Als der chinesische Autohersteller BYD erstmals mit seinem eigenen Frachtschiff «BYD Explorer No. 1» und 3'000 fabrikneuen E-Autos aus China an Bord in Bremerhaven anlegte, waren die Befürchtungen gross: Würde der Markt jetzt mit teils günstigeren Autos aus Fernost überflutet werden?
Schliesslich kündigte das Unternehmen an, die Flotte später auf bis zu acht Frachtschiffe zu erweitern. Und BYD ist bei Weitem nicht der einzige chinesische Autobauer, der in Europa Fuss fassen will: Auch Great Wall Motors, MG Roewe oder Nio haben bereits Autos im Angebot. Teils mit Erfolg: Im Bereich der E-Autos liegt der Marktanteil der Chinesen bei rund neun Prozent (in der Schweiz hingegen sind sie bislang kaum vertreten).
Doch dass aktuell noch nicht alles für die Chinesen so läuft wie geplant, zeigt exemplarisch der Fall der Autos von BYD in Bremerhaven: Die Modelle würden «aktuell länger» stehen, bestätigt der zuständige Logistikdienstleister BLG auf Anfrage des «Handelsblatt». Das betreffe auch andere Hersteller «und hat mit der Nachfrage am Markt zu tun», heisst es.
Nicht nur die weggebrochene Förderung von E-Autos spielt dabei eine Rolle, sondern auch Mängel in der Vertriebsstrategie, erklärt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research (CAR) in Bochum: «BYD geht alles andere als systematisch vor – es fehlt an einer Vertriebsstrategie fürs Europageschäft», sagt er. In der Batterie- und Autotechnik sei BYD mittlerweile perfekt, «aber der Vertrieb ist laienhaft», so Dudenhöffer weiter.
Die Folge dieses Vorgehens: Schimmel in den unverkauften Neuwagen. Laut «Handelsblatt» und «Wall Street Journal» (WSJ) sind davon zahlreiche Fahrzeuge in verschiedenen Exportländern betroffen. Grundsätzlich ist das nichts Besonderes, da die Autos auf den Transporten unterschiedlichen Klimaeinflüssen ausgesetzt sind. Wenn dann Türen und Fenster verschlossen sind, bilden sich vor allem an Dachhimmel, Lenkrad, Armaturen und auf den Sitzen Schimmelspuren. Je länger die Autos stehen, desto stärker der Befall.
In einem solchen Fall hilft nur eins: eine gründliche Aufbereitung, bei der alle Sporen entfernt werden. Laut WSJ gebe es aber Zweifel, ob dies aktuell so gründlich durchgeführt werde wie nötig: Dem Unternehmen fehle es an Erfahrung mit langen Transporten und den danach notwendigen Pflege- und Reparaturarbeiten. Für die geplanten Mengen an Exportfahrzeugen seien die aktuellen Verfahren nicht ausreichend.
BYD bestätigte dem «Handelsblatt», man habe im vergangenen Jahr «vereinzelt» Probleme mit Schimmelbefall gehabt. Die Fahrzeuge in Bremerhaven seien davon jedoch nicht betroffen.
Das sind die Verkaufszahlen aus dem April 2024:
Zum Vergleich einige andere asiatische, mittlerweile etablierte Importmarken:
Dass die Chinesen mithilfe von staatlichen Subventionen für E-Auto-Konzerne weitere Marktanteile erobern dürften, ist derweil unbestritten: Diese ermöglichen die schnelle Entwicklung von neuen Modellen, einen aggressiven Preiskampf mit Mitbewerbern und die rasante Verbreitung auf dem Weltmarkt.
Bis 2026 will BYD in Deutschland 120'000 Elektroautos verkaufen. Auto-Experte Dudenhöffer rechnet mit grossen Erfolgen der Marke und legte sich im Januar in einer Analyse bereits fest: «BYD wird in rund zehn Jahren Toyota ablösen.» Toyota ist weltweit führend in der Automobilindustrie.
Europäische Hersteller haben es bisher versäumt, bezahlbare E-Autos und kleinere Modelle mit Elektroantrieb anzubieten. Diese Lücke wollen die Chinesen füllen: BYD will sein Modell Seagull für weniger als 20'000 Euro in Europa auf den Markt bringen, und Stellantis will die Fahrzeuge seines chinesischen Partners Leapmotor in Europa vertreiben – darunter auch einen Kleinwagen.
Dabei zeigt sich BYD flexibel und wird in Kürze auch in Europa einen Plug-in-Hybrid auf den Markt bringen. Damit sollen auch Kunden angesprochen werden, die noch nicht vollständig auf Elektroantriebe umsteigen wollen.
Mit der massiven Erhöhung von Zöllen in den USA und möglicherweise auch in Europa auf chinesische Autos wird sich noch eine weitere Entwicklung einstellen: Chinesische Automarken wollen vermehrt in Europa produzieren, um den Strafzöllen zu entgehen. Ab dem kommenden Jahr sollen in Europa produzierte Kleinwagen auf den Markt kommen, sagte die Europa-Marketingchefin des Konzerns, Penny Peng, dem Magazin «Capital». Gebaut werden diese zunächst in Ungarn, später könnte auch ein Werk in der Türkei entstehen.
Und was ist mit der Markenbekanntheit? Die könnte mit der Fussball-EM steigen. BYD hat Volkswagen als Hauptsponsor abgelöst. «Das kann der Markenbekanntheit einen Schub geben», hofft die Marketingchefin der Chinesen.
Die Beratungsfirma Horváth hat in einer Studie die Antworten auf die Frage ausgewertet, welche chinesischen Automarken europäische Kunden beim Kauf in Betracht ziehen. Weit vorn liegen zwei Marken: Polestar legte zwischen Oktober 2023 und April um 11 Prozentpunkte auf 38 Prozent zu, BYD steigerte sich von 10 auf 36 Prozent.
Verwendete Quellen: