Am 1. März 2018 trat das umstrittene Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) in Kraft. Im Vorfeld besonders umstritten war die laut Gegnern flächendeckende Überwachung von Bürgern und Firmen «auf Vorrat», also ohne dass ein Verdacht bzw. Anlass vorliegen muss. Die Vorratsdatenspeicherung betrifft alle Bürger und Firmen, die Kommunikation über das Internet oder die Post nutzen – sprich die gesamte Bevölkerung.
Ebenfalls im März lehnte das Schweizerische Bundesgericht eine Beschwerde der Digitalen Gesellschaft gegen die systematische Speicherung von Daten auf Vorrat ab. «Mit der Vorratsdatenspeicherung werden alle Menschen in der Schweiz ohne Anlass und Verdacht rund um die Uhr überwacht», schreibt der Verein Digitale Gesellschaft, der sich politisch und juristisch gegen die zunehmende Überwachung der Bürger im Internet einsetzt.
Die Digitale Gesellschaft hat deshalb heute Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg erhoben. Die Überwachungskritiker stossen sich insbesondere daran, dass die Datenerfassung auf weitere Internetfirmen ausgeweitet wird. Im alten Gesetz mussten nur Mobilfunkanbieter Nutzerdaten speichern, neu auch Internetprovider sowie reine Anbieter von E-Mail- und Messaging-Diensten, sofern sie eine gewisse Grösse haben. Das revidierte BÜPF solle laut einem neuen Merkblatt der zuständigen Überwachungsbehörde auch für Firmen im Ausland gelten.
Der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments argumentierten, das Sammeln von Kommunikationsdaten auf Vorrat sei verhältnismässig, da nur so genannte Metadaten gespeichert würden. Also nicht die Inhalte der Kommunikation, sondern beispielsweise mit wem man telefoniert, E-Mails austauscht oder welche Webseiten besucht werden. Internetprovider wie Swisscom müssen entsprechend speichern, wer in den letzten sechs Monaten wann mit wem und wo kommuniziert hat. Auch der Browser-Verlauf landet auf dem gespeicherten Datenberg. Unsere Surf-History wird gespeichert, damit Ermittler, falls ein Verdacht gegen eine Person vorliegt, auch später darauf zugreifen können. Diese Daten enthüllen präzise Bewegungs-, Beziehungs- und Persönlichkeitsprofile von uns allen. Dies hat watson bereits 2014 am Beispiel des Grünen-Politikers Balthasar Glättli gezeigt.
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Das Bundesgerichtsurteil stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung von anderen höchsten Gerichten in Europa, schreibt die Digitale Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht in Deutschland hatte die Vorratsdatenspeicherung bereits 2010 als unzulässig erklärt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) lehnte die anlasslose und verdachtsunabhängige Massenüberwachung bereits zwei Mal ab.
Vom Gang an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhofft sich der Verein Digitale Gesellschaft viel: Jüngst hätten die Richter erklärt, was gegen die EU-Grundrechtecharta verstosse, sei auch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht vereinbar. «Für das Bundesgericht hingegen heiligt der Zweck die Mittel», kritisieren die Überwachungskritiker der Digitalen Gesellschaft. Der Gesetzgeber in der Schweiz habe sich für ein System einer allgemeinen und umfassenden Vorratsdatenspeicherung entschieden. Würde die Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz eingeschränkt, könne diese Massenüberwachung in der heutigen Form nicht mehr stattfinden, glauben die Überwachungskritiker.
«Das Bundesgericht argumentierte, es gäbe noch kein Urteil gegen die Vorratsdatenspeicherung am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das hat sich nun geändert. Wir sind deshalb zuversichtlich, vom EGMR in Strassburg Recht zu erhalten», sagt Norbert Bollow, Präsident der Digitalen Gesellschaft. Die Beschwerde wird von sechs Beschwerdeführern getragen, unter ihnen Nationalrat Balthasar Glättli.
Gewisse Daten zum Kommunikationsverhalten mussten Mobilfunkprovider wie die Swisscom schon mit dem alten BÜPF aus dem Jahr 2002 für sechs Monate auf Vorrat speichern. Mit dem revidierten BÜPF wurde die Vorratsdatenspeicherung auf kleinere Provider und Anbieter öffentlicher WLANs wie etwa die SBB ausgeweitet. Wer das SBB-WLAN nutzt, muss damit rechnen, dass nicht nur Metadaten, sondern auch die besuchten Webseiten gespeichert werden.
Die Direktüberwachung einer verdächtigen Person, sprich das Mithören von Telefongesprächen, Abfangen von E-Mails, etc. wird hingegen weiter nur durchgeführt, wenn dies von den Strafverfolgungsbehörden explizit beantragt wird.
Jungparteien von links bis rechts sowie netzpolitische Aktivisten wie der Chaos Computer Club oder die Digitale Gesellschaft wehrten sich gegen den Ausbau der staatlichen Überwachung. Das Referendum gegen das revidierte BÜPF scheiterte aber bereits bei der Unterschriftensammlung.
Mann weiss ja nie, wer es ist ... und schon erscheint man in den Analysetools der Überwacher als Mitttäter.
Wie? NIcht jeder Schweizer verdächtig? ... Doch, gemäss BüPf http://b