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Inside xHamster: Porno-Plattform nach Recherchen in der Kritik

Undercover-Recherche bei einer der weltgrössten Porno-Plattformen zeigt Beunruhigendes

Hinter den Kulissen der populären Amateur-Porno-Plattform xHamster bestehen laut «Vice»-Recherchen «drastische Versäumnisse im Kampf gegen sexualisierte Gewalt». Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten.
29.10.2020, 19:0930.10.2020, 07:01
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Journalisten des Online-Mediums «Vice» prangern nach einer aufwändigen Recherche zahlreiche Missstände an bei der populären Pornografie-Website xHamster.

Bei xHamster sollen «schlecht geschulte Löscharbeiter» illegale Inhalte aussortieren, wie etwa Darstellungen von Vergewaltigungen und Aufnahmen mit Minderjährigen. Doch dabei harzt es gewaltig, wie ein Undercover-Einsatz ergab.

Auf eine Medienanfrage von watson hin versucht ein Verantwortlicher, die Vorwürfe zu entkräften.

Was läuft schief?

Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Neben bezahlten Mitarbeitern überprüfe ein Team von freiwilligen xHamster-Usern Unmengen von neuen Foto-Uploads. Allerdings erhielten die Mitglieder des «Reviewers Club» nur sehr begrenzte Möglichkeiten, «um ein Foto tatsächlich entfernen zu lassen – oder um zu überprüfen, ob ein Uploader ein Foto wirklich hochladen darf».
  • Videos überprüften die Löscharbeiter gemäss «Vice»-Recherchen «inzwischen nicht mehr». Warum das so sei und wie genau xHamster stattdessen Videos überprüfe, wollte die Firma auf Anfrage nicht beantworten.
  • Das Unternehmen stelle den Löscharbeitern nur ein lückenhaftes Regelwerk zur Verfügung, so dass Opfer von sexualisierter Gewalt nur mangelhaft geschützt seien.
  • Ihre Arbeit verrichten die Löscharbeiter anonym mit ihren privaten xHamster-Accounts. Nicht einmal xHamster wisse, wie diese Personen alle wirklich heissen.
  • Es mangelt an staatlicher Kontrolle: Die Porno-Plattform muss laut «Vice» keine detaillierte Rechenschaft darüber ablegen, wie gut sie Opfer von sexualisierter Gewalt schütze oder wie viele illegale Uploads sie entferne.
«Ich bin süchtig nach Pornos und Sex und ich wollte etwas Neues erleben.»
xHamster-Moderator

Die «Vice»-Journalisten konnten die Überforderung der freiwilligen Löscharbeiter und die mangelhafte Unterstützung seitens Firma dank eines Undercover-Einsatzes dokumentieren. Es gelang ihnen, eine Person (Pseudonym: «Holger») in den sogenannten «Reviewers Club» einzuschleusen. Dabei zeigte sich eine beunruhigende Schwachstelle des Systems:

«xHamster fordert seine Löscharbeiter ausdrücklich auf, selbst solche Inhalte durchzuwinken, an deren Rechtmässigkeit sie erhebliche Zweifel haben, sofern sie sich nicht zu 100 Prozent sicher sind, dass sie gegen die Regeln von xHamster verstossen. Diese Regeln bieten aber keinen umfassenden Schutz vor sexualisierter und digitaler Gewalt auf der Plattform.»

Wer steckt hinter xHamster?

Die Eigentümer sind nicht namentlich bekannt.

Laut «Vice» ist xHamster die meistbesuchte Porno-Site Deutschlands. Im weltweiten Ranking der Top-Websites liegt sie derzeit auf Platz 22. Es gibt nur drei Porno-Sites, die noch mehr Besucher und Besucherinnen anlocken.

Wie viel Geld die xHamster-Betreiber mit kostenpflichtigen Premium-Accounts einnehmen, ist nicht bekannt. Hinzu kommen Einnahmen durch Werbeeinblendungen.

Auf xhamster.com wird die Briefkastenfirma Hammy Media Ltd mit Hauptsitz in Limassol, Zypern, als Betreiberin angegeben. Die 2007 gegründete Plattform zeigt laut Wikipedia-Beschrieb «kostenfrei pornografische Amateurvideos, Webcam-Models, pornografische Fotografie und Literatur». User können Profile anlegen und Inhalte hochladen. Im Rahmen von Anti-Pornografie-Kampagnen sei xHamster mehrmals von Regierungen verschiedener Länder gesperrt worden.

Gegenüber den «Vice»-Journalisten trat ein Vizepräsident der Firma namens Alex Hawkins in Erscheinung.

Was muss sich ändern?

Internet-User können über Porno-Plattformen anonym und kostenlos Aufnahmen verbreiten, ohne direkt nachweisen zu müssen, dass die gezeigten Personen einverstanden sind. Die Gefahr sei hoch, dass dadurch ungehindert Aufnahmen von Vergewaltigungen und sexualisierter Gewalt verbreitet werden, rufen die «Vice»-Journalisten in Erinnerung. Dies betreffe auch Aufnahmen von Ex-Partnerinnen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, sogenannte Rachepornos.

In der EU werde derzeit an einem «Digital Services Act» gearbeitet, berichtet «Vice». Das Gesetzespaket solle die rechtlichen Verpflichtungen von Plattformen neu definieren. «Als Firma mit Sitz in Zypern wäre xHamster davon betroffen.»

In den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Grossbritannien gebe es bereits eine Art Meldepflicht für die Betreiber von Online-Plattformen: Es handelt sich jedoch nur um eine Art freiwillige Selbstverpflichtung, an der sich auch Digitalkonzerne wie Google und Facebook beteiligen. «Die Konzerne melden Behörden Aufnahmen mit Verdacht auf sexualisierte Gewalt an Kindern und veröffentlichen Berichte über ihre Bemühungen im Kampf gegen diese Aufnahmen.»

Die deutsche Politikerin Anke Domscheit-Berg fordert eine Beweisumkehr, um Opfer zu schützen: Wenn bei einem beanstandeten Inhalt der Beweis der Legalität nicht erbracht werden könne, sei der Inhalt im Zweifelsfall zu löschen.

Was sollen User tun?

Fragwürdige Websites nicht nutzen. Und wer beim Surfen auf problematische, vielleicht sogar illegale pornografische Inhalte stösst, sollte diese umgehend dem Webseiten-Betreiber melden. In klaren Fällen (siehe: Was ist verboten) sollte man online eine Meldung an die Bundespolizei machen.

Wer hilft Opfern?

Wer in der Schweiz sexualisierte Gewalt erlebt hat, findet bei der Frauenberatung Links zu Beratungsstellen. Betroffene Männer erhalten Hilfe in einem Männerhaus, wie sie der Verein Zwüschehalt in mehreren Städten betreibt.

Trotz einzelner Ergänzungen sei das Regelwerk von xHamster äusserst knapp und lückenhaft, kritisiert «Vice». Löscharbeiter können damit Minderjährige und andere Opfer von sexualisierter und digitaler  ...
Trotz einzelner Ergänzungen sei das Regelwerk von xHamster äusserst knapp und lückenhaft, kritisiert «Vice». Löscharbeiter können damit Minderjährige und andere Opfer von sexualisierter und digitaler Gewalt nur unzureichend schützen. Die Firma versucht zu beschwichtigen.screenshot: vice.com

Was ist verboten?

Die Schweizer Bundespolizei schreibt:

«Unter verbotener Pornografie versteht man Darstellungen, die sexuelle Handlungen mit Kindern, Tieren oder Gewaltanwendung zum Inhalt haben.»
Bundespolizei Fedpol

Die Spezialistinnen und Spezialisten des Fedpol benötigen Angaben in schriftlicher Form, um Fälle «rasch prüfen und bearbeiten zu können». Je nach Fall würden die zuständigen kantonalen Strafverfolgungsbehörden informiert.

Hier gehts zum Online-Meldeformular.

Wie reagiert die Betreiberfirma?

Auf einen umfangreichen Fragenkatalog per E-Mail habe das Unternehmen mit knappen, allgemeinen Statements reagiert, kritisieren die «Vice»-Journalisten. Probleme im Regelwerk der Löscharbeiter würden nicht kommentiert. «Auch nicht, als wir noch einmal nachhakten und der Firma weitere 24 Stunden Zeit für eine ausführlichere Antwort anboten.»

«Wir können aus einer Reihe von Gründen (Sicherheit, technische Gründe) nicht auf Einzelheiten unserer internen Überprüfung eingehen.»
Alex Hawkins, Vice President xHamster

Der Sprecher begründete die Verschwiegenheit damit, man wolle «potenziellen Tätern keine Einblicke geben, wie sie die Systeme von xHamster umgehen könnten». Und er versicherte, es existierten «Kontrollen und Überprüfungen».

Wie etwa Facebook oder Instagram stellt man sich auf den Standpunkt, auf Rückmeldungen von Usern angewiesen zu sein. Wenn etwas gegen die xHamster-Nutzungsbedingungen verstosse, werde es entfernt. Das bezahlte Support-Team von xHamster sei dafür den ganzen Tag verfügbar.

Es sei nicht ungewöhnlich, dass Online-Plattformen auch auf die Mitarbeit von Freiwilligen setzen, hält «Vice» fest. Das tue auch YouTube für die Moderation unerlaubter Videos.

watson hat xHamster um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ersucht. Alex Hawkins, Vice President, schreibt:

«Wenn überhaupt, dann ist der Reviewers Club (RC) nur ein winziger Teil des Prozesses zum Entfernen von Inhalten von der Plattform. Um es in die richtige Perspektive zu rücken: Die xHamster-interne Moderation und Unterstützung macht über 99% aller stattfindenden Moderationen aus, wobei das RC knapp 1% ausmacht.

Freiwillige helfen zwar, unangemessene Inhalte von der Website fernzuhalten, aber wir verlassen uns nicht darauf, dass sie wichtige Entscheidungen treffen. Sie können, wie jeder Besucher der Website, einen Inhalt zur Überprüfung markieren.

Wichtige – und anfängliche – Entscheidungen wurden und werden nur vom internen xHamster-Team getroffen, ebenso wie von unserem eigenen KI-Programm für maschinelles Lernen, das dabei hilft, unangemessene Inhalte zu entfernen und das erneute Hochladen von Inhalten zu blockieren.»

Der xHamster-Verantwortliche versichert, das Unternehmen nehme die Rechte derer, die die Plattform nutzen, ernst. Es werde schnell reagiert auf jeden, der darum bitte, «dass seine Inhalte entfernt werden», und man verbanne Akteure, die wiederholt versuchten, unangemessene Inhalte hochzuladen. «Wir arbeiten mit Strafverfolgungsbehörden und grossen Branchenprogrammen zusammen, um zu verhindern, dass illegale Inhalte überhaupt hochgeladen werden.»

Quellen

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Glenn Quagmire
29.10.2020 19:23registriert Juli 2015
8h pro Tag Pornos schauen und teilweise illegale löschen...Wie wohl der Stellenbeschrieb im Inserat war?
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Amarillo
29.10.2020 19:34registriert Mai 2020
Gibt es Informationen, wie viele Videos da hochgeladen sind, welche eigentlich gelöscht werden müssten? Wenn die Kontrollen derart schlecht sind bei diesem Portal, müsste die aufwendig erscheinende Recherche ja etwas zu Tage gefördert haben. Nicht zu vergessen, dass sich polizeiliche Ermittler auch auf diesem Portal einloggen, um Spuren zu verfolgen. Es werden im Artikel zwar viele Informationen geliefert, wer wo Hilfe erhält, und welche Gesetze wo gelten, aber ausser dem Vorwurf der ungenügenden Kontrollen ist nicht gerade viel wirklich verwertbares gegen das Portal im Bericht enthalten.
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RicoH
29.10.2020 19:57registriert Mai 2019
Es ist immer das gleiche Thema.
Solange man Plattformen nicht unter eine publizistische Verantwortung stellt, wie das bei Zeitungen schon lange Usus ist, wird ausser periodischem moralischem Fingerzeigen nichts passieren.
Da ändert auch dieser Artikel nichts.
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