Als «Life is Strange» 2015 erschien, sorgte es für viel Aufsehen: Die Mischung zwischen Coming-of-Age-Story und Mystery-Geschichte rüttelte Emotionen wach. Das Drama voller Liebe, Freundschaft und Crime liess uns nicht mehr los und zwang zu Entscheidungen, die uns auf Kuddelmuddel-Pfade schickte, die noch lange nachhallen sollten.
Die Reise rund um Teenie Max Caulfield nahm je nach Wahl eine äusserst dramatische Wendung und liess uns mit Tränen in den Augen zurück. Im Verlauf der Jahre erschienen weitere Abenteuer aus dem «Life is Strange»-Universum, doch eine direkte Fortsetzung wurde uns lange vergönnt. Bis heute. Denn endlich ist Max zurück und lässt uns wieder intensiv nachdenken und grummeln.
Wer den ersten Teil übrigens nie gespielt hat, muss keineswegs mit den Augen rollen, da «Double Exposure» auch wunderbar für sich alleine stehen kann. Denn die schwierige Vergangenheit von Max wird unaufdringlich zwischen den Zeilen und manchmal fast schon beiläufig erzählt. Wer den Vorgänger gespielt hat, bekommt dafür eine zusätzliche Erzählebene spendiert und wird mit liebevollen Seitenhieben und Erinnerungen verwöhnt.
Max Caulfield ist in der Fortsetzung kein Teenie mehr, sondern jetzt eine junge Frau, die als Fotografin an der Caledon-Uni unterrichtet. Der Schauplatz des Erstlings ist also längstens zur Vergangenheit geworden, unsere Protagonistin ist weitergezogen und hat alles hinter sich gelassen. Konnte sie früher noch mit magischen Fähigkeiten die Zeit manipulieren und Vergangenes aktiv beeinflussen, sind diese Kräfte nun verschwunden und in Vergessenheit geraten. Auch die meisten Figuren von damals sind nicht mehr Teil ihres Lebens. Max hat sich also einen neuen Freundeskreis aufgebaut und geniesst ihr Leben als erfolgreiche und geschätzte Fotografin.
Als jedoch ein geliebter Mensch aus ihrem Umfeld ermordet wird, wird sie von ihrer Vergangenheit gepackt und magische Fähigkeiten gehören plötzlich wieder zu ihrem Alltag. Denn von nun an kann sie sich Zugang zu einer Parallelwelt verschaffen, wo das Opfer noch unter den Lebenden weilt. In Eigenregie macht sich Max nun auf die Suche nach dem Mörder und wird dabei mit Ereignissen konfrontiert, die Einfluss auf sämtliche Realitäten haben.
Wer ist der Mörder? Diese Frage ist die Hauptantriebsquelle und lässt Max zwischen den Realitäten hin- und herpendeln. Dabei werden viele Dialoge geführt, Handy-Nachrichten gelesen, Räumlichkeiten nach bestimmten Gegenständen durchsucht und Entscheidungen getroffen, die das Verhältnis zwischen Figuren wie auch den weiteren Spielverlauf beeinflussen. Der ewige Wechsel zwischen den Zeitlinien kann dabei vor allem in den ersten Spielstunden schon mal für Verwirrung und Kopfzerbrechen sorgen. Glücklicherweise nimmt einen das Spiel immer wieder brav an die Hand, gibt Hinweise und sagt auch ganz klar, was denn nun das nächste Ziel, die bevorstehende Aufgabe ist, damit es weitergehen kann.
Schnell wird einem auch bewusst, dass die Spielmechanik simpler nicht sein kann und keine grossen Überraschungen bietet. Gehe von Person X zu Punkt A, um Objekt Z zu holen, um es dann in der Zeitlinie 2 bei Y einzusetzen. Dieses Prinzip wiederholt sich immer wieder. Dazwischen gibt es melancholische Zwischensequenzen, die wieder mit einem wunderschönen Soundtrack für ordentliche Gefühlsregungen sorgen. Und bevor es zu einem weiteren wichtigen Dialog geht, sehen wir uns in aller Ruhe um und bekommen so, wenn wir denn wollen, die Vielschichtigkeit dieser Welt und der darin lebenden Figuren mit.
«Double Exposure» erfindet die «Life is Strange»-Formel überhaupt nicht neu, sondern liefert genau das, was wir von dieser Spielreihe eigentlich auch erwarten: Figuren, die einem ans Herz wachsen, viele dramatische Momente und das obligate Rätselraten, um eine Kriminalgeschichte in fünf Kapiteln aufzulösen. Serientypisch gibt es dabei schicke Cliffhanger, die zum Weiterspielen zwingen und uns noch tiefer in das Mysterium eintauchen lassen.
Und ganz am Schluss wird dann ein ordentlicher Standpunkt gesetzt, der klar macht, wie es mit der «Life is Strange»-Reihe weitergehen wird. Das wird einige erfreuen und zufriedenstellen oder auch mit durchmischten Gefühlen zurücklassen, weil das Abenteuer dann doch viel zu abrupt zu Ende geht und wir mit metaphysischen Tatsachen konfrontiert werden, die viele, viele Fragen aufwerfen.
Fazit: Auch in diesem «Life is Strange»-Abenteuer musste ich wieder Entscheidungen treffen, die für innere Konflikte sorgten. Habe ich mich richtig entschieden, hätte ich nicht doch den anderen Weg einschlagen sollen? Solche Fragen nagen am Nervenkostüm und werden zum ständigen Begleiter. Doch dieses Sinnieren und Innehalten ist einer der Gründe, warum ich in diesen Kosmos immer wieder gerne eintauche. Auch wenn sich die Ereignisse gegen Ende dann doch etwas gar überschlagen und viele Unklarheiten in den Raum geworfen werden, habe ich das Wiedersehen mit Max sehr genossen und wurde wieder mit einem famosen Soundtrack verwöhnt, der in bestimmten Momenten ganz schön tief ging.
«Life is Strange: Double Exposure» ist erhältlich für Playstation 5, Xbox Series X/S und PC. Freigegeben ab 12 Jahren.