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Vibely unter Verdacht: Schweizer Online-Shop liefert Waren nicht

Schweizer Online-Shop unter Verdacht – Twint schreitet ein

Nie war es einfacher, einen professionell wirkenden Online-Shop in Betrieb zu nehmen. Doch der Fall von Vibely.ch zeigt, dass für die Nutzerinnen und Nutzer grösste Vorsicht geboten ist.
14.03.2024, 17:1618.03.2024, 13:58
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Die Website sieht einladend und ziemlich professionell aus, doch hinter der glänzenden Fassade des Schweizer Online-Shops läuft einiges schief. Kundinnen und Kunden warten seit Wochen oder Monaten auf bestellte Ware.

Was können Betroffene tun? Und wie lässt sich verhindern, dass noch mehr Leute ihr hart verdientes Geld verlieren?

watson hat nachgeforscht und erklärt, was das Problem hinter dem sogenannten Dropshipping-Business ist.

Screenshot der Website vibely.ch (11. März 2024).
Hereinspaziert zum angeblich sicheren Online-Shopping-Vergnügen.Bild: watson

Was ist passiert?

Recherchen von watson zeigen, dass Kundinnen und Kunden ihre im Schweizer Online-Shop Vibely.ch bestellten und bezahlten Produkte nicht erhalten. Und die Verantwortlichen reagieren nicht oder nur ausweichend auf Reklamationen.

Eine betroffene Kundin schildert:

«Ich habe die Website wirklich lange angeschaut und sogar die Reviews wirken täuschend echt. Es kam auch eine Lieferbestätigung und alles und wenn man reklamiert, schreibt einem ein nettes Fräulein namens Laura Bosshard, dass sie sich sofort um mein Anliegen kümmern werde. Erst, nachdem ich 3 Wochen nichts mehr gehört hatte, bin ich stutzig geworden. Auf Trustpilot wird vor der Fake-Seite gewarnt. Ja, bravo. Gestern habe ich dem Fräulein nochmals geschrieben und jetzt antwortet nur noch eine automatische Mail.»

Beim bekannten Internet-Bewertungsportal Trustpilot häuften sich tatsächlich die schlechten Bewertungen. Und die geschilderten Probleme zeichnen ein deutliches Bild.

Negative Bewertung von vibely.ch. Screenshot: ch.trustpilot.com
Negative Bewertung von vibely.ch. Screenshot: ch.trustpilot.com
screenshots: ch.trustpilot.com

Auf der Vibely-Website gibt es zwar ein Impressum, jedoch keine Telefonnummer oder Online-Chat.

watson wollte die Verantwortlichen mit den massiven Vorwürfen konfrontieren, doch sie reagierten nicht auf mehrere per E-Mail zugestellte Medienanfragen.

Screenshot: vibely.ch
Auf Vibely.ch wird im Impressum auf einen «Handelsregisterauszug» Bezug genommen.screenshot: watson
Screenshot: Zentraler Firmenindex, kein Treffer zu vibely.ch.
Vibely.ch taucht nicht im Handelsregister auf. Wer steht dahinter?screenshot: watson
Insider-Informationen?
watson-Redaktor Daniel Schurter ist über die verschlüsselte Schweizer Messenger-App Threema auch anonym zu erreichen. Seine «Threema ID» lautet: ACYMFHZX. Oder du schreibst an daniel.schurter [at] protonmail.com. Wer sich beim Schweizer Secure-Mail-Anbieter (kostenlos) registriert, kann verschlüsselte Mails verschicken.

Wie reagiert Twint?

Vibely.ch weist Besucherinnen und Besucher der Website an prominenter Stelle darauf hin, dass sie ihre Einkäufe mit Twint «sicher bezahlen» können. Doch damit ist Schluss.

Das Schweizer Fintech-Unternehmen hat auf einen Hinweis von watson reagiert und die Anbindung des eigenen Bezahldienstes an den Online-Shop gestoppt.

Twint-Mediensprecherin Demet Biçer erklärt:

«Jeder Shop, der Twint als Zahlungsmittel anbieten will, wird identifiziert und muss dann einen Prüfprozess durchschreiten, wozu Unterlagen eingereicht werden. Bei auffälligen Kundenbeschwerden zu einem Händler können zusätzliche Prüfungen und Abklärungen eingeleitet werden. Wenn Unstimmigkeiten bestehen oder der Verdacht auf Betrug aufkommt, kann der entsprechende Shop gesperrt werden.»

Bei Vibely habe man eine erhöhte Zahl an Kunden-Rückfragen festgestellt, die umgehend an den Betreiber des Online-Shops weitergeleitet worden seien. «Da aber noch nicht alle Anfragen abschliessend beantwortet wurden, haben wir die Anbindung zum Online-Shop temporär blockiert.»

Was ist das Problem beim Dropshipping?

Die Fachleute der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) befassen sich regelmässig mit Fragen rund um das Online-Shopping. Vibely.ch wirke «auf den ersten Blick wie ein Dropshipping-Shop», sagt die Juristin Daniela Mauchle, Leiterin Recht beim SKS, und erklärt:

«Solche Shops, bei denen Anbieter Artikel von asiatischen Händlern wie AliExpress zu überhöhten Preisen weiterverkaufen, beobachten wir in letzter Zeit vermehrt. Zu diesem konkreten Shop haben wir bisher aber noch keine Meldungen erhalten.»

Für Dropshipping-Shops seien auch lange Lieferfristen typisch, diese könnten oft mehrere Wochen betragen, da das Produkt zuerst von China in die Schweiz (direkt an die Konsumentinnen und Konsumenten) geliefert werden müsse.

Tatsächlich basiert der Online-Shop von Vibely.ch auf der kommerziellen Online-Shopping-Plattform Shopify. Das kanadische Unternehmen ermöglicht Kleinunternehmern, aber auch grösseren und grossen Firmen, die für das Online-Geschäft erforderliche Logistik auszulagern.

«Dropshipping ist ein risikoarmer Weg, um mit dem Verkauf im Internet zu beginnen.»
Werbeversprechen von Shopify

Aus der Branche ist zu hören, dass Dropshipping zu den Geschäftsmodellen gehört, bei denen es zu erhöhten Vorfällen kommen könne. Viel häufiger als Betrug sei aber die mangelnde Professionalität der Betreiber das Problem. Sprich: Dank Shopify und Co. lässt sich mit relativ wenig Aufwand ein seriös wirkender Online-Shop erstellen, doch eine zuverlässige Abwicklung der Verkäufe ist nicht garantiert.

watson wollte von Shopify wissen, wie das Unternehmen gegen betrügerische Online-Shops vorgeht. Eine entsprechende Anfrage ist bislang nicht beantwortet worden.

Was können Betroffene tun, wenn bestellte Ware nicht geliefert wird?

«Sobald die bestellende Person erkennt, dass sie bei einem betrügerischen Online-Shop etwas bestellt hat, raten wir je nach Zahlungsmittel zur Kontaktaufnahme mit der Kreditkartenfirma oder mit Twint.»
Daniela Mauchle, SKS

Twint empfiehlt betroffenen Kundinnen und Kunden ein mehrstufiges Vorgehen: Zunächst müsse man sich an den jeweiligen Händler wenden. Falls keine Lösung des Problems erreicht werde, solle man sich an den Twint-Kundendienst des eigenen Finanzinstituts wenden.

Wenn keine Lieferung erfolgt und das Geld vom Verkäufer nicht zurückerstattet wird, sind laut Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) rechtliche Schritte möglich:

  • Betreibung einleiten – aber nur, wenn der Verkäufer Vermögenswerte in der Schweiz besitze.
  • Anzeige wegen unlauterem Wettbewerb erstatten. Das sei auch möglich, wenn der Händler nicht in Betrugsabsicht gehandelt habe.
Bei Verdacht auf einen betrügerischen Onlineshop können sich Konsumentinnen und Konsumenten gerne beim Konsumentenschutz melden. Zudem können sie den Onlineshop über die Webseite www.cybercrimepolice.ch der Kantonspolizei Zürich melden.

watson hat bei Twint nachgefragt, um herauszufinden, ob der oder die Betreiber von Vibely.ch, die uns namentlich nicht bekannt sind, juristisch zur Verantwortung gezogen werden können. Mediensprecherin Demet Biçer erklärt:

  • Twint verifiziere die Angaben zur Firma und den angegebenen Geschäftszweig und überprüfe die eingereichten Bankdokumente. Bei Websites werde zudem die angegebene URL und das geführte Impressum verifiziert.
  • Händler würden nach der Registrierung bei Twint jeweils mittels Handelsregister-Auszug und/oder Bankdokumenten überprüft. Ein Eintrag im Handelsregister sei für eine Registrierung aber «nicht in jeder Konstellation Pflicht (z. B. bei Vereinen oder Einzelunternehmen)».
  • Twint kenne die Personalien der Verantwortlichen von Vibely.ch.
  • Im Rahmen von Strafverfahren könne die zuständige Staatsanwaltschaft eine «Editionsverfügung» erlassen, die die Twint AG zur Herausgabe der entsprechenden Informationen und Daten verpflichte.

PS: Du überlegst, ins Dropshipping-Business einzusteigen? SRF hat schon kritisch darüber berichtet

Und jetzt du!

Welche negativen Erfahrungen hast du mit Online-Shops und speziell mit sogenanntem Dropshipping gemacht? Und wie konntest du das Problem schliesslich lösen?

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Quellen

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117 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Stadt Luzerner
14.03.2024 11:40registriert Oktober 2021
Wieder mal ein Fall von Täterschutz. Anzeigen erstatten und dann die Personen kontaktieren. Solange die sich sperren, den Shop dicht machen.
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Gantii
14.03.2024 11:35registriert Februar 2015
Bei solchen Diensten nur mit Kreditkarte bezahlen, dann kriegt man das Geld auch zurück, wenn die Ware nicht kommt.
Twint kümmert sich kaum, ist ja nicht ihr Geld.
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Desert Rose
14.03.2024 12:05registriert Juni 2021
Mir ist ohnehin unverständlich, dass man Ware über eine Dropshipping-Plattform kauft. Wenn jemand unbedingt chinesischen Ramsch will, kann er das billiger direkt bei Temu, Shein etc. haben.
Oder sehe ich das falsch?
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