Die deutsche Vorratsdatenspeicherung ist mit EU-Recht nicht vereinbar. Ohne Anlass dürften die Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger nicht gespeichert werden, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg. Nur unter bestimmten strengen Voraussetzungen sei eine begrenzte Datenspeicherung zulässig.
Die Vorratsdatenspeicherung beinhaltet von allen Bürgern Informationen, die zeigen, wer wann wen von wo und für wie lange kontaktiert hat oder welche Webseiten besucht wurden.
Bei einer ernsten aktuellen oder vorhersehbaren Bedrohung für die nationale Sicherheit dürften Verkehrs- und Standortdaten allgemein vorübergehend gespeichert werden, erklärte der EuGH. Zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit dürften Telekommunikationsanbieter für einen begrenzten Zeitraum dazu verpflichtet werden, bestimmte Daten zu speichern.
Die Vorratsdatenspeicherung ist in Deutschland, anders als in der Schweiz, derzeit ausgesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Frage nach der Rechtmässigkeit dem EuGH vor. Es muss über Klagen von Telekom und Spacenet entscheiden. Die Bundesregierung kündigte bereits an, die Regelung reformieren zu wollen. Der EuGH erklärte am Dienstag auch die französische Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gegen Marktmissbrauch für rechtswidrig.
Bereits 2014 erhob die Datenschutz-Organisation Digitale Gesellschaft Beschwerde in der Schweiz gegen die Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesgericht erklärte sie darauf nicht für grundrechtswidrig. Die Beschwerde wurde an den Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte weitergezogen und ist dort hängig.
Das Urteil passt zu den Entscheidungen, die der Gerichtshof in den vergangenen Jahren regelmässig über die Vorratsdatenspeicherung in verschiedenen Ländern gefasst hat. Meistens wurden die nationalen Regelungen gekippt. Die Linie der Richter war dabei recht eindeutig: Das anlasslose Speichern von Kommunikationsdaten verstösst demnach grundsätzlich gegen EU-Recht.
Die geltenden Ausnahmen sind zudem eng gefasst. Erst im April entschied der EuGH zur Vorratsdatenspeicherung in Irland, dass schwere Straftaten wie Mord nicht darunter fallen. In seinem Gutachten zum vorliegenden deutschen Fall bekräftigte der EuGH-Generalanwalt die vorherigen Urteile und stärkte die Position von Datenschützern. Der Einschätzung des Generalanwalts folgt der Gerichtshof oft, aber nicht immer.
Ein guter Tag für die Bürgerrechte! Der EuGH hat in einem historischen Urteil bestätigt: Die anlasslose #Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ist rechtswidrig. Wir werden die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun zügig und endgültig aus dem Gesetz streichen.
— Marco Buschmann (@MarcoBuschmann) September 20, 2022
Schon vor dem Urteilsspruch war klar, dass es in der Koalition schwierig werden wird, hier eine gemeinsame Linie zu finden. Denn in den Koalitionsverhandlungen hatte die FDP mit Macht auf eine Vereinbarung zur Abkehr von der Vorratsdatenspeicherung gedrungen. Die Grünen sehen dieses Instrument ebenfalls kritisch. Anders positioniert sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die SPD-Politikerin hatte kürzlich beim Jahresempfang der Sicherheitsbehörden betont, Polizei und Verfassungsschutz bräuchten Eingriffsbefugnisse auf der Höhe der Zeit.
(t-online/jnm/oli)
Illusionen darf man sich trotzdem keine machen: Die Regierungen wollen diese "Instrumente der Massenüberwachung" wirklich wirklich wirklich unbedingt ...
Sie werden immer und immer wieder versuchen, das durch zu drücken.
Wahlweise wegen Terrorismus oder KiPo. Auch wenn noch niemand belegen konnte, dass das wirklich Fälle verhindert oder zur Aufklärung beiträgt. Bitte nicht falsch verstehen: Ich bin dafür, dass KiPo und Terrorismus bekämpft werden. Gezielte Ermittlungen sind dazu aber zielführender, als Massenü.