Er ist Autodidakt, kein ausgebildeter Lebensmitteltechnologe.»
So sah das am Kurs der Volkshochschule am Mittwochabend aus. Bild: watson
Ich erinnere mich nur noch bruchstückhaft an Johns Vortrag über die technischen Finessen des Brauens, das liegt wohl an den Bieren, die wir in gemütlicher Runde degustieren durften.
Da ich grad «zufällig» auf die Notizen gestossen bin, die ich am Vorabend offenbar auf meinem iPhone tätigte, kann ich zumindest einige spannende Informationen zur Bülacher Brauerei (mehr oder weniger im Original-Wortlaut) weitergeben:
John entwirft alle grafischen Elemente der Brauerei und betreut auch die Website. Bild: watson
Das reguläre Angebot der Bülacher Brauer umfasst fünf Sorten: Hell, Pale Ale, India Pale Ale, Red Ale und Weizen. Ich kann alle bedenkenlos empfehlen. Hinzu kommen saisonale Köstlichkeiten. Mein absoluter Favorit: Ein Kaffeebier.
Klingt merkwürdig, hat aber einen fantastischen Geschmack.
(Anmerkung zuhanden von John: Das Bier ist viel zu gut, um es nur in den Wintermonaten zu brauen!) 😉
Ohne weitere Worte. Bild: watson
Rund 100 Meter von der Kleinbrauerei entfernt, an der Kasernenstrasse 46, steht «die Rampe». Die perfekte Anlaufstelle für Craft-Beer-Fans. «An der Rampe kannst du Bier kaufen, trinken, mitnehmen, nette Leute treffen, gute Musik hören, lesen, gamen, stricken und sonst noch fast alles, was dein Herz begehrt», schreibt das BBQ-Magazin «Heat & Meat» in diesem lesenswerten Beitrag. Titel: «Ein Märtyrer, drei Freunde, Biere der Extraklasse.» Dem ist nichts anzufügen, ausser:
St.Laurentius Craft Beer ist ein Geheimtipp. Psssst! Sonst ist der edle Hopfensaft noch schneller weg als so schon.
Video: watson/Luki Bünger, Emily Engkent
Video: reuters