Erhard Bühler bleibt sich treu. Woche für Woche zerlegt der ehemalige NATO-General in den Medien herumgeisternde Propaganda und Desinformation.
Bühler tritt seit Beginn der russischen Invasion 2022 im MDR-Podcast «Was tun, Herr General?» als Militärexperte auf. Und er macht dies mit wohltuender Unaufgeregtheit, ist in der Sache aber knallhart.
Der 68-jährige Deutsche hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Ukraine in ihrem Abwehr- und Überlebenskampf unterstützt. Der Aggressor sei Russland und Putin allein trage die Schuld.
In der Regel können Ukraine-Interessierte zweimal pro Woche die professionellen Einschätzungen Bühlers hören. Gewissenhaft, in stundenlangen Recherchen, bereitet sich der Fachmann auf jede Sendung vor. Er kennt die aktuelle Lage an den Frontabschnitten und verfolgt die internationale Berichterstattung, gibt aber auch Einblicke in das Verteidigungsbündnis NATO.
Im Zusammenspiel mit dem Sendungs-Moderator Tim Deisinger vom Mitteldeutschen Rundfunk geht Bühler auch auf drängende Fragen der Hörerschaft ein. Dabei sind sich die beiden nicht zu schade, sehr kritische Wortmeldungen zu berücksichtigen.
Und so gerät Bühler immer wieder an einen früheren Berufskollegen: Der ehemalige NATO-General Harald Kujat tritt ebenfalls als Militärexperte medial auf, hat aber wiederholt mit einseitigen Schuldzuweisungen und Falschinformationen für Kopfschütteln gesorgt.
Schon einmal setzte sich Bühler mit dessen «Fehleinschätzungen» auseinander. Und auch damals – in der Podcast-Folge 166 – hielt sich der General a. D. eisern an seine Grundsätze: Bleibe fair in der Sache und kritisiere den Inhalt, nicht die Person.
Nun hat Roger Köppel kürzlich erneut ein Video-Interview mit Kujat geführt. Dieses ist auf der «Weltwoche»-Website verfügbar und durfte nicht unwidersprochen bleiben, wie Bühler offensichtlich fand.
watson fasst die wichtigsten Punkte zusammen.
Bevor wir zu den Erläuterungen Bühlers zur aktuellen Lage im Ukraine-Krieg kommen, müssen wir über die Art sprechen, wie sein früherer Berufskollege Kujat auftritt. Dieser tut jeweils so, als würde er von absolut gesicherten Erkenntnissen sprechen, dabei handelt es sich um nicht viel mehr als reine Behauptungen.
Bühler bringt auf den Punkt, was viele kritische Medienkonsumentinnen und -konsumenten ärgert, wenn sich Militärexperten (zu) weit aus dem Fenster lehnen.
Wenn man als Experte ein einseitiges Bild der Lage zeichne und «gewisse operative Vorteile der Ukraine» verschweige, gerate man in den Verdacht, nur für eine gewisse Richtung zu sprechen, so Bühler.
«Weltwoche»-Chef Köppel und sein Interview-Partner Kujat versuchen den Eindruck zu vermitteln, Russland sei militärisch nicht mehr zu schlagen. Tatsächlich sprechen die Realitäten gemäss der aktuellen Einschätzung von Militärexperte Bühler für die Ukraine:
Anzumerken ist: Kujat unterstellt dem ukrainischen Volk auch, dass es zu jedem Preis Frieden wolle. Das sei nachweislich falsch, so Bühler. Repräsentative Befragungen in der Ukraine zeigten, dass die Bevölkerung nicht bereit sei, den Russen Land und Leute zu opfern.
Erhard Bühler spricht von einer ungeheuerlichen Behauptung und Verschwörungstheorie, die durch keinerlei Belege oder Beweise gestützt werde. Und er zielt damit auf die von Roger Köppel geäusserte Vermutung ab, die Ukraine wolle Russland dazu bringen, eine taktische Atomwaffe einzusetzen, um ein direktes Eingreifen der USA in den Konflikt zu provozieren.
Der frühere NATO-General kritisiert die Ukraine dafür, dass sie Drohnen-Angriffe auf russische Grossradar-Stationen ausführte. Jedoch gelte es zu differenzieren, statt von einer Eskalationsspirale zu sprechen:
Losgelöst von Fakten brachte Köppel während des Gesprächs mit Kujat auch erneut die deutschen Taurus-Marschflugkörper ins Spiel, obwohl diese Langstrecken-Waffe gar nicht im Besitz der Ukraine ist.
Bühler weist auf diesen Widerspruch hin und erklärt auch zum gefühlt hundertsten Mal, warum Taurus nicht gegen die russische Hauptstadt eingesetzt werden könnte. Die in Deutschland gefertigten Marschflugkörper (mit einer Reichweite von 500 km) müssten (von Flugzeugen aus) mit einem grossen Sicherheitsabstand zur Front gestartet werden. In ausreichender Entfernung zu russischen Raketenabwehrsystemen, die ihrerseits eine Reichweite von 200 bis 400 km haben, so Bühler. Darum seien Attacken auf Moskau technisch unmöglich.
Anzumerken bleibt, dass Köppel gegenüber Kujat von der «Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts» souffliert und dabei nicht etwa den Aggressor Putin kritisiert, sondern dessen Terror verharmlost. Er versteigt sich tatsächlich zur Behauptung, die «Entgrenzung des Vokabulars» finde vor allem auf westlicher Seite statt. Er habe den Eindruck, die Russen würden sich «viel massvoller und kontrollierter ausdrücken». Keine Pointe.
Zum Glück bleibt Bühler angesichts solcher Lügen gelassen und argumentiert glasklar: Er wiederholt: «Wir befinden uns nicht in einer Eskalationsspirale.» Die Weltkriegs-Gefahr werde übertrieben – aus verwerflichen Motiven. Man befeuert damit Putins Propaganda und untergräbt die Unterstützung für die Ukraine.
Bühler ist kein Wissenschaftler, kennt die historischen Fakten aber genau. Er weist auf einen 2021 veröffentlichten Aufsatz von Wladimir Putin hin, in dem der russische Despot selbst erklärte, dass er den aus seiner Sicht «grössten Fehler der Geschichte» rückgängig machen wolle; die Auflösung der Sowjetunion und den damit verbundenen Zerfall in einzelne Staaten.
Während «Weltwoche» und Co. versuchen, den Angriffskrieg gegen die Ukraine als regionalen Konflikt darzustellen, aus dem sich westliche Staaten heraushalten sollten, weist Bühler auf die potenziell gravierenden Folgen hin, die uns alle betreffen. Falls Putin mit seiner Strategie erfolgreich sei, stelle sich dem freiheitlich-demokratischen Europa ein viel grösseres Problem. Dann werde der Despot seinen Traum vom grossrussischen Reich weiterverfolgen. Die Unsicherheit wachse.
Was man in Köppels «Weltwoche»-Interview mit Kujat vergeblich sucht, ist Mitgefühl mit Putins Opfern – und eine klare Verurteilung russischer Kriegsverbrechen und des tagtäglichen Bombenterrors gegen die ukrainische Zivilbevölkerung und die Infrastruktur.
Was geht in solchen Köpfen vor?
Dieses Blatt würde die Russen noch verteidigen, wenn sie schon einen Brückenkopf im Rheintal hätten.