Seit acht Jahren befasse ich mich mit dem sicheren Schweizer Messenger Threema. Den ersten Artikel dazu publizierte ich im Dezember 2012. Titel: «Die Schweizer Antwort auf WhatsApp». Die damalige erste App gab's nur fürs iPhone, und sie war zum Start gratis. Im Interview versprach der Entwickler, Manuel Kasper, die baldige Veröffentlichung einer von vielen Usern geforderten Android-Version. Und:
Er hielt Wort. Im Gegensatz zu WhatsApp.
Einige dürften sich erinnern, dass es ein gleiches Versprechen vom WhatsApp-Gründer Brian Acton und dessen Kompagnon gegeben hatte. Doch dann verkauften die beiden ihre App samt den Usern an Mark Zuckerberg.
Bei Threema wird eine Übernehme durch eine Datenkrake einen Social-Media-Konzern nicht passieren. Wetten!
Was als Ein-Mann-Bude in Zürich-Albisrieden begann, ist heute ein Tech-Unternehmen mit knapp 30 Angestellten. Von der Softwareentwicklung bis zum Support findet alles «in-house» statt, und zwar in Pfäffikon SZ, am Zürichsee.
In diesem Beitrag gehe ich der Frage nach, warum Threema das neue WhatsApp ist und die gesamte Messenger-Konkurrenz schon bald in den Schatten stellen könnte.
Ja, Threema hinkte früher gewissen Konkurrenten hinterher, was den Funktionsumfang betraf. Doch das hat sich geändert. Nun müssen WhatsApp und Co. schauen, dass sie mit dem Schweizer Innovationstempo mithalten, wie wir gleich beim Punkt 2 («Das nächste Killerfeature») sehen.
Doch auch schon heute vermag man die Konkurrenz zu überflügeln. Die folgende Zusammenstellung stammt von Threema und wurde vom Digital-Redaktor nach bestem Wissen und Gewissen geprüft. Falls du etwas vermisst, dann lass es uns (und Threema) via Kommentarfunktion wissen!
Die einzige Funktion, die WhatsApp-User bei einem Wechsel zu Threema vermissten dürften, sind löschbare Nachrichten. Natürlich kann es praktisch sein, eine vorschnell abgeschickte Mitteilung (z.B. an den Chef 🙈) verschwinden zu lassen, bevor sie überhaupt gelesen wurde. Allerdings ist dieses Löschen auf Empfängerseite mit Vorsicht zu geniessen.
Threema schreibt dazu:
2013 besuchte ein deutscher Techjournalist («Zeit») den Threema-Entwickler Manuel Kasper in Zürich, Albisrieden, und sprach mit dem Nerd über sein Vorhaben. Schon damals zeigte sich der Programmierer realistisch, was das Ausspionieren durch US-Geheimdienste wie die NSA betraf.
Für die Zukunft plane er, die App so zu gestalten, dass sie von mehreren Endgeräten aus synchronisiert und genutzt werden könne, verriet der Threema-Erfinder in einem seiner sehr seltenen Interviews. Und er fügte erklärend an, dass dies eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung über verschiedene Betriebssysteme und Geräte hinweg bedeuten würde – «ein Killerfeature, aber nicht eben trivial umzusetzen».
Acht Jahre später scheint die Zeit gekommen, wie Threema-Sprecher Roman Fleep gegenüber watson bestätigt. Er verrät uns, dass ein erster Release «auf Mitte dieses Jahres geplant» sei. Und: Es gebe derzeit noch keine Multi-Device-Lösung, die ein so hohes Mass an Privatsphärenschutz biete. «Von dem her gesehen ist das definitiv ein Killerfeature.»
Ich habe ihn gefragt, wie die Nutzung auf mehreren Geräten (Mobilgeräte und Desktop) funktionieren werde.
Roman Flepp erklärt:
Wer sich für Details interessiert, kann dies in einem Beitrag im Firmenblog von Threema nachlesen (siehe Quellen).
Die wichtigsten Anforderungen rund um den Schutz der sensitiven User-Daten bei den vier populären Smartphone-Messenger-Apps findest du in der folgenden Tabelle.
Der klare Gewinner: Threema.
Threema und Signal speichern keine Chatverläufe auf ihren Servern. Bei WhatsApp hingegen gibt's unverschlüsselte Chat-Backups in der Cloud (Google und Apples iCloud), so dass brisante Inhalte in falsche Hände fallen könnten.
Bei WhatsApp und Signal besteht das Problem, dass es sich um Unternehmen nach US-amerikanischem Recht handelt. Und da kommt der «CLOUD Act» zum Tragen. Das ist ein von Datenschützern heftig kritisiertes Gesetz. Es berechtigt US-Behörden wie das FBI, auf Daten von IT-Dienstleistern zuzugreifen – selbst wenn die Daten nicht in den USA gespeichert werden.
Threema hingegen betreibt eigene Server in Schweizer Rechenzentren und erfüllt die vergleichsweise strenge Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Dazu Roman Flepp:
Bleibt die Frage, ob Threema vom Bund gezwungen werden kann, eine Backdoor zu integrieren, um die User zu überwachen?
Dazu der Threema-Sprecher:
3 Franken. So wenig kostet Threema im App Store.
Können sich alle leisten. Bezahlbar über eine anonyme Geschenkkarte (iTunes / Play Store). Zur Not kann man sich die Threema-App auch schenken lassen. Und Android-User, die keine Google-Dienste nutzen, können die App über den Online-Shop der Entwicklerfirma erwerben.
Auf jeden Fall finde ich: Die Tatsache, dass die App nicht gratis angeboten wird, ist klar als Vorteil zu werten. Threema ist das Gegenteil von einer Datenkrake wie Facebook und das Geschäftsmodell sieht bekanntlich vor, dass Firmenkunden und Organisationen für Extra-Dienste bezahlen. Hier kann also eine sinnvolle Quersubventionierung stattfinden.
Dazu Roman Flepp von Threema:
Hingegen bezahlen WhatsApp-User mit ihren Daten (bzw. den Kontakten, die man im Handy-Adressbuch hat). Man ist also nicht nur Nutzer, sondern wird selber zum Produkt und muss damit rechnen, dass Dritte sehr viel über eigene Vorlieben und Nutzungsgewohnheiten erfahren. Das gilt für Werbeunternehmen, aber auch für die Behörden, die Zugriff auf die Datenschätze von Facebook und Co. erlangen.
Telegram hat angekündigt, in gewissen (populären) Kanälen in Zukunft Werbung zu schalten. WhatsApp hat das dem Vernehmen nach auch vor, ein Verrat an den ursprünglichen Idealen der Gründer, die daraufhin Facebook verliessen.
Konkurrent Signal kann zurzeit auch mächtig zulegen und ist gratis zu haben. Haben sich die Threema-Macher überlegt, ihre App vorübergehend vergünstigt anzubieten?
Dazu Threema-Sprecher Roman Flepp:
Als Reaktion auf einen Artikel des IT-Newsportals heise.de fasste ein User die wichtigsten Punkte zusammen, die aus seiner Sicht gegen die Signal-App sprechen, obwohl diese wie Threema eine hohe Sicherheit bietet. Ich erlaube mir, Auszüge aus der spannenden Argumentation zu zitieren.
Auch wenn man nicht nachtragend sein sollte: Wir haben es dem WhatsApp-Co-Gründer Brian Acton zu verdanken, dass WhatsApp in die Hände von Zuckerberg fiel.
Die Finanzierung der Signal Foundation durch Brian Acton sei für ihn der Hauptgrund, Signal nicht zu nutzen, betont der Heise-Kommentator. Und er ruft in Erinnerung, dass der WhatsApp-CoGründer 2018 zum ‹Hauptsponsor› geworden sei mit einer Investition von 50 Millionen Dollar.
Ob dies überhaupt möglich wäre, entzieht sich meiner Kenntnis. Acton ist Vorsitzender des Stiftungsrates.
Auf jeden Fall gilt es den aus Datenschutz-Perspektive wichtigsten grundlegenden Unterschied zwischen Threema und der Signal-App hervorzuheben.
Der technikversierte Heise-Kommentator kommt darum zu einem Fazit, das ich vollumfänglich teile:
PS: Eigentlich fehlt Threema nur noch eine Empfehlung durch Edward Snowden, quasi die Adelung. Dann ist die Schweizer WhatsApp-Alternative nicht mehr zu stoppen.
WhatsApp ändert die Nutzungsbedingungen. Nicht auf den 8. Februar, wie wir seit letztem Freitag wissen, sondern gemäss Ankündigung erst im Mai 2021. Offenbar haben die Verantwortlichen beim Facebook-Konzern kalte Füsse bekommen und versuchen, mit öffentlichen Beschwichtigungen den Exodus der User einzudämmen.
Alles halb so wild? Europäer gar nicht betroffen?
Wer so etwas glaubt, beweist damit nur einen Mangel an Digitalkompetenz und Erinnerungsvermögen.
In aller Kürze: Wir wissen nicht, was Mark Zuckerberg mit WhatsApp im Schilde führt. Sicher ist: Er und die anderen Facebook-Eigentümer haben dafür 19 Milliarden hingeblättert und wollen früher oder später Profit machen.
«Zuck» hat in der Vergangenheit bei unzähligen Datenskandalen bewiesen, dass er den wirtschaftlichen Erfolg über alles stellt. Auch über die Wahrheit und das Gemeinwohl.
Wer sich ihm in den Weg stellt, wird knallhart attackiert. Wobei der Multimilliardär und Facebook-Konzernchef die Drecksarbeit gerne an Drittfirmen auslagert. Ich gehe hier nicht mehr auf die Details ein, sondern verweise Interessierte auf einen NZZ-Artikel vom Dezember 2018 (siehe Quellen).
Dank geleakter Chatnachrichten wissen wir, dass sich Zuckerberg schon früh über die vielen Idioten amüsierte, die ihm freiwillig wertvolle Informationen preisgaben.
Du kannst jetzt zeigen, was du davon hältst.
Threema’s user base currently grows at the same rate as Switzerland’s snow cover! ☃️🇨🇭 pic.twitter.com/DGkaphdeT7
— Threema (@ThreemaApp) January 15, 2021
Jetzt warte ich halt darauf, dass andere nachziehen :).
Statt dessen bekommt man zu lesen, dass viele ausgerechnet zu Telegram wechseln ... Also vom Regen in die Traufe hüpfen.