Journalisten des Online-Mediums «Vice» prangern nach einer aufwändigen Recherche zahlreiche Missstände an bei der populären Pornografie-Website xHamster.
Bei xHamster sollen «schlecht geschulte Löscharbeiter» illegale Inhalte aussortieren, wie etwa Darstellungen von Vergewaltigungen und Aufnahmen mit Minderjährigen. Doch dabei harzt es gewaltig, wie ein Undercover-Einsatz ergab.
Auf eine Medienanfrage von watson hin versucht ein Verantwortlicher, die Vorwürfe zu entkräften.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
Die «Vice»-Journalisten konnten die Überforderung der freiwilligen Löscharbeiter und die mangelhafte Unterstützung seitens Firma dank eines Undercover-Einsatzes dokumentieren. Es gelang ihnen, eine Person (Pseudonym: «Holger») in den sogenannten «Reviewers Club» einzuschleusen. Dabei zeigte sich eine beunruhigende Schwachstelle des Systems:
Die Eigentümer sind nicht namentlich bekannt.
Laut «Vice» ist xHamster die meistbesuchte Porno-Site Deutschlands. Im weltweiten Ranking der Top-Websites liegt sie derzeit auf Platz 22. Es gibt nur drei Porno-Sites, die noch mehr Besucher und Besucherinnen anlocken.
Wie viel Geld die xHamster-Betreiber mit kostenpflichtigen Premium-Accounts einnehmen, ist nicht bekannt. Hinzu kommen Einnahmen durch Werbeeinblendungen.
Auf xhamster.com wird die Briefkastenfirma Hammy Media Ltd mit Hauptsitz in Limassol, Zypern, als Betreiberin angegeben. Die 2007 gegründete Plattform zeigt laut Wikipedia-Beschrieb «kostenfrei pornografische Amateurvideos, Webcam-Models, pornografische Fotografie und Literatur». User können Profile anlegen und Inhalte hochladen. Im Rahmen von Anti-Pornografie-Kampagnen sei xHamster mehrmals von Regierungen verschiedener Länder gesperrt worden.
Gegenüber den «Vice»-Journalisten trat ein Vizepräsident der Firma namens Alex Hawkins in Erscheinung.
Internet-User können über Porno-Plattformen anonym und kostenlos Aufnahmen verbreiten, ohne direkt nachweisen zu müssen, dass die gezeigten Personen einverstanden sind. Die Gefahr sei hoch, dass dadurch ungehindert Aufnahmen von Vergewaltigungen und sexualisierter Gewalt verbreitet werden, rufen die «Vice»-Journalisten in Erinnerung. Dies betreffe auch Aufnahmen von Ex-Partnerinnen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, sogenannte Rachepornos.
In der EU werde derzeit an einem «Digital Services Act» gearbeitet, berichtet «Vice». Das Gesetzespaket solle die rechtlichen Verpflichtungen von Plattformen neu definieren. «Als Firma mit Sitz in Zypern wäre xHamster davon betroffen.»
In den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Grossbritannien gebe es bereits eine Art Meldepflicht für die Betreiber von Online-Plattformen: Es handelt sich jedoch nur um eine Art freiwillige Selbstverpflichtung, an der sich auch Digitalkonzerne wie Google und Facebook beteiligen. «Die Konzerne melden Behörden Aufnahmen mit Verdacht auf sexualisierte Gewalt an Kindern und veröffentlichen Berichte über ihre Bemühungen im Kampf gegen diese Aufnahmen.»
Die deutsche Politikerin Anke Domscheit-Berg fordert eine Beweisumkehr, um Opfer zu schützen: Wenn bei einem beanstandeten Inhalt der Beweis der Legalität nicht erbracht werden könne, sei der Inhalt im Zweifelsfall zu löschen.
Fragwürdige Websites nicht nutzen. Und wer beim Surfen auf problematische, vielleicht sogar illegale pornografische Inhalte stösst, sollte diese umgehend dem Webseiten-Betreiber melden. In klaren Fällen (siehe: Was ist verboten) sollte man online eine Meldung an die Bundespolizei machen.
Wer in der Schweiz sexualisierte Gewalt erlebt hat, findet bei der Frauenberatung Links zu Beratungsstellen. Betroffene Männer erhalten Hilfe in einem Männerhaus, wie sie der Verein Zwüschehalt in mehreren Städten betreibt.
Die Schweizer Bundespolizei schreibt:
Die Spezialistinnen und Spezialisten des Fedpol benötigen Angaben in schriftlicher Form, um Fälle «rasch prüfen und bearbeiten zu können». Je nach Fall würden die zuständigen kantonalen Strafverfolgungsbehörden informiert.
Hier gehts zum Online-Meldeformular.
Auf einen umfangreichen Fragenkatalog per E-Mail habe das Unternehmen mit knappen, allgemeinen Statements reagiert, kritisieren die «Vice»-Journalisten. Probleme im Regelwerk der Löscharbeiter würden nicht kommentiert. «Auch nicht, als wir noch einmal nachhakten und der Firma weitere 24 Stunden Zeit für eine ausführlichere Antwort anboten.»
Der Sprecher begründete die Verschwiegenheit damit, man wolle «potenziellen Tätern keine Einblicke geben, wie sie die Systeme von xHamster umgehen könnten». Und er versicherte, es existierten «Kontrollen und Überprüfungen».
Wie etwa Facebook oder Instagram stellt man sich auf den Standpunkt, auf Rückmeldungen von Usern angewiesen zu sein. Wenn etwas gegen die xHamster-Nutzungsbedingungen verstosse, werde es entfernt. Das bezahlte Support-Team von xHamster sei dafür den ganzen Tag verfügbar.
Es sei nicht ungewöhnlich, dass Online-Plattformen auch auf die Mitarbeit von Freiwilligen setzen, hält «Vice» fest. Das tue auch YouTube für die Moderation unerlaubter Videos.
watson hat xHamster um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ersucht. Alex Hawkins, Vice President, schreibt:
Der xHamster-Verantwortliche versichert, das Unternehmen nehme die Rechte derer, die die Plattform nutzen, ernst. Es werde schnell reagiert auf jeden, der darum bitte, «dass seine Inhalte entfernt werden», und man verbanne Akteure, die wiederholt versuchten, unangemessene Inhalte hochzuladen. «Wir arbeiten mit Strafverfolgungsbehörden und grossen Branchenprogrammen zusammen, um zu verhindern, dass illegale Inhalte überhaupt hochgeladen werden.»
Solange man Plattformen nicht unter eine publizistische Verantwortung stellt, wie das bei Zeitungen schon lange Usus ist, wird ausser periodischem moralischem Fingerzeigen nichts passieren.
Da ändert auch dieser Artikel nichts.