Dieses Oldschool-Horror-Game versetzt dich zurück in die 90er
Caroline Walker hat einen intensiven Trip hinter sich: Nachdem sie in einem verwinkelten Sanatorium um ihr Überleben kämpfte, einem mysteriösen Kult via Nagelpistole ordentlich Paroli bot und ein paar komplizierte familiäre Verhältnisse auflöste, wäre eine kleine Auszeit eigentlich die logische Konsequenz. Doch daraus wird nichts, schliesslich befinden wir uns im Survival-Horror-Genre, wo nach dem ersten Albtraum gleich der nächste beginnt.
Kleine Schwester muss zur Kur
Die kleine Schwester Anna kritzelt bizarre Monster auf ihren Notizblock, macht dabei komische Augen und scheint sonst so gar nicht auf der gesundheitlichen Höhe zu sein. Also reisen die beiden zu einem abgeschiedenen Kloster in Südamerika, wo Hilfe und Linderung erhofft wird. Kaum angekommen, geht der Horror auch schon los: Anna wird von einem religiösen Kult entführt und Caroline erwacht wiedermal leicht malträtiert auf einer Liege.
Danach muss getan werden, was das Genre verlangt: Das entführte Familienmitglied suchen, sich ordentlich bewaffnen und durch ganz viele verwinkelte Gänge schleichen. Selbstverständlich werden dabei auch knackige und total deplatzierte Rätsel gelöst, um verschlossene Türen zu öffnen. Das hört sich alles nach ziemlich seichter Videospiel-Unterhaltung von damals an und ist es auch. Und gerade deswegen geht auch diese Fortsetzung wieder direkt in jedes Retro-Herz.
Simpler Oldschool-Horror
Die Geschichte passt auf einen Bierdeckel, die Figuren sind eindimensional und der Horror-Trash-Faktor ist überall ersichtlich. Doch gerade darum kann man von diesem Spiel kaum die Finger lassen und verleibt es sich für gute 20 Stunden sofort ein. Die Fortsetzung ist nicht nur etwa doppelt so lang wie der erste Albtraum, sondern hat auch ein paar bedienungstechnische Upgrades bekommen.
So können Waffen jetzt beispielsweise schnell via Stickbewegung ausgewechselt werden und müssen nicht mehr mühsam im Menü gesucht werden. Wem der Horror-Trip übrigens zu schwierig ist oder über keine Teenie-Reaktionsvermögen mehr verfügt, wechselt einfach in den Easy-Modus, wo alles ein bisschen geschmeidiger vonstattengeht und die Gegner nicht mehr so bodenlos aggressiv auf euch losgehen.
Weitere grosse Veränderungen gegenüber dem Erstling sind aber keine auszumachen oder schlicht nicht erwähnenswert. Teil 2 orientiert sich ganz klar am grossen Erfolg von Teil 1 und setzt bei allen Dingen einfach nochmals eine Schippe obendrauf. Und das geht so auch absolut in Ordnung, weil diese Verneigung vor dem Retro-Horror immer noch am besten funktioniert, wenn er keinen revolutionären Gedanken hegt und sich auf den wahren Kern fokussiert.
Zurück in die 90er
Schon von Beginn an sorgt «Tormented Souls 2» für ein heimeliges Gefühl. Das Intro ist kurz genug, bringt die Geschichte schnell voran und lässt uns auch rasch in die Rolle von Caroline schlüpfen. Feste Kameraperspektiven, eine leicht grobe Steuerung und das Unbehagen nicht zu wissen, was hinter der nächsten Ecke lauert, versetzt uns sofort in die 90er zurück, wo uns schon «Resident Evil», «Silent Hill» oder «Dino Crisis» nächtelang vor die Bildschirme lockten.
Wir schleichen oder rennen durch dieses opulente Kloster, das vollgestopft ist mit Büchern, Statuen, Bildern und Antiquitäten, sodass wir uns alles ganz genau ansehen wollen, um keinen Gegenstand oder Dokumente zu verpassen. Dabei klimpert im Hintergrund eine einfache Klavier-Melodie und wir hören zu, wie unsere Schritte auf dem Teppich gedämpft werden.
Unglaublich aber wahr: Die Atmosphäre in «Tormented Souls 2» ist noch dichter geworden und geizt auch nicht mit zahlreichen Nebenschauplätzen und grosszügigen Abschnitten ausserhalb der Kloster-Kulisse, die teilweise sehr überraschend auftauchen und unser Horror-Herz höher schlagen lassen. Mehr wollen wir hier aber spannungshalber gar nicht erst verraten.
Ganz viel positiver Stress
Schritt für Schritt schleichen und rätseln wir uns durch die alten Gemäuer und machen auch wieder mit übersinnlichen Momenten Bekanntschaft, die sich immer wieder mal in den Vordergrund drängen. Wie schon im Vorgänger bewaffnen wir uns mit einer Nagelpistole, um unheimliche und oftmals auch mehrgliedrige Schreckgestalten damit wegzuballern. Selbstverständlich finden wir im späteren Verlauf noch weitere Waffen, um auch die grossen, teils ziemlich abgefahrenen Bossgegner auf den Rücken zu legen.
Die sperrige Kameraperspektive stresst uns dabei zusätzlich, wenn wir schon von weitem ein Stöhnen oder Kreischen hören und gefühlt blind weitergehen müssen. Obendrauf ist Munition Mangelware, in Save-Räumen kann nur gespeichert werden, wenn auch eine Tonbandspule vorhanden ist und medizinische Versorgung ist auch keine Massenware geworden. Der Stresspegel nimmt von Spielstunde zu Spielstunde zu und die Liebe zu diesem Spiel wird ebenso immer grösser.
Ein erneutes Fest für Horror-Puristen
Fazit: «Tormented Souls 2» fundiert ganz klar auf den Stärken des Erstlings und hat sich behütet, eine Vielzahl von Neuerungen einzufügen. Das war die absolut richtige Entscheidung.
Auch wenn die Fortsetzung ein paar kleine, wirklich minimale Veränderungen bekommen hat, setzt sie vor allem in den Dingen noch eins drauf, die uns schon vor vier Jahren begeistert haben: Mehr Atmosphäre, mehr krude Story, mehr Spielzeit. Mehr braucht es nicht und mehr wollen wir Horror-Puristen auch nicht.
Ich habe jede einzelne Stunde aufgesaugt und geliebt. Auch wenn mich einige Rätsel und Gegner viele Nerven kosteten und das Suchen nach Munition und Medikamenten meine Geduld teilweise arg strapazierten, war dieses Retro-Fest wieder ein Genuss.
Teil 3? Ich bin bereit!
«Tormented Souls 2» ist erhältlich für Playstation 5, Xbox Series X/S und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.


