Swisscom, UPC und Sunrise wissen, wie sie die Zitrone auspressen: Sie beglücken ihre Kunden ungefragt mit mehr Internet-Bandbreite und erhöhen gleichzeitig den Abopreis.
Das Upgrade auf ein teureres Abo tritt bei allen drei Anbietern automatisch in Kraft. Es sei denn, man wehrt sich.
Das Vorgehen der Provider kommt bei Betroffenen schlecht an:
Das Problem: Viele Kunden dürften das per Brief oder E-Mail angekündigte Abo-Upgrade gar nicht bemerkt haben, weil vermeintliche Werbesendungen meist ungeöffnet im Altpapier bzw. im Mail-Ordner «Papierkorb» landen.
Wer das Schreiben von Swisscom, UPC und Sunrise nicht genau liest und der ungefragten Leistungserhöhung nicht widerspricht, zahlt daher bald mehr. Schon wieder mehr. Denn automatische, also vom Kunden nicht gewünschte Abo-Upgrades, haben bei den Internet-Anbietern System.
Drei aktuelle Beispiele, wie die drei grossen Schweizer Provider ihren Kunden teurere Abos unterjubeln:
Eigentlich würde man erwarten, dass Swisscom ihre Kunden fragt, ob sie ein schnelleres und teureres Abo wünschen. Der folgende Brief zeigt hingegen, dass der Internet-Provider seine günstigsten Abos einfach minim schneller macht und gleichzeitig verteuert. Wer damit nicht einverstanden ist, muss selbst aktiv werden und sich wehren.
In solchen Fällen bereue ich, nicht Kunde der @Swisscom_de zu sein. So fehlt mir die Möglichkeit, aus Protest zu künden. https://t.co/glOgcsNLh3
— Matthias Schüssler (@MrClicko) 21. August 2018
Oh, Danke fürs twittern, hatte das Schreiben als Werbepost einfach in den Müll gegeben, fiese Nummer. Jetzt muss ichs wohl doch wieder raus fischen...
— Schlaubine (@tummeley) 21. August 2018
Swisscom schreibt im Brief an ihre Kunden: «Im Oktober und November geniessen Sie das neue Surferlebnis ohne Aufpreis. Ab 1. Dezember 2018 zahlen Sie nur 5 Franken pro Monat zusätzlich für die erhöhte Aboleistung.»
Wer das Upgrade nicht wünscht, muss bis am 25. November per Telefon oder über diese Webseite widersprechen. Alternativ kann man bei einer Swisscom-Shop-Filiale vorbeigehen. Ansonsten zahlt man künftig 60 bzw. 72 Franken mehr pro Jahr.
«Wir sind überzeugt, dass die Leistungssteigerung die geringe Erhöhung des Preises aufwiegt», sagt Swisscom gegenüber der «Aargauer Zeitung». Bei den übrigen Abos seien trotz besserer Leistungen keine Preiserhöhungen vorgesehen.
Inwiefern 50 statt 40 Mbit/s ein «neues Surferlebnis» sein sollen, wie es im Brief heisst, sei dahingestellt. Fakt ist: Die Kunden haben sich bewusst für ein relativ langsames und «günstiges» Abo entschieden, weil 40 Mbit/s für Single- und auch viele Zweipersonen-Haushalte vollkommen ausreichen. Netflix etwa empfiehlt eine Mindestgeschwindigkeit von 5 Mbit/s, um Serien in Full-HD streamen zu können. Selbst ein Ultra-HD-Stream in 4K-Auflösung ist mit 40 Mbit/s problemlos möglich.
Mitte Juli verschickte UPC den folgenden Brief an bestehende Kunden, die ein Internet-Abo mit 40 Mbit/s haben, das monatlich 49 Franken kostet.
Und wieder erhöht UPC ungefragt Preis und Geschwindigkeit. Diese langjährige Unsitte hat Tradition. Neuerdings darf der Kunde anrufen um die Preiserhöhung ab zu lehnen. Dies im Wissen das 90% der Kunden sich nicht bemühen werden. pic.twitter.com/3pye5NUoQP
— Telekom Schweiz (@telekom_ch) 16. Juli 2018
Wie bei Swisscom kostet auch bei der ehemaligen Cablecom die automatische Abo-Hochstufung 5 Franken mehr pro Monat. Dafür gibt es 100 statt 40 Mbit/s, also ein deutlich besseres Upgrade als bei Swisscom. UPC und die anderen Internet-Provider rechtfertigen die ungefragte Leistungs- und Preiserhöhung mit den gestiegenen Bedürfnissen der Kunden.
Was nach einem guten Deal klingt, hat einen faden Beigeschmack. Denn UPC nutzt seit Jahren die Salamitaktik, um die kleinen, aber regelmässigen Preisaufschläge bei Abos und Grundgebühr für den Kabelanschluss zu verschleiern. Die Preise der günstigsten Abos werden kontinuierlich angehoben, obwohl dieses Kundensegment in der Regel gar nicht mehr Bandbreite benötigt.
Der Brief von UPC suggeriert, Kunden eines Connect-40-Abos müssten bis am 27. August die Hotline anrufen, um den Preisaufschlag zu verhindern. Erst auf Nachfrage der Medien präzisierte der Pressesprecher gegenüber 20 Minuten, dass man auch schriftlich via Twitter, E-Mail, Web-Chat oder Brief Einspruch einlegen könne. Zudem sei «nur eine einstellige Prozentzahl all unserer Internetkunden» davon betroffen.
Erschwerend kommt hinzu: Wer auf digitalem Weg mit UPC kommuniziert, bekam die Upgrade-Ankündigung per E-Mail-Anhang zugeschickt. Dumm nur, dass die E-Mail wie eine dubiose Phishing- oder Malware-Mail daherkommt und deshalb von vorsichtigen Nutzern gar nicht geöffnet wird. Nur wer die PDF-Datei in der folgenden, nicht persönlich adressierten E-Mail öffnete und las, ist über die Preiserhöhung informiert.
Kunden, die solche E-Mails verdächtig finden und aus gutem Grund nicht jeden Anhang öffnen, haben bis heute keine Ahnung, dass sie bald automatisch auf ein teureres Abo upgegradet werden, wenn sie dies nicht bis am 27. August verhindern.
@AndreWangler Offenbar sprechen sich @Sunrise_de und @Swisscom_de bezüglich Marketing-Aktionen ab. Brief von Sunrise im April erhalten. 😂 pic.twitter.com/GVXnIhxAxL
— Lukas Wenner (@chlueku) 21. August 2018
Die Briefe von Sunrise, Swisscom und UPC sind inhaltlich fast identisch: Auch bei Sunrise gibt es seit Juni 50 statt 40 Mbit/s. Da das automatische Upgrade zwei Monate lang gratis war, zahlen Kunden ab August 50 statt 45 Franken, sofern sie dem Preisaufschlag nicht bis am 31. Juli über diese Webseite widersprochen haben.
Immerhin zeigt sich Sunrise kulant, sollte ein Kunde die Preiserhöhung erst jetzt realisieren: «In einem solchen Fall kann er wieder zur alten Geschwindigkeit und zum alten Preis wechseln», sagte Sprecherin Therese Wenger gegenüber dem «Beobachter». Das Unternehmen habe die Erfahrung gemacht, dass Kunden solche Upgrades begrüssen.
Die Provider erlauben sich in den AGB einseitige Vertragsänderungen. Da sie den Kunden anbieten, beim alten Angebot zu bleiben, ist das Vorgehen rechtlich in Ordnung. Was die Provider in ihren Briefen verschweigen: Für die betroffenen Kunden ergibt sich durch die einseitige Vertragsänderung ein ausserordentliches Kündigungsrecht. Das Vorgehen der grossen drei Provider ist also eine Steilvorlage, zu einem kleineren Anbieter zu wechseln, der mehr Leistung für weniger Geld offeriert.
Gut zu wissen: Die Tarife werden nur bei jenen Kunden angepasst, die an ihrem Wohnort auch tatsächlich von den neuen Geschwindigkeiten profitieren. Wer das Upgrade nicht will, sollte auf keinen Fall die höhere Rechnung zahlen. «Wenn der Kunde die erste Rechnung bezahlt, darf das Unternehmen von einer Zustimmung zu den neuen Bedingungen ausgehen», schreibt der «Beobachter».
Am besten widerspricht man gleich sofort. Dies kann telefonisch, schriftlich oder direkt in einem Shop erfolgen. Swisscom und Sunrise bieten dafür auch eine No-Upgrade-Website an, siehe Punkt 1 und 3. Wer die Frist verpasst, sollte nachträglich widersprechen und weiter den alten Rechnungsbetrag zahlen. Denn: «Aus Stillschweigen kann keine Zustimmung abgeleitet werden», schreibt der «Beobachter».
Insbesondere UPC hat solche kombinierten Preis-Leistungs-Steigerungen in den vergangenen Jahren perfektioniert. Das Unternehmen konnte so trotz Kundenschwund den Umsatz steigern. Sunrise und Swisscom machen es der Kabelnetzbetreiberin nun nach. Sie pressen die Zitrone aus, weil Schweizer Kunden sehr träge auf Preiserhöhungen reagieren.
Die Provider wissen, dass hierzulande so gut wie niemand wegen ein paar Franken mehr pro Monat den Anbieter wechseln wird. Die grossen Drei werden daher weiter in kleinen Schritten die Preise erhöhen. Wer diese automatischen Abo-Hochstufungen immer wieder akzeptiert, zahlt nach ein paar Jahren massiv mehr, als er ursprünglich für seinen Internet-Anschluss ausgeben wollte. Das Drehen an der Preisschraube hätte erst ein Ende, wenn der Bogen überspannt ist und es zu einer Abwanderungswelle zu den kleinen Providern kommt, die mehr Leistung für weniger Geld anbieten, aber eben kaum bekannt sind.