Das ist die Geschichte von fünf mutigen Frauen und Männern, die in Holland leben. Sie treten gemeinsam gegen einen übermächtigen Gegner an – und schaffen die Sensation.
Wir würden noch so gern von einem glücklichen Ausgang, ja einem Happy-End, berichten, doch ist es ein Drama in fünf Akten.
Weiterlesen lohnt sich trotzdem, versprochen!
Hast du gewusst, dass die Niederlande auf dem Weg zu einem Überwachungsstaat à la George Orwell sind?
Nun, viele Betroffene (aka das Volk) wussten es auch nicht. Das wiederum war der Regierung und den Geheimdiensten genau recht. Warnende Stimmen verhallten ungehört.
Der Journalist Simon Rebiger beschreibt die massiven Auswirkungen des neuen Überwachungsgesetzes, das 2017 vom niederländischen Parlament angenommen wurde:
Die Niederlande sind keine direkte Demokratie. Dass die Bürgerinnen und Bürger trotzdem über das bereits bewilligte Gesetz abstimmen konnten, haben sie der Hartnäckigkeit von Marlou, Nina, Joran, Luca und Tijn zu verdanken.
Wie wird aus einer 23-jährigen Studentin eine politische Aktivistin, die für den Schutz der Privatsphäre kämpft?
Man nehme eine Prise Wut, Neugier und einen schlauen Rat aus dem Internet. Oder wie es Marlou ausdrückt: «Ich fand es merkwürdig, dass es so viele grosse Organisationen gab, die das Gesetz kritisierten, aber nicht alle im Land hatten überhaupt davon gehört.» Bei Reddit liest die Logik-Studentin, dass ein Referendum ein geeignetes Mittel sein könne, um Aufmerksamkeit für ein politisches Anliegen zu erzeugen.
Daraufhin sucht Marlou Mitstreiter an ihrer Universität in Amsterdam und gründet eine Aktivistengruppe: dekabel.org.
Um in den Niederlanden ein landesweites Referendum lancieren zu können, müssen mindestens 300'000 Unterschriften gesammelt werden. Und zwar innert sechs Wochen.
Ironie der Geschichte: Die jungen Leute beschliessen, ihre Kampagne mithilfe globaler Datenkraken bekannt zu machen. Sie mobilisieren via Facebook und Co., weil sie kein Geld für Anzeigen haben und hoffen, so viele junge Leute zu erreichen.
Zwar gelingt es ihnen, mithilfe von Amnesty International und anderen NGOs mehrere zehntausend Unterschriften zu sammeln. Doch dann gerät die Online-Kampagne ins Stocken.
Zweifel machen sich breit. Das Vorhaben droht zu scheitern.
Doch dann wendet sich das Blatt ...
Der bekannte Fernseh-Moderator Arjen Lubach stellt in seiner Late-Night-Show das Überwachungsgesetz vor.
Der über 10-minütige Beitrag bringt den Durchbruch. Der Ansturm auf die Website der Aktivistengruppe zwingt die Server vorübergehend die Knie.
Das öffentliche Interesse ist geweckt ...
Bis im Herbst 2017, zum Ende der Unterschriftensammlung, haben 407'582 Menschen für ein Referendum unterschrieben. Damit ist klar, im März 2018 gibt es die Volksabstimmung.
Die Politik reagiert mit Verärgerung und versucht, das Anliegen totzuschweigen. «Die Parteien, die für das Gesetz waren, versuchten die Diskussion klein zu halten. Sie wollten an keinen öffentlichen Debatten teilnehmen», erzählt Marlou.
Die Regierung lässt verlauten, dass Anti-Terror-Ermittlungen gefährdet seien, falls das Gesetz nicht wie geplant in Kraft trete.
Doch laut Umfragen steigt die Ablehnung ...
Am 21. März 2018 sprechen sich die Niederländerinnen und Niederländer in einer Volksabstimmung für oder gegen das neue Überwachungsgesetz aus. Das Verdikt ist knapp: Eine Mehrheit von 49,5 Prozent ist gegen die Überwachung, 46,5 Prozent sind dafür. Und dies bei hoher Stimmbeteiligung.
Es ist dies erst das zweite Mal, dass in der Niederlande ein fakultatives Referendum zustande gekommen ist. Dazu muss man wissen, dass solche Volksabstimmungen nicht bindend sind, sondern nur Empfehlungs-Charakter haben. Die Regierung kann entscheiden, ob und wie sie auf das Ergebnis reagiert.
Unsere fünf fünf Aktivistinnen und Aktivisten wollen in den kommenden Wochen entscheiden, wie sie weiter vorgehen, heisst es im lesenswerten Beitrag bei netzpolitik.org. Marlou sei vom Uni-Alltag eingeholt worden. Die Abschlussarbeit stehe an.
Zumindest in einem Punkt habe die Regierung bereits auf den Volksentscheid reagiert, schreibt Simon Rebiger:
PS: Die NGO Bits of Freedom hat angekündigt, gegen das Überwachungsgesetz vor Gericht zu ziehen, falls die Regierung keine grundsätzlichen Änderungen vornimmt.
Hier hat das Stimmvolk bereits im September 2016 deutlich Ja gesagt zu einem neuen Nachrichtendienstgesetz (NDG), das den staatlichen Schnüfflern weitreichende Befugnisse erteilt. Mit einer Mehrheit von 65,5 Prozent.
Seit September 2017 ist das NDG in Kraft.
Die Digitale Gesellschaft hat gegen die im NDG vorgesehene Kabelaufklärung («NDB als Mini-NSA») Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht erhoben.
Das Bundesgericht hat am Mittwoch, 28. März, die Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz abgelehnt, wie die Digitale Gesellschaft auf ihrer Website schreibt.