Das ist ein persönlicher Testbericht. Apple hat mir ein Viererpack AirTags zur Verfügung gestellt. Mitsamt Zubehör zum Zubehör, denn das braucht man, um die kleinen runden Dinger zum Beispiel an einem Koffer zu befestigen.
Ich habe die AirTags im Alltag getestet und dabei – unter Homeoffice-Bedingungen – versucht, die wichtigsten Nutzungs-, bzw. Einsatzgebiete abzudecken:
Wenn die Kalifornier in eine neue Produktkategorie einsteigen, treten sie mit dem Anspruch an, die gesamte Konkurrenz in den Schatten zu stellen. Dies schaffen sie häufig dank hoher Benutzerfreundlichkeit und mit dem Fokus auf Datenschutz und Privatsphäre. Nur: Wie soll ihnen das bei einem reinen Tracking-Tool gelingen?
An dieser Stelle das Fazit vorweg:
Die Details und alles Weitere im Review.
Apple ist Vorreiter und Innovationsführer, was benutzerfreundliche Sicherheitslösungen für alltägliche Produkte betrifft. Die Kalifornier haben den Fingerabdruck-Scanner im Home-Button massentauglich gemacht. Und sie haben mit der äusserst zuverlässigen Gesichtserkennung nachgelegt (auch wenn «Face ID» durch die Corona-Pandemie und das damit verbundene Maskentragen beeinträchtigt wurde).
Apple machte schon vor Jahren seine iPhones praktisch diebstahlsicher, indem die iCloud-Aktivierungssperre lanciert wurde. Fremde Geräte sind so praktisch nutzlos.
Auch die AirTags werden durch den gleichen raffinierten Sicherheitsmechanismus geschützt. Dritte können sie zwar stehlen, aber nicht selber in Betrieb nehmen.
Zuletzt hat Apple mit einer Anti-Tracking-Funktion für positive Schlagzeilen gesorgt. Die iPhone-Software iOS 14.5 macht es Nutzern noch einfacher, unerwünschtes Datensammeln durch Facebook und andere Datenkraken zu unterbinden.
Der Schutz der Privatsphäre ist längst ein wichtiges Verkaufsargument und auch ein Alleinstellungsmerkmal. Android, entwickelt vom Rivalen Google, ist viel datenhungriger.
Es gibt Techjournalisten, die haben die AirTags wochenlang ausprobiert und getestet, und erwähnen in ihrem Review mit keinem Wort das Offensichtliche: Stalking.
Jede Technologie, die frei verfügbar ist, kann missbräuchlich verwendet werden. Das ist selbstverständlich auch dem Hersteller Apple klar. Und so haben die Kalifornier den AirTags gewisse Anti-Stalking-Funktionen verpasst.
Nach Ablauf von drei (aufeinander folgenden) Tagen beginnt ein AirTag, der nicht mehr in Reichweite zu seinem Eigentümer, bzw. dessen iPhone ist, laut zu piepsen. So sollen mögliche Opfer gewarnt werden, denen unbemerkt (und in krimineller Absicht) ein AirTag zugesteckt wurde.
Beruhigend zu wissen: Das Bewegungsprofil eines AirTags ist nachträglich nicht nachvollziehbar und der Verlauf wird Apple zufolge nicht auf den eigenen Servern gespeichert.
Aber reicht das?
Die Antwort ist leider ein klares Nein, auch wenn die AirTags abgesehen davon ein wirklich sinnvolles Zubehör sind, das den Usern das Leben massiv erleichtert.
Dies gilt speziell für Betroffene, die ein Android-Smartphone mit sich führen, oder gar kein Handy haben. Das gilt allerdings auch für iPhone-User, wie sich herausstellte.
Ich habe es selber ausprobiert, indem ich meiner (vorab informierten!) Frau einen AirTag in der Handtasche versteckte. Eine iPhone-Userin, wohlgemerkt. Erst als sie am Abend nachhause zurückkehrte, bemerkte sie auf dem Display den Hinweis, dass sich ein fremder AirTag mit ihr bewegte.
Bei meinem heimlichen Überwachungsversuch konnte ich zwar nicht in Echtzeit sehen, wo die Gesuchte gerade mit dem Auto unterwegs war. Doch sobald sie etwas länger am gleichen Ort war, in bewohntem Gebiet, zeigt es dies an.
Es war ein einfacher, absolut unwissenschaftlicher Versuch. Der US-Journalist Geoffrey Fowler von der «Washington Post» ging der (ungewollten) Überwachung auf den Grund. Sein Fazit: Apples Tracker hätten es «erschreckend einfach» gemacht, ihn mehr oder weniger unbemerkt zu stalken.
Wie schlimm ist das?
Stalking ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat, die schwer zu beweisen und zu verhindern ist. Apple tut gut daran, die Anti-Stalking-Massnahmen zu verbessern. Es reicht nicht, dass ein AirTag nach 72 Stunden piepst, um ungewollt ausspionierte Opfer auf seine Präsenz hinzuweisen.
Unsere Tochter ist im Teenager-Alter und war freundlicherweise bereit, einen AirTag in ihrem Rucksack in die Schule mitzunehmen. Selbstverständlich war das Teil auf ihr iPhone registriert. Es ging mir ja nicht darum, das Mädchen zu überwachen. Ich wollte vielmehr herausfinden, ob der Apple-Tracker im Schulalltag für Aufregung sorgen würde.
Das auch aus Sicht meiner Tochter beruhigende Fazit: Niemand aus der Klasse meldete sich bei ihr, weil plötzlich auf dem eigenen Handy ein Warnhinweis auftauchte.
Das Verlieren des Rucksacks haben wir nicht durchgespielt. Es sei ein ziemlich beruhigendes Gefühl zu wissen, dass sie notfalls den Standort abrufen könne, meinte die Tochter. Allerdings fand ich am nächsten Morgen ihren AirTag auf dem Küchentisch, nachdem sie das Haus verlassen hatte. Trotz meiner Beteuerungen, dass ich sie mit einem auf ihr eigenes Mobilgerät registrierten AirTag nicht überwachen könne, war ihr das Ganze offensichtlich nicht ganz geheuer.
Ein anderes Familienmitglied sucht relativ regelmässig den eigenen Schlüsselbund. Da es sich um ein unverzichtbares Werkzeug handelt, das unter anderem den Zugang zu einem Primarschulhaus samt Schulzimmern gewährleistet, verliefen Schlüsselbund-Suchaktionen bislang relativ unharmonisch. Das hat sich dank eines AirTags komplett verbessert. Völlig entspannt wird nun im Notfall das iPhone gezückt und auf Knopfdruck ertönt im Haus ein Pfeifen/Zirpen. Oder wir finden mit Apples «Wo ist?»-App heraus, dass die Schlüssel nicht sehr weit entfernt sind. Zum Beispiel im Auto ...
In den eigenen vier Wänden lassen sich Gegenstände mit AirTag zuverlässig finden. Die Präzisionsortung über den Ultrabreitband-Chip U1 des iPhones funktioniert allerdings erst, wenn Funksignale nicht durch Mauern abgeschirmt werden. Im schlechtesten Fall muss man alle Zimmer durchlaufen, bis auf dem Display die Näherung angezeigt wird.
Wer im Flughafen bei der Gepäckausgabe am Förderband steht und wartet, bis der Koffer heranrollt, braucht starke Nerven. Man muss die Suchen-Funktion («In der Nähe») aktivieren und sich gedulden, bis der AirTag, bzw. das entsprechende Gepäckstück, näherkommt. Erst, wenn keine Mauern oder andere undurchdringbaren Hindernisse mehr bestehen zwischen dem iPhone und dem AirTag, kann man davon ausgehen, dass der Standort angezeigt wird.
AirTags gehören in aller Regel in eine Hülle. Diese Hülle ist allerdings nicht im Kaufpreis (siehe unten) enthalten.
Neben Apple bieten diverse Hersteller kostenpflichtiges Zubehör an, wobei die Schlüsselanhänger, Gepäckanhänger und anderen Befestigungsmechanismen aus Leder und Kunststoff bezüglich Verarbeitung und Robustheit variieren.
Wer auf Nummer sicher gehen will, kauft sich die vergleichsweise kostspieligen Hüllen, die Apples Qualitätskontrollen durchlaufen haben. Hingegen muss man bei Zubehör von Drittanbietern auf unschöne Überraschungen gefasst sein. Zudem kann sich die Lieferung verzögern, wie der Redaktor nach einer Online-Bestellung in Deutschland feststellte.
Die AirTags haben ab Werk keine Öffnung, bzw. Öse, sodass man sie nicht mit einer Schnur befestigen kann.
RTFM steht bekanntlich für Read The Fucking Manual. Leider habe ich genau dies nicht getan, als die Dinger per Kurier bei mir eintrafen. Resultat: Beim ungeduldigen ersten Öffnungsversuch mit einem Brotmesser (🙈) zerbrach ein kleines Plastikteil des Drehmechanismus im Gehäuse. Natürlich konnte ich nicht akzeptieren, Kunststoff-Elektroschrott (zum Einzel-Verkaufspreis von 35 Franken) verursacht zu haben. Der mit grauem Klebeband zusammengeflickte, und damit perfekt getarnte AirTag erhält nun eine zweite Chance, im Etui einer bestimmten Schülerin, die hier hoffentlich mitliest).
* Rw steht für Read watson.
Mein persönliches Fazit: Wer ein iPhone 11 oder iPhone 12 hat und einen zuverlässigen Schlüsselfinder sucht, kann bei den AirTags bedenkenlos zuschlagen. Auch als Rucksack-Anhängsel und bei anderen Gepäckstücken können die anonymen Apple-Tracker wertvolle Dienste leisten. Wunder sollte man nach einem Verlust keine erwarten, auch wenn weltweit rund eine Milliarde iPhones (!) bei der automatischen Suche via Bluetooth Low Energy und Internet behilflich sein kann. Letztlich entscheidet die Ehrlichkeit der Finder, ob vermisste Gegenstände zum Eigentümer zurückfinden.
IchfragefüreinenFreund
mafussen
Aber es gibt auf dem Markt viele andere Tracker/Tackingmöglichkeiten die keine oder deutlich weniger solche Vorkehrungen besitzen, respektive genau für ein unbemerktes Tracking entwickelt wurden.
fant
Oder habe ich da was völlig missverstanden?