Schaurig schön und blutig brutal – «Silent Hill f» im Test
Der Abspann flimmert über den Bildschirm und ich starre ins Leere. Ich habe Fragen, viele Fragen. Habe ich diese brutale Horror-Reise denn wirklich richtig verstanden? Hat mich dieses Videospiel bewusst auf eine falsche Fährte gelockt und konstant verwirrt? Und bin ich mit dem kruden Schlussakt überhaupt zufrieden? Die Verdauungs- und Interpretationsphase läuft. Doch eines ist sicher: «Silent Hill f» geht definitiv tief und schüttelt richtig durch.
Kein Game-Test verpassen
Schrecken im Nebel
Nach einem heftigen Streit im Elternhaus flüchtet Hinako nach draussen, um sich in der Stadt mit ihren Schulfreundinnen zu treffen. Auf dem Weg ins Zentrum fällt ihr auf, dass die Strassen und Gassen menschenleer sind und sich eine unheimliche Stille ausgebreitet hat. Zusätzlich zieht ein dichter Nebel auf, der immer mehr alles zu verschlingen droht.
Als sie dann endlich ihren besten Freund und zwei Freundinnen antrifft, nimmt der Horror seinen Lauf: Eine kaum ersichtliche, aber durchaus präsente Kreatur im Nebel macht Jagd auf sie. Parallel beginnt eine rötliche Wucherung, die sich pflanzenartig ausbreitet, die Stadt Schritt für Schritt einzunehmen. Plötzlich tauchen auch noch bizarre Kreaturen aus dem Nichts auf, die Hinako so gar nicht freundlich gesinnt sind.
Die Gruppe wird vorläufig getrennt und der Teenie ist nun auf sich alleine gestellt. Wäre das nicht schon genug Stress verschlägt es sie auch noch in eine Anders-Welt, wo sie ein Fuchs-Mann in eine neue Gemeinschaft aufnehmen und ihr helfen möchte. Doch kann man dieser sektenhaften Gestalt überhaupt trauen? Wem hier jetzt schon der Kopf glüht sei versichert, dass die Stirnfalten für die nächsten zwölf Stunden nicht mehr verschwinden werden.
Eigenständiger Horror
Hinako gerät immer tiefer in symbolisch verschachtelte Welten hinein, die voll sind mit Andeutungen und Momenten, die uns zunächst komplett alleine lassen und interpretiert werden wollen. Egal ob man sich in der realen Welt durch den Nebel kämpft oder in der Anders-Welt von religiösen Kulissen beinahe erschlagen wird und sich zu einem Kult-Mitglied transformiert, die Reise beginnt intensiv und wird ihr Tempo und die Intensität bis zum Ende hochhalten.
Regelmässig fühlen wir uns hintergangen, geohrfeigt und werden mit brutalen Momenten bedrängt, die uns innerlich brodeln lassen. Der Seelen-Horror der «Silent Hill»-Reihe ist definitiv zurück. Wir werden mit dem Thema Mobbing konfrontiert, unter dem das schüchterne und unter wahnsinnigem Druck leidende Mädchen Ängste schürt. Wir werden Zeuge von Irrungen und Wirrungen, wie sie nur die zwischenmenschliche Liebe erzeugen kann. Und wir erleben physische und psychische Gewalt, die unseren Charakter formt, der früher oder später explodieren muss.
«Silent Hill f» geht verdammt tief und erinnert uns an den meisterlichen zweiten Teil der Reihe, ohne dass sich dieser Survival-Horror-Trip an ihn anbiedert oder gar plump kopiert. Nein, dieser Albtraum ist eigenständig, erzählt losgelöst von der ursprünglichen Mythologie eine Geschichte, die selbstständig stehen kann und uns dennoch den «Silent Hill»-Geist, dieses unangenehme Gefühl des Schreckens auf die Schulter legt.
Aktive Auseinandersetzung
Dieses innige Gefühl des Schreckens und des Terrors wird durch den zerbrechlichen Charakter von Hinako verstärkt. Die junge Frau muss sich in diesem japanischen Städtchen der 60er-Jahre meistens alleine durchschlagen und kommt nicht umhin, Gewalt anzuwenden, um sich der zum Teil widerlichen Monsterschar zu erwehren.
Dabei steht ihr keine Schusswaffe zur Verfügung, sondern lediglich diverse Hieb- und Stichwaffen wie etwa ein Messer, eine Axt oder das bekannte Stahlrohr. Das bedeutet, dass sie die Gegnerschaft nicht auf Distanz halten kann, sondern aktiv die Auseinandersetzung suchen muss. Das kann gerade bei schnellen Biestern ziemlich zermürbend werden, da je nach Schwere der Waffe und Ausdauer von Hinako der Kampf schwierig und zäh werden kann.
Doch sie kann glücklicherweise nicht nur ausweichen und kontern, sondern sich auch regelmässig an kleinen Schreinen am Wegesrand verbessern, sofern sie genügend wertvolle Gegenstände eingesammelt hat und diese dann via Gebet eintauscht, um das Optimum aus ihren Kampffähigkeiten herauszuholen.
Intensiver Body-Horror
Während uns der Seelen-Horror kaum eine Verschnaufpause lässt und uns intensiv durchrüttelt, werden wir zusätzlich von einem Body-Horror bedrängt, der uns manchmal zwingt die Augen kurz abzuwenden. Das Artdesign ist wahrlich für Fans eine Augenweide geworden. Auch wenn sich die Variantenanzahl der Widersacher in Grenzen hält, überzeugen sie mit ihrem grotesken Aussehen.
Puppenartige, klingenwetzende Gestalten, die uns verfolgen, Berserker, die mit Klauen und langer Zunge uns bedrängen oder grosse Fleischberge übersät mit Bäuchen und Brüsten, wo wir gar nicht genau hinsehen mögen, sorgen für Stress und Terror.
Das alles wird von einem Klangteppich untermalt, wo auch Mastermind Akira Yamaoka wieder seinen Teil dazu beitragen durfte. Auch Komponist Kensuke Inage hat Horror-Klänge beigesteuert, die direkt unter die Haut gehen. Der japanische Schriftsteller Ryukishi07 kreierte die verschachtelte Geschichte während Entwickler NeoBards Entertainment Limited unter den wachsamen Augen von Konami das Spiel zum Leben erweckte. Das Endergebnis dieses künstlerischen Zusammenspiels kann sich wahrlich sehen, hören und spielen lassen.
Ein Spiel, das nachhallt
Fazit: «Silent Hill f» hat mich überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser eigenständige Alleingang fernab von der Ur-Mythologie mich derart packen und verstören würde.
Und dann sieht dieses Videospiel auch noch so einzigartig wunderschön aus, dass ich ganz oft einfach nur stehen blieb und alles aufsaugte. Egal ob Wiesen, Wälder, verwinkelte Gebäude oder Tempelanlagen fernab der Realität, «Silent Hill f» betört die Augen jederzeit und intensiv.
Auch hätte ich nicht gedacht, mit welch Intensität diese Horror-Reise auf mich losgeht und Bilder hinterlässt, die sich ins Langzeitgedächtnis eingebrannt haben.
Vor allem Hinako und ihr kompromissloser Leidensweg werden mir noch lange in Erinnerung bleiben und nachhallen. Denn die Spielfigur ist vielschichtig, sympathisch und dann auch wieder nur befremdlich und somit im «Silent Hill»-Universum bestens heimisch geworden.
Was für ein intensiver Horror-Trip!
«Silent Hill f »ist ab dem 25. September erhältlich für Playstation 5, Xbox Series X/S und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.