«Verspeisen die chinesischen Hersteller mit günstigen E-Autos die europäische Konkurrenz mit einem Happs?», fragt das Fachmagazin «Auto Motor und Sport» in seiner jüngsten Ausgabe.
Um der Frage auf den Grund zu gehen, haben die Autotester zwei kompakte Elektroautos aus China mit zwei ähnlich grossen E-Modellen von Opel (Astra Electric) und dem Volkswagen-Konzern (Cupra Born) verglichen. Berücksichtigt wurden jeweils die Modellvarianten mit der stärkeren Motorisierung.
Die beiden chinesischen Herausforderer BYD und Great Wall Motor (GWM) haben bei ihren «Günstig-Stromern» laut «Auto Motor und Sport» eine derart lange Mängelliste, dass der Testsieger Cupra Born aus dem Volkswagen-Konzern fast 100 Punkte vor dem Testverlierer BYD Dolphin liegt. «Das sind Welten», so die Tester.
Der Cupra Born entspricht technisch weitgehend dem bei uns bekannteren Elektro-Kompaktauto VW ID.3. Auch der elektrische Opel Astra schlage die chinesischen Rivalen um Längen.
Aber was genau haben die Tester an den China-Autos von BYD und GWM zu bemängeln?
Die Materialien und die Gestaltung des Innenraumes seien hingegen deutlich hochwertiger als beim günstigeren BYD Dolphin. Unter anderem darum behaupte sich der Ora 03 in der Gesamtwertung trotz ähnlicher Schwächen knapp vor dem BYD-Rivalen.
Der Cupra Born und der Opel Astra Electric überzeugen die Tester mit dem straff abgestimmten Fahrwerk, der feinfühligen Lenkung, dem gutem Kurvenverhalten und der weit besseren Schalldämmung. Auch der Bremsweg ist bei den europäischen Modellen kürzer.
Beim Antrieb bewegt sich der leistungsstarke Cupra Born allein auf weiter Flur. Er hat auch vor dem Astra Electric die beste Ladeleistung. Beim Ladetempo fallen die Chinesen erneut ab, insbesondere der Ora 03 lädt gemächlich.
Am Sparsamsten fuhr der Opel Astra Electric, gefolgt vom Cupra Born. Am meisten Strom gönnte sich der BYD Dolphin. Aufgrund ihres höheren Energieverbrauchs schneiden die Rivalen aus China auch bei den laufenden Kosten und der Nachhaltigkeit schlecht ab.
«BYD hat trotz Preisvorteil wohl kaum eine Chance gegen die Qualität von Cupra und Opel. Das gilt auch für den Ora, der noch nicht einmal preislich einen Vorteil bietet», schreibt «Auto Motor und Sport».
Die getestete Version des Ora 03 hat einen Listenpreis von 47'490 Euro. Die Basisversion beginnt bei 39'000 Euro. Offenbar aufgrund der schwachen Nachfrage hat Great Wall Motor den Preis in Deutschland zuletzt um 12'000 Euro drastisch herabgesetzt. Bis Ende März gibt es den Ora ab 27'000 Euro.
BYD war Ende 2023 der weltweit grösste Elektroautohersteller, knapp vor Telsa und deutlich vor Volkswagen. In der Schweiz will die Emil Frey Gruppe die erfolgreichen E-Autos von BYD ab Sommer 2024 importieren. Doch was in China dank günstigen Preisen viele überzeugt, lässt sich in Europa nicht so einfach wiederholen. Ein BYD Dolphin kostet in China umgerechnet rund 15'000 Franken. In Deutschland wollte BYD 2023 beim Marktstart für das Basismodell 36'000 Euro (umgerechnet 34'530 Franken), inzwischen hat man den Preis um 3000 Euro gesenkt.
Zum Vergleich: Den Cupra Born gibt es bei uns ab rund 40'000, den verwandten und überarbeiteten VW ID.3 Facelift ab 37'400 und den Opel Astra Electric ab 40'100 Franken (Listenpreise).
Trotz Preisvorteil ist die Expansion der chinesischen Autohersteller in Europa bisher nicht richtig in Fahrt gekommen. Einerseits sorgen Importzölle und höhere Sicherheitsanforderungen dafür, dass China-Autos in der EU einen erheblichen Teil ihres Preisvorteils verlieren. Andererseits lasse die Qualität zu wünschen übrig, resümiert «Auto Motor und Sport».
Im Fazit halten die Tester fest: «Ja, der BYD mag günstiger sein, die Mängelvielfalt von Dolphin und Ora lässt den chinesischen Hai-Angriff derzeit aber noch wie ein Becken voller Knabberfische aussehen.»
Dazu kommt, dass nicht wenige europäische Konsumenten aufgrund der geopolitischen Spannungen zunehmend auf chinesische Produkte verzichten, wenn es vergleichbare Alternativen gibt. Dies umso mehr, da China in einem Atemzug mit Menschenrechtsverletzungen und Spionage genannt wird.
Erste chinesische Automarken wie Polestar und HiPhi geraten laut jüngsten Medienberichten bereits in Schieflage. Sie könnten zu den ersten gehören, die verspeist werden.
(oli)