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Kommentar: Kreml-Propaganda statt Kampf gegen russische Kriegsverbrechen

epa11601956 Ukrainian prisoners of war (POWs) are welcomed by relatives and military personnel following a swap, at an undisclosed location in Ukraine, 13 September 2024, amid the Russian invasion. &q ...
Russland foltert systematisch ukrainische Kriegsgefangene. Und wir laden die Helfershelfer der Folterknechte ein?Bild: keystone
Kommentar

Kreml-Propaganda statt Kampf gegen russische Kriegsverbrechen – Zürich, wir müssen reden!

Putin-Freund Gerhard Schröder verbreitet auf Einladung der «Weltwoche» ungefiltert Kreml-Lügen. Und ein grosses Filmfestival zeigt russische Kriegspropaganda. Das darf nicht unwidersprochen bleiben.
20.09.2024, 19:5923.09.2024, 16:45
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Einst landeten Verräter und Kollaborateure vor dem Kriegsgericht.

So geschehen, als letztmals ein blutrünstiger Diktator seine europäischen Nachbarn überfiel.

Heute lädt man Feinde der Demokratie in ein teures Hotel oder an ein Filmfestival ein. Und lässt sie dort – vor zahlenden Gästen und Medienvertretern – ihre Lügen und irreführenden Narrative verbreiten.

Zürich, wir müssen reden!

Wenn Putin-Versteher unter sich sind

Unser erstes Beispiel betrifft den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder, Putins wichtigsten deutschen Lobbyisten.

Diese Woche weilte «Gas-Gerd» auf Einladung von «Weltwoche»-Chef Roger Köppel in der Schweiz. Beide eint eine mehr als ungesunde Faszination für den russischen Diktator und obersten Kriegsverbrecher.

Kritische Fragen: unerwünscht.

«Sozialdemokrat» Schröder hat längst alle politischen Ideale hinter sich gelassen. Er steht weiter im Sold des russischen Verbrecher-Regimes und verbreitet dessen Lüge, der böse Westen wolle keinen Frieden.

Doch genug davon, denn da sind auch noch andere Eidgenossinnen und Eidgenossen, die der russischen Propaganda eine Plattform bieten wollen ...

Angriffskrieg auf Grossleinwand, was soll da schon schiefgehen

Und damit zum Zürich Film Festival (ZFF). Unserem zweiten Beispiel, das zeigt, wie prorussische Kriegspropaganda auf verschiedenen Kanälen einsickert.

Trotz massiver Proteste will das ZFF einen «Dokumentarfilm» der Kreml-Propagandistin und früheren Russia-Today-Mitarbeiterin Anastasia Trofimova zeigen.

Ihr «Russians at War» beinhaltet Interviews mit russischen Soldaten, die im völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine zum Einsatz kommen. Der Film wurde illegal in von Russland besetzten Gebieten gedreht.

Er beschönigt die russische Invasion und porträtiert diejenigen, die den grössten Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg führen, als «einfache Leute».

Protesters gather outside the TIFF Lightbox before a screening of the documentary film "Russians At War" in Toronto, Tuesday, Sept. 17, 2024. (Chris Young/The Canadian Press via AP)
Protest in Toronto gegen die Aufführung von «Russians at War».Bild: keystone

Die Organisatoren in Zürich sprechen tatsächlich von einem «Antikriegsfilm» und planen, als Gegengewicht, eine Podiumsdiskussion mit ukrainischer Beteiligung, sowie Filme aus ukrainischer Perspektive.

Das spiegelt perfekt die «False Balance» wider, in der offensichtlich nicht nur wir Medienleute gefangen sind. Statt zu 100 Prozent für die unschuldigen Kriegsopfer und die universellen Menschenrechte einzustehen, räumt man den Tätern viel zu viel Raum ein.

Was lernen wir daraus?

«Wir müssen in allen Gesellschaften eine Abwehr gegen Bullshit aufbauen. Das ist nur mit Bildung möglich.»
Pekka Kallioniemi

Der finnische Wissenschaftler Pekka Kallioniemi forscht an der Universität Tampere und nimmt Propaganda und Desinformation auf den Social-Media-Plattformen unter die Lupe. Zudem betreibt er den Blog «Vatnik Soup», wo er regelmässig prorussische Akteure anprangert und gängige russische Narrative entlarvt.

Kallioniemi hat der russischen Filmemacherin Anastasia Trofimowa, Putin-Freund Gerd Schröder und Roger Köppel einen Vatnik-Soup-Beitrag gewidmet.

Zur Filmemacherin schreibt Kallioniemi:

«Trofimova hat ihren Dokumentarfilm als ‹Antikriegsfilm› bezeichnet, was ihr in Russland etwa 7 Jahre Gefängnis einbringen würde. Bislang haben sich weder der Kreml noch die russischen Behörden zum Dokumentarfilm geäussert. Wir halten ihn für beschönigende Propaganda.»

Zum «Weltwoche»-Chef schreibt er:

«Köppels Weltanschauung scheint darin zu bestehen, dass ihm die Bombardierungen der Zivilbevölkerung, Kriegsverbrechen, Entführungen von Kindern, Vergewaltigungen und andere Gräueltaten, die von den Russen in der Ukraine tagtäglich begangen werden, einfach egal sind.

Stattdessen erklärt er den völkermordenden Irren, der die ganze Show leitet, für ‹unverstanden›, reist nach Russland, um seine Lieblingspropagandisten wie Solowjow zu interviewen, und interviewt sogar Putins Komplizin, die Kinderentführerin Maria Lwowa-Belowa.»

Zu Schröder und dessen sozialdemokratischer Russland-Connection schreibt Kallioniemi:

«Schröder und seine Kumpel Heino Wiese und der ehemalige Stasi-Agent und Putin-Vertraute Matthias Warnig sind seit Anfang der 2000er-Jahre in schmutzige russische Energiegeschäfte verwickelt, ohne auch nur den Hauch von Reue zu zeigen.»

Diese Woche hat der Propaganda-Forscher «Zeit Online» ein interessantes Interview gegeben. Darin spricht sich Kallioniemi überraschend klar gegen staatliche Zensur aus. Verbote seien ineffizient, so der Finne.

Die vom russischen Angriffskrieg und Putins Vernichtungsplänen Direktbetroffenen sehen das verständlicherweise anders. So hat das ukrainische Aussenministerium wegen Trofimovas Film protestiert:

«Wir sind empört, dass das Zurich Film Festival erwägt, ‹Russians in War› zu zeigen.

Wir verurteilen jeden Versuch, Russland eine kulturelle Bühne zu geben, auf der es seine Kriegsverbrechen beschönigen kann, während russische Truppen weiterhin Gräueltaten an Ukrainern begehen.»
quelle: x.com
Ukrainischer Protest gegen die Verbreitung von russischer Propaganda im Westen.
«Russians at War» wurde schon an Filmfestivals gezeigt, gegen den ausdrücklichen Protest der Ukraine und ihrer Unterstützer.Screenshot: x.com

Kallioniemi argumentiert, es brauche statt Zensur einen anderen Ansatz für die erfolgreiche Bekämpfung von russischer Propaganda und Desinformation:

«Das beste Gegenmittel gegen Desinformation besteht letztlich darin, eine bessere Gesellschaft zu schaffen.»

Der finnische Forscher empfiehlt:

«Wir müssen in allen Gesellschaften eine Abwehr gegen Bullshit aufbauen. Das ist nur mit Bildung möglich. Ich denke, eines der erfolgreichsten Länder bei diesem Ansatz ist Finnland. Wir fangen schon in der Grundschule an, Medienkompetenz und kritisches Denken zu lehren. Die Finnen sind deshalb sehr widerstandsfähig gegen russische Desinformation. Aber ein solcher Ansatz ist teuer und braucht viel Zeit.»

Ein hehrer Ansatz. Nur fehlt uns die Zeit!

Angesichts schwerster Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine und der grössten Bedrohung für Europas Sicherheit (seit den Nazis) sollten wir nicht aufs Prinzip Hoffnung setzen, sondern das Richtige tun.

Und jetzt du!

Wie kann eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft wie die Schweiz die russischen Propaganda- und Desinformations-Kampagnen wirksam bekämpfen? Und wie verhelfen wir der Ukraine zu ihrem Recht?

Schreib uns via Kommentarfunktion.

Quellen

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Traurige Szenen – die Heldengräber in der Ukraine
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Traurige Szenen – die Heldengräber in der Ukraine
Ukrainische Soldaten begraben kurz nach Weihnachten 2023 ihren Kameraden Vasyl Boichuk im Dorf Iltsi.
quelle: keystone / evgeniy maloletka
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226 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lowend
20.09.2024 20:14registriert Februar 2014
Danke Daniel Schurter für diese klaren Worte! Es ist beschämend, wie die grösste Partei des Landes den glatten Bruch von internationalen Verträgen und sogar des Völkerrechts seit der Okkupation der Krim unwidersprochen hinnimmt und das Beschämendste war, dass die komplette Fraktion den Nationalratssaal verliess, als Selenskyj zum Schweizer Parlament sprach, während sie zeitgleich einem gesuchten Kriegsverbrecher huldigen und seine Helfershelfer zu privaten Konferenzen in die Schweiz einladen.
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Dee5437
20.09.2024 20:10registriert Oktober 2021
Danke, man verliert ja fast den Glauben an die Schweiz und ob da der moralische Kompass in irgendeiner Weise noch funktioniert.
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Celtic Swiss
20.09.2024 20:13registriert Juni 2024
Danke für den Artikel! Ich bin textlos…
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