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Hart aber fair: TV-Talk zu Putins Drohungen und Panzerlieferungen

Kevin Kühnert hatte bei Plasberg viel Gelegenheit, sich zu ärgern.
Kevin Kühnert hatte bei Plasberg viel Gelegenheit, sich zu ärgern.screenshot: ard
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SPD-Kühnert reagiert auf Kampfpanzer-Frage beleidigt – und verärgert das TV-Publikum

In der ARD-Talk-Sendung «Hart aber fair» reagierte der SPD-Chef Kevin Kühnert beleidigt – und sorgte für Empörung beim Publikum.
27.09.2022, 18:5227.09.2022, 19:13
John Doe / watson.de
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Nach den jüngsten militärischen Erfolgen der Ukraine hat Russlands Präsident Wladimir Putin eine Teilmobilmachung ausgerufen. Offiziell werden nur Reservisten eingezogen, doch es trifft offenbar auch Männer, die nichts mit dem Militär zu tun haben.

Wer es sich leisten kann und noch ein Flugticket bekommt, fliegt für tausende Euro in eines der Nachbarländer.

«Ist das Wunschdenken, oder bröckelt da tatsächlich irgendwas in Russland?», fragt Frank Plasberg und diskutierte die Frage «Alles auf eine Karte: Wie hoch pokert Putin noch?» mit seinen eingeladenen Gästen.

Die Gäste

  • Kevin Kühnert, SPD, Generalsekretär
  • Serap Güler, CDU, Bundestagsabgeordnete; Mitglied im Verteidigungsausschuss
  • Wolfgang Ischinger, Ex-Botschafter, war von 2008 bis 2022 Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz
  • Claudia Major, Militärexpertin; leitet die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
  • Udo Lielischkies, Journalist, von 2014 bis 2018 Leiter des ARD-Studios Moskau
  • Erdal Yalçin, Ökonom; Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Hochschule Konstanz (HTWG)

Der Auftakt

Wegen der Diskussionskultur auf Twitter habe er sein Twitter-Profil gelöscht, hat SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert neulich erzählt. Nach Äusserungen zu Waffenlieferungen an die Ukraine war er dort in die Kritik geraten. Nun sitzt er bei Frank Plasberg am Gesprächstresen und es geht um genau dasselbe Thema.

Frank Plasberg will von ihm wissen, wie Olaf Scholz denn den Satz «Putin kann diesen Krieg nicht gewinnen» gemeint habe. Kühnerts ausweichende Antwort: «Das ist ein politischer Satz.» Gemeint sei, dass Putin ja schon so viel verspielt habe, dass er schon gar nicht mehr gewinnen kann. «Was soll der Erfolg am Ende sein?» Die Ukraine könne er sich nicht territorial einverleiben, Russland sei international ziemlich isoliert und wirtschaftlich geschädigt.

Hintergrund von Plasbergs Frage ist natürlich die eher abwartende Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) speziell bei Panzerlieferungen.

Zwar könne man Putins Teilmobilmachung als «Eingeständnis von militärischen Teilniederlagen» werten, gibt Kühnert zu, aber bei einem solchen Autokraten könne man gar nicht sagen. wie er reagiert. Kühnert bringt damit wieder einmal die Angst vor Atomwaffen ins Spiel. Das sei «eine Rechnung mit vielen Unbekannten». Und man dürfe sich in der Politik «nicht allein von Wünschen leiten lassen».

Panzer oder Panzer?

Über Waffenlieferungen und deren Wirkung auf Wladimir Putin wurde sich schon oft der Kopf zerbrochen. Aktuell gilt: Die Panzerhaubitze 2000 wird geliefert, der Panzer Leopard 1 aber nicht. Obwohl ihn sich die Ukraine dringend wünscht, um die Soldaten geschützt zur Front fahren zu können.

Die Wenigsten im Publikum dürften den Unterschied kennen und als Plasberg zwei Bilder von Fahrzeugen zeigt, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen, wird der Unterschied noch unklarer. Der Moderator wendet sich an Kühnert:

«Herr Kühnert, zwei dicke Fahrzeuge mit Ketten und einem dicken Rohr vorne dran. Warum will Deutschland das Eine liefern und das Andere nicht?»

Doch der antwortet nur: «Wir diskutieren im Parteivorstand gar nicht über militärstrategische Frage, wir haben auch gar nicht die Expertise zu sagen, was die Ukraine gerade braucht.» Für sie gelte einfach die Massgabe: Waffenlieferungen nur in Abstimmung mit den westlichen Partnern.

Als Plasberg einen Tweet der amerikanischen Botschafterin erwähnt, in der davon die Rede ist, dass jedes Land selbst über Unterstützung entscheide, sagt Kühnert ziemlich von oben herab: «Unser Ansprechpartner sitzt in Washington und heisst Joe Biden.»

Plasberg bleibt dran und fragt Kühnert nach den Unterschieden zwischen den beiden Militärfahrzeugen. «Das kann ich Ihnen an dieser Stelle gar nicht beantworten», aber es sei «auch gar nicht die Aufgabe eines Parteivertreters, Waffen zu diskutieren und ihre Durchschlagskraft», wischt er die Frage davon. «Wer entscheidet das? Sie tun so, als ob das vom Himmel fiele», fragt Plasberg, ohne eine Antwort zu bekommen.

Und als der Moderator nicht nachlässt, sagt Kühnert ziemlich verstimmt, Plasberg könne ja «noch versuchen, mir in den Mund zu legen, es sei die Zauderigkeit von Olaf Scholz», dass Deutschland keine Panzer an die Ukraine liefert. Kühnert kommt richtig in Fahrt:

«Ich will's mal deutlich sagen: Wir sitzen auch heute wieder in einer Runde zusammen, in der man mit der Position, nicht automatisch westliche Panzer zu liefern, anscheinend hier schon der pazifistische Aussenflügel ist.»

Irgendwann seufzt Plasberg. «Ich kapituliere.» Und auch die Zuschauerinnen und Zuschauer sind ziemlich genervt von Kühnert, der an diesem Abend ganz sicher nicht seinen geschmeidigsten Auftritt hatte.

Twitter-Reaktionen

Aber die Sanktionen?

Kühnert hatte im Gespräch noch eingeworfen, dass ein langer ökonomischer Atem bei Sanktionen ja «auch eine Waffe, wenn sie so wollen» sei.

Doch diese Ansicht teilt der Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Erdal Yalçin, nicht. Allein durch Sanktionen sei noch kein Krieg beendet worden, auch wenn sie als flankierende Massnahmen sehr wertvoll und hilfreich seien. «Wer an Sanktionen als Allheilmittel glaubt, ist naiv», lautet sein Urteil.

Wirtschaftsprofessor Erdal Yalçin glaubt nicht an Sanktionen allein.
Wirtschaftsprofessor Erdal Yalçin glaubt nicht an Sanktionen allein.screenshot: ard

Die Abgeordnete Serap Güler (CDU) sitzt im Verteidigungsausschuss. Für sie ist klar: «Es ist vor allem die SPD, die bremst», sagt sie zu den Panzerlieferungen. Sie ist dafür und macht sich keine Sorgen über eine atomare Eskalation:

«Das ständige Drohen mit der Atomwaffe, das Spielen mit der Angst, ist seine grösste Waffe.»
CDU-Verteidigungsexpertin Serap Güler glaubt, dass vor allem die SPD Panzerlieferungen bremst.
CDU-Verteidigungsexpertin Serap Güler glaubt, dass vor allem die SPD Panzerlieferungen bremst.screenshot: ard

Putin wolle den Krieg in die Länge ziehen und «keinen kurzen Atomschlag». Das sieht Ex-Diplomat Wolfgang Ischinger so. «Jetzt ist er ins persönliche Risiko gegangen. Er verknüpft im Prinzip seine Karriere, seine Mission als Präsident, mit diesem Kriegsverlauf.»

Ex-Korrespondent Udo Lielischkies sieht in der Mobilmachung einen «Weckruf».
Ex-Korrespondent Udo Lielischkies sieht in der Mobilmachung einen «Weckruf».screenshot: ard

Der ehemalige Moskau-Korrespondent Udo Lielischkies ist mit einer Russin verheiratet und bemerkt seit der Mobilisierung eine Veränderung im Verhalten auch seiner russischen Verwandten. Vorher hätte es zwischen Bürgern und der Regierung einen unausgesprochenen «Deal» gegeben. «Ihr redet uns nicht rein und wir lassen eurer Privatleben in Ruhe.» Die Teilmobilisierung sei für viele nun «ein Weckruf», dass sie der Krieg auch betreffen. «Da ist wirklich in fast jeder Familie grosse Panik.»

Das meint die Militärexpertin

Die deutsche Militärexpertin Claudia Major glaubt, dass die Mobilmachung kurzfristig nur wenig bewirkt. Es fehle an Ausbildern und an Ausrüstung. Aber sie lese zwei Signale aus Putins Entschluss heraus: «Er eskaliert» und «dass er bereit ist, diesen Krieg lange zu führen». Beides seien «beunruhigende Nachrichten». An einen Atomschlag glaubt sie angesichts dieser Massnahmen jedoch gerade nicht.

Claudia Major sieht zwei unberuhigende Entwicklungen bei Putin.
Claudia Major sieht zwei unberuhigende Entwicklungen bei Putin.screenshot: ard

Putin drohe ja regelmässig mit Atomwaffen. Aber damit würde er sich international komplett isolieren, auch von China und Indien. Und der amerikanische Präsident Joe Biden habe mit seiner berühmt gewordenen Warnung vor dem Einsatz einer Atombombe («Don't. Don't. Don't.») zu verstehen gegeben, dass sich in diesem Fall die (Atommacht) USA viel aktiver am Krieg beteiligen würde.

Major plädiert dafür, sich nicht von Panzerlieferungen abhalten zu lassen. Bisher seien die ukrainischen Soldaten teils mit VW-Transportern an die Front in der Ost-Ukraine gefahren worden. «Wenn die Ukraine diese Gebiete befreien sollte, sollten sie Schützenpanzer und Panzer bekommen.»

Beide würden sich ergänzen. Ausserdem werde die Diskussion um moderne Kriegsgeräte sowieso bald automatisch neu aufkommen. Denn das alte sowjetische Gerät sei bald komplett auf dem Schlachtfeld zerstört.

Quellen

Frank Plasberg macht Herbstpause. Die nächste Sendung kommt am 17. Oktober.

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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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stormcloud
27.09.2022 18:41registriert Juni 2021
Es gibt keine sinnvolle Alternative:
Die Ukraine muss in ihrem Kampf gegen Russland unterstützt werden und dazu gehören auch schwere Waffen. Dazu muss man alles tun, um die gezwungenen "Soldaten" zum Desertieren und Überlaufen zu bringen.
Die Ära Putin muss enden, so rasch als möglich!
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Chalbsbratwurst
27.09.2022 18:46registriert Juli 2020
Zitat Wikipedia: "Am 18. April 2013 veröffentlichte KMW eine Pressemitteilung, die den Verkauf von 62 Leopard 2A7+ an Katar ankündigt. Das Rüstungsgeschäft, das ebenfalls 24 Panzerhaubitzen 2000, Peripheriegerät, Ausbildungseinrichtungen und Dienstleistungen umfasst, hat einen Auftragswert von 1,89 Milliarden Euro. Bis Ende 2016 wurde ca. die Hälfte der bestellten Einheiten ausgeliefert."


Also an Katar liefert DE 62 Leos, aber die Ukraine darf keine haben... der Grund würde mich schon auch interessieren!
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mrmikech
27.09.2022 18:32registriert Juni 2016
Ich denke dass das spiel mit der angst zu ende ist. Wir sehen jetzt alle ganz klar was Russland ist. Nichts. Einfach nichts. Null.
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