
Tech-Milliardär Musk hat eine Grenze überschritten – und wird von unerwarteter Seite kritisiert. Bild: Shutterstock
Der Neurowissenschaftler Philip Low ist Gründer eines Milliarden-Start-ups im Silicon Valley und ehemaliger Geschäftspartner von Elon Musk. Dann platzt ihm wegen dessen Nazi-Gesten der Kragen.
28.01.2025, 04:5128.01.2025, 14:02
«Elon ist nicht per se ein Nazi. Er ist etwas viel Besseres oder etwas viel Schlimmeres, je nachdem, wie man es betrachtet.»
Philip Low
Seine Firma wurde 2024 als «das wertvollste Neurotech-Unternehmen der Welt» bezeichnet: Philip Low ist Gründer und Geschäftsführer des Silicon-Valley-Start-ups Neurovigil und mehrfacher Patent-Inhaber.
Er hat Mathematik, Neurowissenschaften und Physik studiert und ist nebenbei auch ausserordentlicher Professor an der Stanford School of Medicine.
Am Salk Institute, einer renommierten Forschungseinrichtung in San Diego, machte Low seinen Doktortitel. Er erhielt ihn für die Entwicklung eines Algorithmus, der die Gehirnforschung revolutionieren sollte.
Es geht um kabellose Neurodiagnostik. Um das wissenschaftliche Verständnis von Gehirnwellen während des Schlaf- und Wachzustands bei Menschen und anderen Arten. Er habe dieses Verständnis mit seinen technischen Innovationen auf den Kopf gestellt, heisst es.
Dann platzt Low letzte Woche der Kragen. Auf Facebook veröffentlicht er einen langen Text, mit dem er seinen früheren Geschäftspartner Musk hart attackiert und zum gesellschaftlichen Widerstand aufruft.
«Ich habe keine Angst vor dem sogenannten Erfinder, dessen grösste Erfindung sein Image ist.»
Wie gut kennt er Musk?
Philip Low erklärt, er kenne Elon Musk seit 14 Jahren, also aus einer Zeit, als der Tech-Unternehmer noch nicht weltbekannt war – und das «sehr gut».
«Wir schrieben uns häufig SMS. Er kam zu meiner Geburtstagsparty und lud mich zu seinen Partys ein. Er hat mir alles über seine Frauenprobleme erzählt. Als Söhne von hochbegabten Männern, die eine Venus heirateten, gewalttätig waren und ihr Vermögen verloren und die in der Highschool gemobbt wurden, hatten wir eine Reihe von Dingen gemeinsam, die die meisten Menschen nicht nachvollziehen können. Wir hingen spät in Los Angeles zusammen ab. Er besuchte mein Labor in San Diego. Er investierte in mein Unternehmen.»

Neurowissenschaftler Philip Low in jüngeren Jahren. Zu seinen Forschungspartnern zählen heute weltweit führende Pharmaunternehmen, darunter Roche und Novartis aus der Schweiz.archivBild: NeuroVigil
Nach dem «Nazi-Gruss» habe er Musk und seinem Vermögensverwalter gesagt, «dass sie sich verpissen sollen», hält Philip Low nun undiplomatisch fest. «Jede verbleibende Freundschaft» habe mit dem Hitlergruss geendet. Musk sei bei ihm blockiert und er sei sich ziemlich sicher, dass er bei Musk ebenfalls blockiert sei.
Hält er Musk für einen Neonazi?
Philip Low verneint.
«Die Nazis glaubten, dass eine ganze Ethnie über allen anderen steht.
Elon glaubt, dass er über allen anderen steht. Er dachte immer, er arbeite an den wichtigsten Problemen. Als ich ihn kennenlernte, masste er sich nicht an, ein Techniker zu sein – er wäre der Erste, der sagen würde, dass ihm das Fachwissen fehlte, um bestimmte Daten zu verstehen. Das geschah erst später. Jetzt tut er so, als hätte er alle Lösungen.»
Musk habe gleich zweimal den Hitlergruss gezeigt, ruft Low in seinem Facebook-Posting in Erinnerung. Er habe dies aus persönlichen Gründen getan und diese hätten nichts mit dem Asperger-Syndrom zu tun.
Der Tech-Milliardär sei besorgt gewesen, dass der «Nazi-Flügel» der MAGA-Bewegung unter dem Einfluss von Steve Bannon ihn von Präsident Trump wegdrängen würde, so die persönliche Einschätzung von Low.
Musks «narzisstisches Ich» habe wohl gehofft, das Publikum spiegle seine Hitlergruss-Geste an ihn zurück und er könne damit «seine vollständige Kontrolle über das Publikum zeigen» und seinen Einfluss auf Trump vergrössern. Das sei aber nicht geschehen.
Der Chef der Social-Media-Plattform X sei zudem verärgert darüber gewesen, «dass er nach Israel und Auschwitz reisen musste, um seine Zustimmung zu einem Nazi-Sympathisanten bei X wiedergutzumachen».
Laut Low wollte Musk seine «Macht» zurückgewinnen, genau wie damals, als er Werbetreibenden, die seine Social-Media-Plattform boykottierten, gesagt habe: «Fickt euch selbst.» Er geniesse zudem «einen guten Nervenkitzel» und habe genau gewusst, was er tat.
Das vorläufige Fazit des Musk-Kritikers:
«Elon ist kein Nazi, aber er hat zweimal den Hitlergruss gemacht, was völlig inakzeptabel ist.»
Warum wendet er sich an die Öffentlichkeit?
Philip Low erklärt, ab einem gewissen Punkt spiele es für die wenigsten Menschen eine Rolle, ob jemand tatsächlich ein Nazi sei oder sich nur wie einer verhalte.
«Mein Vater war ein Überlebender des Holocausts. 32 von 35 seiner Familienmitglieder wurden von den Nazis ermordet. Die Grosseltern meiner Mutter wurden in Auschwitz ermordet.»
Das Zerwürfnis der beiden Milliardäre hat auch eine Vorgeschichte. Low erwähnt in seinem Posting, dass er Musk wegen fragwürdigem Verhalten aus dem Unternehmen gedrängt und eine Kooperation beendet habe.
«Seine Machtgier ist auch der Grund, warum er xAI und Neuralink gegründet hat, um mit OpenAI bzw. Neurovigil zu konkurrieren, obwohl er mit diesen Unternehmen verbunden ist. Im Gegensatz zu Tesla und Twitter war er nicht in der Lage, diese Unternehmen zu erobern und versuchte, Rivalen zu schaffen. Ich habe ihn im Dezember 2021 aus gutem Grund entlassen.»
Als der Tesla-Chef dann letzte Woche vor laufenden Kameras den Hitlergruss macht, platzt Low offensichtlich der Kragen. Auf der Business-Plattform Linkedin publiziert er kurz darauf einen ersten Angriff.

Das vor persönlichen Anwürfen strotzende Linkedin-Posting des Neurovigil-Gründers.Screenshot: LinkedIn Drei Tage später lässt Low in seinem bei Facebook publizierten Schreiben durchblicken, dass er Musks faschistische Tendenzen nicht einfach hinnehme.
«Ich werde nicht still sein. Das sollten Sie auch nicht tun. Ich bin ein souveränes Individuum, und Sie sind es auch. Ich habe mich gegen Tyrannen gewehrt und trete jetzt aus der Dunkelheit hervor, um es wieder zu tun.»
Philip Low
Was rät er Musk-Angestellten und -Fans?
Low wird deutlich:
«Hören Sie auf, für ihn zu arbeiten und von ihm ausgebeutet zu werden. Verkaufen Sie Ihren Tesla und stossen Sie Ihre Tesla-Aktien ab. Nikola Tesla [
der Erfinder und Namenspate für Tesla Inc.] war ein grossartiger, kreativer und mutiger Mann, der mit Ethik und gutem Beispiel vorangegangen ist, und er hätte nicht gewollt, dass sein guter Name von ihm benutzt wird, und er wäre mit meiner prinzipienfesten Haltung einverstanden.»
Zudem rät der Silicon-Valley-Unternehmer allen X-Nutzerinnen und Nutzern, sie sollten sich von Musks Plattform abwenden, weil sie die rechtsextreme Propaganda unterstütze. Und auch Starlink gelte es zu meiden.

Zu Philip Lows persönlichen Beratern gehörte der 2018 verstorbene Stephen Hawking.Bild: EPA/EPA
Zu Musks manipulativer Art sagt Low:
«Er will Sie nur kontrollieren, dominieren und benutzen – lassen Sie das nicht zu und schneiden Sie ihn und seine Geschäfte komplett aus Ihrem Leben und dem Ihrer Lieben heraus. Denken Sie daran, dass er ein selbstverachtender Angeber ist, und wenn Sie das nicht auch sind, hat er viel mehr Angst vor Ihnen, als Sie vor ihm haben sollten.»
Seinen «Rant» beendet der US-Unternehmer mit einem Zitat des Holocaust-Überlebenden und Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel:
«Schweigen ermutigt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.»
Hat er keine Angst vor Vergeltung?
Philip Low zeigt sich kämpferisch. Er schreibt, Musk werde wegen des Postings wahrscheinlich hinter ihm her sein. Doch damit habe er kein Problem.
«Ich bin ein Selfmade-Multimilliardär mit einer Armada von Anwälten – im wahrsten Sinne des Wortes – und, was am wichtigsten ist, ich weiss, wer ich bin und für wen ich stehe, nämlich für die Menschen und ihre Freiheiten, egal was passiert.»
Er fürchte sich auch nicht «vor den dummen Proud Boys und Oath Keepers», also den extremistischen Gruppierungen, die Donald Trump die Treue geschworen haben und die laut US-Berichten Vergeltungsaktionen gegen unliebsame Personen planen. Abschliessend betont Low, er wisse sich zu verteidigen und sagt, er würde «lieber ehrenvoll sterben, denn als Feigling zu leben».
Wie reagiert Musk?
Eine Stellungnahme lag zunächst nicht vor.
Elon Musk hat sich auf seiner Social-Media-Plattform X bislang nie zu Philip Low geäussert.

Screenshot: x.com
Quellen
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quelle: keystone / evan vucci
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