Greta Thunberg und Angela Merkel besitzen einen, neu gewählte Schweizer Nationalrätinnen wie SVP-Frau Esther Friedli oder SP-Frau Céline Widmer hatten bis vor kurzem keinen Eintrag auf Wikipedia.
Vor einigen Monaten hätte man auf dem Online-Lexikon auch nichts über Donna Strickland lesen können. Anfang Oktober 2018 erhielt die Kanadierin als dritte Frau überhaupt den Physik-Nobelpreis, ihren Artikel suchte man vergebens. Ein Editor der Enzyklopädie hatte einen Eintrag über Strickland im Mai 2018 abgelehnt, Begründung: zu unwichtig.
Donna Strickland ist kein Einzelfall. So wie ihr ergeht es den meisten Frauen – oder besser gesagte ihren Biografien. Kaum erstellt, wird der Eintrag auf Wikipedia von den Editoren zerpflückt. «Zu unwichtig», «nicht relevant» – kaum eine Begründung, die nicht zum Löschungsantrag führt.
Nicht nur sind Frauenbiografien auf Wikipedia unterrepräsentiert, es gibt auch Hinweise, dass das Online-Lexikon ein Problem mit bestimmten Stereotypen hat.
Forscherinnen und Forscher der ETH Zürich, der Universität Koblenz-Landau sowie des Leibniz Instituts konnten in einer Studie aufzeigen, dass Wikipedia Frauen im Vergleich zu anderen Lexika in der Auswahl der Artikel zwar nicht benachteiligt, in ihren Artikeln aber öfter Wörter wie Familie und Kinder fallen und häufiger Verlinkungen zu Artikeln von Männern enthalten sind.
Allgemein lässt sich feststellen, dass von den mehr als 330'000 Artikeln über Personen der vergangenen 100 Geburtsjahre nur 20.3 Prozent von Frauen handeln.
Was also sind die Gründe, dass es noch so wenig Einträge über Frauen auf Wikipedia gibt? «Die Gründe sind vielfältig», sagt Muriel Staub, Vorstandsmitglied von Wikimedia Schweiz. Die 32-Jährige nennt zwei Erklärungsversuche: Wichtige Posten sind immer noch häufiger von Männern besetzt. Und Analysen zeigen, dass auch in den Medien mehr über Männer berichtet wird.
«In dem Sinne ist die Wikipedia eine Art Abbild davon.» SRF-Moderatorin Patrizia Laeri pflichtet ihr bei. «Wikipedia hat ein Frauenproblem. Es finden sich viel mehr Artikel über Männer als Frauen. 82 Prozent der Biografien sind männlich und nur 18 Prozent weiblich».
Das nenne sich Gendercontentgap. Wenn sich nicht mehr Autoren und Autorinnen um ausgewogene Verhältnisse bemühen, lebten die alten Stereotypen auf den neuen Plattformen weiter, sagt Laeri. Damit das nicht so bleibt, hat die SRF-Moderatorin im vergangenen November mit Muriel Staub und Blick-Chefredaktorin Katia Murmann das Projekt «Frauen für Wikipedia» ins Leben gerufen.
Am sogenannten «Edit-a-thon», einem Schreibmarathon, werden innert kurzer Zeit Beiträge über Frauen auf Wikipedia erfasst. Damit der Artikel schliesslich aber auch akzeptiert und in der Enzyklopädie bleibt, muss dieser neutral und sachlich geschrieben sein, mit Quellen belegt sowie gewisse Relevanzkriterien (siehe Kasten) erfüllen.
Zwei Events des «Edit-a-thon» haben in Zürich bereits stattgefunden, seither finden sich 120 neue Frauenbiografien im Online-Lexikon. Ein dritter findet am 7. November statt – geht es nach Mitinitiantin Laeri sollen noch viele weitere folgen.
«Ich will das bis an mein Lebensende machen. Die Arbeit wird uns nie ausgehen. Es erreichen immer mehr Frauen wichtige Positionen, man beachte die bemerkenswerte Frauenwahl in der Schweiz. Und wir müssen auch die Vergangenheit digital aufarbeiten», sagt sie.
Ob der Frauenanteil auf Wikipedia irgendwann einmal gleich hoch oder höher sein wird als derjenige der Männer? Dafür brauche es gemäss Laeri noch viel Geduld. «In der Wirtschaft rechnen uns McKinsey, EY und Co. jeweils vor, dass es noch 250 Jahre dauern wird, bis wir Gleichstellung erreichen. Aber steter Tropfen höhlt den Stein.»
Was aber unternimmt Wikipedia selbst? «Weltweit gibt es seit einigen Jahren zahlreiche Projekte, die das Ziel verfolgen, mehr Autorinnen zu gewinnen und mehr Frauen in die Wikipedia zu schreiben», sagt Muriel Staub.
Besonders im Kontext einer Enzyklopädie, wo es um die Darstellung von Wissen gehe, findet sie das äusserst zentral. «Die Zeit wird zeigen, wie erfolgreich diese Initiativen sind.»
Kann sein, oder kann nicht sein
War es ein case Study oder war es eine Metastudie?
Ohne die Studie zu kennen ist es es schwer möglich, sich ein unfassendes Bild zu machen.
Fügt doch zuküftig, wenn ihr Studien zitiert, immer den Link dazu ein. Ebenfalls wäre ein kleiner Kasten, welcher kurz erklärt, was für eine Studie und wie sie angelegt wurde (Random Cross-over, Anzahl Teilnehmer, Geldgeber usw), wünschenswert.
Der Gap ist einfach zu verringern: liebe Frauen, werdet Autorinnen und schreibt Artikel. Auflösen wird allerdings schwierig, ich vermute, es ist nicht leicht, Informationen zu bedeutenden Frauen mit Geburtsjahr <1600 zu finden.