Chinesische Beamte führen angeblich Vorgespräche über einen möglichen Verkauf des TikTok-Geschäfts in den USA an den Techmilliardär Elon Musk.
Eine solche Übernahme werde ins Auge gefasst, falls sich die Kurzvideo-App dem drohenden US-Verbot nicht entziehen könne, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich auf einen Bloomberg-Bericht.
Gemäss diesem Szenario würde Musks Social-Media-Plattform X die Kontrolle über TikTok USA übernehmen und das Geschäft gemeinsam führen.
Wenig später berichtete auch das «Wall Street Journal», für die Zeit nach dem Einzug von Donald Trump ins Weisse Haus (am 20. Januar) sei die Bereitschaft zu einem Deal mit Musk ausgelotet worden.
Noch gebe es aber keinen Konsens darüber, wie weiter vorgegangen werden solle. Peking würde es vorziehen, dass TikTok unter Kontrolle der chinesischen Muttergesellschaft Bytedance bleibe, heisst es unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen.
Ein TikTok-Sprecher dementierte den Bloomberg-Bericht und erklärte: «Von uns kann nicht erwartet werden, dass wir reine Fiktion kommentieren.»
Von Musk und X lagen zunächst keine Stellungnahmen vor. Was auffällt, ist das Schweigen des Techmilliardärs zu den jüngsten Vorgängen: Bei X hat er sich in der Nacht auf Dienstag zu diversen Themen geäussert, aber nicht zu einem allfälligen TikTok-Deal.
Es bleibt laut Bloomberg unklar, inwieweit ByteDance über die Diskussionen oder die Beteiligung von Musk und TikTok im Bilde sei, und es gebe auch keine Informationen darüber, ob ByteDance, TikTok und Musk Gespräche über einen möglichen Deal geführt haben.
Auf die Berichte angesprochen, sagte ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums, keine hypothetischen Fragen zu beantworten. Grundsätzlich sollten die USA aber die Prinzipien der Marktwirtschaft und des fairen Wettbewerbs respektieren und ein nicht diskriminierendes Geschäftsumfeld für Unternehmen aus aller Welt schaffen.
Der US-Betrieb von TikTok könnte im Rahmen eines Wettbewerbsverfahrens oder einer Vereinbarung mit der chinesischen Regierung verkauft werden. Dies lässt darauf schliessen, dass die Zukunft der App nicht mehr allein in der Kontrolle von ByteDance liegt.
Gemäss einem unter Präsident Joe Biden erlassenen US-Gesetz muss sich der chinesische Techkonzern von der US-Tochterfirma TikTok trennen. Die dafür gesetzte Frist läuft am 19. Januar ab. Ohne Verkauf droht das Aus in den USA. Die Social-Media-App würde aus den App-Stores von Apple und Google verbannt, bestehende User könnten die Plattform zunächst weiter nutzen, die Dienste würden aber schrittweise eingestellt.
Während einer Anhörung vor dem Obersten Gericht letzte Woche schienen die Richter geneigt zu sein, das Gesetz aufrechtzuerhalten und die Frist einzuhalten. Während der Verhandlung kamen sie immer wieder auf die Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit zu sprechen, die zu dem Gesetz geführt hatten.
Unabhängige Beobachter und die Biden-Regierung argumentieren, dass TikTok als Werkzeug für Spionage und politische Manipulation genutzt werden kann.
Es wurde bereits mit mehreren Untersuchungen belegt, dass der TikTok-Algorithmus die politischen Ziele der chinesischen Regierung unterstützt und von Demokratiefeinden wie Russland genutzt wird, um Desinformation zu verbreiten und den Westen zu beeinflussen.
Dies hat sich zuletzt in Rumänien gezeigt. Die Präsidentschaftswahl wurde vom obersten Gericht gestoppt, als Beeinflussungsversuche bei TikTok und auf Social-Media-Plattformen des Meta-Konzerns publik wurden.
TikTok betont zwar stets, dass Bytedance mehrheitlich internationalen Investoren gehöre – aber durch die Zentrale in Peking muss sich der Mutterkonzern auch Vorgaben der Behörden beugen. Ausserdem kann Chinas Regierung bei einem Verkauf mitbestimmen: Denn der Algorithmus, der die Videos für die User auswählt, wurde in China entwickelt. Und Peking verbietet die Weitergabe solcher Software ohne spezielle Erlaubnis.
Der designierte US-Präsident Donald Trump hat den Obersten Gerichtshof in den USA bereits ersucht, ihm mehr Zeit für einen Deal um TikTok einzuräumen.
Zwar wollte der Rechtspopulist in seiner ersten Amtszeit noch selbst einen Verkauf oder ein Verbot der chinesischen App erzwingen, er hat aber inzwischen seine Meinung geändert. Schon vor seinem Amtsantritt mischte sich Trump in die juristische Auseinandersetzung in den USA ein und forderte den Supreme Court auf, die im Gesetz vorgesehene Frist für den TikTok-Verkauf auszusetzen. Dies solle ihm ermöglichen, eine «politische Lösung» auszuhandeln, sobald er wieder Präsident sei.
Am Montag forderten auch zwei demokratische Abgeordnete den US-Kongress und Präsidenten Joe Biden auf, die Frist vom 19. Januar zu verlängern.
Das Verhältnis zwischen den USA und China ist unter anderem durch Spionagevorwürfe und Strafzölle belastet – und TikTok könnte als Verhandlungsmasse dienen.
Musk, der unter anderem auch den Elektroauto-Hersteller Tesla führt, hat mehrere hundert Millionen Dollar in Trumps Wahlkampf investiert und ist aktuell einer seiner engsten Vertrauten. Er gilt als Geschäftsmann mit sehr guten Beziehungen zu Chinas autoritärer Führung, von der er bei seinen Besuchen in der Volksrepublik immer wieder hochrangig empfangen wurde.
Für Tesla ist China einer der wichtigsten Absatzmärkte. Der US-Konzern durfte zudem als erster ausländischer Autobauer in Shanghai eine Fabrik bauen, die komplett Tesla gehört. Andere mussten stets Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Partnern gründen. Einige Beobachter sehen im Einfluss, den Musk auf Trump ausüben könnte, einen Vorteil für China.