Recherchen des Westschweizer Fernsehens (RTS) zeigen: Schweizer Strafverfolgungsbehörden verwenden israelische Überwachungssoftware «vom gleichen Typ wie Pegasus» – das ist die in Verruf geratene iPhone-Spyware.
Verschiedene Behörden setzten israelische Spyware ein, um bestimmte Ermittlungen durchzuführen, heisst es in einem am Mittwochabend ausgestrahlten TV-Bericht.
Die mögliche Ausspähung der Smartphones zahlreicher Staatschefs und Journalisten mit der NSO-Software Pegasus hatte kürzlich international für Aufsehen gesorgt.
Ob in der Schweiz Pegasus oder ein Konkurrenzprodukt eingesetzt wird, wollen die Verantwortlichen in den Kantonen und bei der Bundespolizei (Fedpol) nicht verraten.
Die Software werde «gezielt» eingesetzt zur Aufklärung schwerster Straftaten wie Mord, Vergewaltigung und Unterstützung terroristischer Organisationen, heisst es. Jeder Einsatz müsse von einem Staatsanwalt beantragt und von einem Gericht gutgeheissen werden.
2019 sei die Spyware in 12 Fällen eingesetzt worden und im Jahr 2020 kam sie in 13 Fällen zum Einsatz, so die Zahlen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD).
Die Waadtländer Staatsanwaltschaft habe 2019 den Spyware-Einsatz für einen Fall von Menschenhandel und für einen Drogenfall genehmigt, zeigten die Recherchen.
Dass auch die Schweiz israelische Spionage-Software nutze, sei kein Zufall, zitieren die RTS-Journalisten den Westschweizer IT-Sicherheitsexperten Nicolas Mayencourt. Israel sei weltweit führend auf diesem Markt.
Der Genfer Ständerat Carlo Sommaruga bezeichnet den Einsatz israelischer Spyware als «nicht ungefährlich», weil damit gewonnene Daten in falsche Hände fallen könnten.
Der SP-Politiker hatte sich laut RTS-Bericht bereits in einer 2019 eingereichten Anfrage über die Pegasus-Risiken besorgt gezeigt. Nun wolle er den Bundesrat bitten, schweizspezifische Software in öffentlicher Hand zu entwickeln oder an der Entstehung europäischer Software mitzuwirken.
2014 wurde publik, dass die israelische IT-Firma Verint der Schweiz ein neues Abhörsystem liefern werde. Die Weltmarktführerin in der elektronischen Überwachung sei niemand Geringeres als der privilegierte Partner des US-Geheimdienstes NSA, schrieb damals die Zeitung «Le Temps».
Pikant: 2018 wollte Verint offenbar die israelische NSO Group kaufen, die Entwicklerfirma der umstrittenen Pegasus-Spyware. Der Deal scheiterte gemäss Medienberichten.
Die NSO Group wurde wiederholt für den Verkauf der Pegasus-Spyware an Unrechtsstaaten kritisiert. Autoritäre Regimes lassen damit ihre Kritiker verfolgen. Die israelische Spionage-Software soll unter anderem auch bei der Ermordung des saudi-arabischen Journalisten und Regimekritikers Jamal Ahmad Khashoggi eine Rolle gespielt haben.
Pegasus nutzt heimlich Sicherheitslücken in Smartphone-Software wie Apples iOS, um weitreichenden Zugriff auf Daten zu erlangen. Ein internationales Journalistenkonsortium hatte zuletzt über einen Datensatz mit rund 50'000 Telefonnummern berichtet, die von NSO-Kunden als potenzielle Ausspähziele ausgewählt worden sein sollen. NSO wies die Vorwürfe zurück und bestritt einzelne Details aus den Berichten.
Der israelische Verteidigungsminister versicherte öffentlich, Israel erteile beim Cyber-Export nur Genehmigungen an Staaten, es sei auch nur der Einsatz im Kampf gegen Terrorismus und Verbrechen erlaubt.
Seit dem 1. März 2018 und dem Inkrafttreten der Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) dürfen Schweizer Ermittler in Strafverfahren sogenannte «Government Software» einsetzen, um in die Computer von Verdächtigen einzudringen. Solche Tools werden im Volksmund Staatstrojaner genannt.
Viel Vergnügen mit den offenen Hintertüren, die lieber ausgenutzt als gemeldet werden.