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Schweizer Geheimdienst muss vor Gericht – weil er alle Internet-Nutzer überwacht

Schweizer Geheimdienst muss vor Gericht – weil er alle Internet-Nutzer überwacht

31.10.2017, 09:0031.10.2017, 15:22
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Die sogenannte Kabelaufklärung wird ein Fall für das Bundesverwaltungsgericht. Die Digitale Gesellschaft zieht eine Beschwerde weiter, nachdem der Nachrichtendienst (NDB) nicht darauf eingetreten ist. Der NDB darf seit September die Internetkommunikation überwachen.

Mit der Kabelaufklärung erhält der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) Zugriff auf die Kommunikation über Glasfaserkabel. Die Datenströme werden erfasst und nach bestimmten Sichtworten abgesucht. Kommt ein gesuchtes Stichwort vor, wird die Kommunikation vertieft ausgewertet.

Kritiker hatten das neue Nachrichtendienstgesetz erfolglos bekämpft. Ende August erhob die Digitale Gesellschaft gegen die Kabelaufklärung Beschwerde beim NDB. Es handle sich um eine «Massenüberwachung» ohne Anlass, die das Grundrecht auf Privatsphäre und auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) schwerwiegend verletze, argumentierte sie.

Verdächtigt werde jede und jeder

Der NDB entschied nun, inhaltlich nicht auf das Gesuch einzutreten, wie die Digitale Gesellschaft am Dienstag bekanntgab. Die Umsetzung des Gesetzes verletze «offensichtlich keine durch die Verfassung und die EMRK garantierte Grundrechte», wird der NDB in der Mitteilung zitiert. Die Digitale Gesellschaft zieht die Beschwerde gegen die Kabelaufklärung an das Bundesverwaltungsgericht in St.Gallen weiter.

Eingriffe in Grundrechte seien nur rechtmässig, wenn sie geeignet und erforderlich seien, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen. Zudem müsse das öffentliche Interesse überwiegen. Diese Voraussetzungen sind aus Sicht der Digitalen Gesellschaft bei der Funk- und Kabelaufklärung nicht erfüllt.

Der Schweizer Datenverkehr läuft über ausländische Server ...

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Zwar werde die Wahrung gewichtiger öffentlicher Interessen anvisiert. Die Funk- und Kabelaufklärung könne zur Wahrung dieser Interessen aber kaum etwas beitragen, da sie ein sehr unspezifisches Vorgehen darstelle. Es handle sich um eine Art Rasterfahndung. Verdächtigt werde jede und jeder. «Wer das Internet nutzt, wird überwacht.»

Um ihr Vorgehen zu legitimieren, macht die Digitale Gesellschaft besondere Betroffenheit geltend. Die Gesuchsteller seien als Journalisten tätig und deshalb von der Funk- und Kabelaufklärung speziell betroffen. Sie seien für die Ausübung ihres Berufs verstärkt darauf angewiesen, frei von Überwachung und unter Wahrung des Quellenschutzes recherchieren und andere Personen kontaktieren zu können.

Zu den BeschwerdeführerInnen gehören Serena Tinari (Recherchejournalistin), Noëmi Landolt (Journalistin, Buchautorin Mission Mittelmeer), Heiner Busch (Solidarité sans frontières), Andre Meister (netzpolitik.org), Marcel Bosonnet (Anwalt von Edward Snowden) sowie Norbert Bollow und Erik Schönenberger (Digitale Gesellschaft).

(dsc/sda)

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55 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Calvin Whatison
31.10.2017 09:12registriert Juli 2015
Sehr gut, was geht es die an wenn ich auf Pornhub rumsaue ähh rumsurfe. 🤣🤣🤣
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Wilhelm Dingo
31.10.2017 09:43registriert Dezember 2014
Die StimmbürgerInnen haben es in der Abstimmung vom 25.9.16 so gewollt, aus Angst vor Terror. Leider nützt die Überwachung kaum etwas gegen Terror, öffnet aber viele unerwünschte Türchen. Die Schweiz hat eigentlich genug Erfahrung mit Fichenaffären... Traurig, merken es die StimmbürgerInnen nicht.
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Raphael Stein
31.10.2017 09:33registriert Dezember 2015
Ein Volk welches per Abstimmung zu solchen "Ueberwachungsaufträgen" ja sagt, gehört eh überwacht.
24/7, weil die können ja nicht ganz dicht sein.
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