Gleich nach Spielbeginn gehen wir sofort rein und haben keine Zeit für Erklärungen, denn die Eskalation steht kurz vor der Tür: Als Protagonist Kaser seiner Schwester Louisa in einem Revolutionskampf beistehen und ein noch aktuelles Herrscherhaus ordentlich durchrütteln möchte, fallen nicht nur plötzlich Dimensionsmonster in die Gegenwart ein, sondern klauen auch noch obendrauf die Seele der geliebten Schwester.
Mit seiner aussergewöhnlichen Schwertkampfkunst zieht der charmante, in sich gekehrte Held nun von dannen, um alles klitzeklein zu hauen, die Welt zu retten und selbstverständlich das Wiedersehen mit seiner Schwester in die Tat umzusetzen.
Zusätzlich bekommt der Auserwählte gleich nach dem ersten Schicksalsschlag aus Gründen eine Art von Drachengeist an seine Seite geheftet, der ihn von nun an begleitet, ihm neue Fähigkeiten zeigt und auch viele bedeutungsschwangere Monologe von sich gibt.
Mit seinem grossen Schwert und allerlei Zusatzfähigkeiten kann es Kaser dann ordentlich krachen lassen. Schon nach kurzer Spielzeit darf man ein Feuerwerk an Kombos und Spezialangriffen vom Stapel und den Bildschirm erzittern lassen. Gutes Timing und regelmässiges Ausweichen gehören dazu, um bei der Gegnerflut nicht komplett unterzugehen. Vor allem die grossen Bosse benötigen gute Reflexe und schnelle Finger, sind aber alle fair und durchaus machbar.
Wer möchte kann seinen Helden auch regelmässig aufleveln und ihm neue Moves verpassen, um die Spielmechanik auszureizen und für noch mehr Action auf dem Bildschirm zu sorgen. Auch die Standardklinge und ein paar weitere Hieb- und Stichwaffen, die sich später dazugesellen, können verbessert werden, um die Kämpfe noch spektakulärer in Szene zu setzen.
Kaser ist einfach eine coole Socke. Seine heimliche Fokuhila-Frisur die von einem extravaganten Kampfmantel umrandet wird, sind schon gut kreierte Hingucker, um eine Fanbasis zu schaffen. Auch wenn jederzeit vermutet werden könnte, dass hier Dante aus «Devil May Cry» einen neuen Bruder bekommen hat, nickt man die Hauptfigur bejahend ab.
Er bleibt aber über weite Strecken leider der einzige, der herausstechen mag. Denn alle anderen Figuren, die seinen Weg kreuzen oder als Antagonisten die Bühne betreten, sind langweilig und hinterlassen kaum einen bleibenden Eindruck, so dass man bei jeder Cutscene hofft, dass sie schnell vorüber ist und die Action erneut von vorne beginnt.
Auch wenn «Lost Soul Aside» immer wieder Anlauf nimmt, um zu zeigen, dass hier ganz viel Drama und Pathos drinnen steckt, bekommen wir hier nur eine ganz simple Heldenreise serviert, die genau so abläuft, wie wir sie auch schon aus zig anderen Videospielen kennengelernt haben.
Aber das ist im Grunde genommen auch komplett egal. Denn die Motivation alles und jeden zu retten reicht völlig aus, um sich durch wunderschöne und abwechslungsreiche Settings zu hauen und sich von der audiovisuellen Pracht einlullen zu lassen.
Lässt man einmal davon ab, wie seicht der Inhalt geworden ist, darf sich der Spielspass nach vorne drängeln und zeigen, was für ein gutes Videospiel hier in Shanghai entwickelt wurde. Und dabei flutscht alles so wunderschön, denn die Bedienung funktioniert einwandfrei und schnell hat man die simplen Hack-and-Slay-Bewegungs- und Angriffs-Möglichkeiten intus und taucht hinein in den Flow.
Fazit: Ja, die Story ist komplett egal. Und ja, da wurde von Genre-Vertretern das eine oder andere frech abgekupfert. Aber dennoch hatte ich eine saugute Zeit mit diesem simpel gestrickten Abenteuer, das einfach nur ein unterhaltsames Videospiel sein möchte.
Gleich zu Beginn habe ich meine Erwartungshaltung ganz tief gestapelt und mich einfach treiben lassen. Ohne viel zu hinterfragen schnetzelte ich mich mit dem obercoolen Manteltypen durch graziöse Welten und liess es ordentlich krachen. Auch wenn ich über 15 Stunden lang immer nur dasselbe tat, war die Motivation hoch genug, alles aus der Spielmechanik herauszuholen und unzählige Kampf- und Bewegungsabläufe auf den Bildschirm zu zaubern.
«Lost Soul Aside» ist einfach ein gutes und pures Videospiel geworden, das ohne grosse Story-Schnickschnack prächtig unterhält und ein Blitzgewitter nach dem anderen kredenzt. Manchmal braucht es halt gar nicht mehr, um die Videospiellust vollumfänglich zu befriedigen.
«Lost Soul Aside» ist erhältlich für Playstation 5 und PC. Freigegeben ab 12 Jahren.