Aus Protest gegen den Umgang von Facebook mit Hasskommentaren und abwertenden Inhalten in seinen Diensten haben sich mittlerweile dutzende Unternehmen einem Aufruf zum Werbeboykott angeschlossen.
Die von Bürgerrechtsorganisationen Mitte Juni ins Leben gerufene Initiative #StopHateForProfit führte auf ihrer Webseite am Sonntag in einer Liste gut 90 Unternehmen, die ihre Werbung auf Facebook in den USA erst einmal stoppen.
Einige Unternehmen wollen diese Massnahme laut Ankündigungen auch auf die Facebook-Tochter Instagram sowie auf Twitter ausweiten.
Die britischen Royals Prinz Harry und Herzogin Meghan versuchen laut einem Medienbericht, die Chefs zahlreicher weiterer Unternehmen zu ermutigen, aktuell keine Werbung mehr bei Facebook und seinen Tochterfirmen zu schalten.
Derweil will Facebook nun plötzlich doch stärker gegen Hassbotschaften und Falschmeldungen vorgehen, wie der Gründer und Chef Mark Zuckerberg versprochen hat.
Als grosse Namen kamen seit Freitag unter anderem der Konsumgüterriese Unilever und der Autobauer Honda dazu. Der Getränkeriese Coca Cola kündigte ebenfalls an, für mindestens 30 Tage auf allen sozialen Plattformen weltweit seine Werbung auszusetzen. Er schliesse sich aber nicht dem Boykott an, betonten Sprecher in diversen US-Medien. Auch die Kaffeehauskette Starbucks kündigte am Sonntag an, jegliche Werbung in sozialen Netzwerken bis auf Weiteres pausieren zu wollen.
We need a break @facebook. Effective immediately, we will be halting our global advertising with @Facebook & @Instagram until at least the end of July in support of the #stophateforprofit campaign & donating those dollars towards building more inclusive outdoors.
— Arc'teryx (@Arcteryx) June 23, 2020
«Es gibt keinen Platz für Rassismus in der Welt und keinen in den Sozialen Medien», sagte Coca-Cola-Konzernchef James Quincey in einer Mitteilung. Während der Werbepause will das Unternehmen nun seine Werbestrategien überprüfen und festlegen, ob Änderungen nötig sind. «Wir erwarten auch mehr Verantwortlichkeit und mehr Transparenz von unseren Social-Media-Partnern», betonte er.
Hershey, einer der weltweit führenden Schokoladenproduzenten, bestätigte der Zeitung «USA Today» am Freitag, sich dem Boykottaufruf anzuschliessen und im Juli keine Anzeigen zu schalten. Zudem wolle das Unternehmen seine Ausgaben für Facebook und die Tochter Instagram für den Rest des Jahres um ein Drittel kürzen.
Die Browser-Entwicklerfirma Mozilla hat seit mehreren Jahren nicht mehr auf Facebook oder Instagram geworben, aber nun hat das Unternehmen eine Botschaft der Unterstützung veröffentlicht für die #StopHateForProfit-Initiative.
Die US-Protestwelle gegen Rassismus und Polizeigewalt im Zuge des Todes des Afroamerikaners George Floyd hatte die Kritik an Facebook wieder aufflammen lassen, zu nachlässig mit kontroversen Beiträgen umzugehen. Dazu trug auch Konzernchef Zuckerberg wesentlich bei, der sich weigerte, gegen umstrittene Aussagen von US-Präsident Donald Trump einzuschreiten. Dafür gab es sogar Kritik von eigenen Mitarbeitern. Mit dem Aufruf von #StopHateForProfit zum Werbeboykott soll der Konzern an einer empfindlichen Stelle getroffen werden – Facebook macht fast seinen ganzen Umsatz mit Werbeerlösen.
Allein bei Coca Cola habe der Werbeetat in den USA 2019 geschätzte 22 Millionen Dollar (knapp 21 Millionen Euro) ausgemacht, berichtete die «New York Times» mit Verweis auf Daten des Branchenanalysten Pathmatics. Bei Unilever seien es rund 42 Millionen Dollar gewesen.
Die Aktien von Facebook und auch Twitter gerieten am Freitag mit dem sich ausweitenden Boykott stark unter Druck. Facebook verlor gut 8 Prozent, was der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge einem Wertverlust von 56 Milliarden Doller (etwa 53 Milliarden Euro) entsprach. Zuckerberg habe damit 7 Milliarden Dollar seines Privatvermögens eingebüsst.
Wohl unter dem wachsenden Druck kündigte Zuckerberg am Freitag in einem Livestream an, künftig stärker gegen Hassnachrichten vorzugehen, Falschmeldungen unmittelbar vor der US-Präsidentenwahl zu löschen sowie die Standards für Werbung zu erhöhen. «Ich stehe gegen Hass und alles, was zu Gewalt anstachelt», sagte Zuckerberg am Firmensitz in Palo Alto, in dem er die geplanten Massnahmen seines Unternehmens ankündigte.
Ausserdem sollen auch in der Werbung abwertende und hasserfüllte Botschaften bezüglich ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder sexueller Vorlieben blockiert werden, wie Zuckerberg weiter sagte.
Zudem sollen einige Facebook-Inhalte, die eigentlich gegen die Richtlinien des sozialen Netzwerks verstossen, aber zum Beispiel aufgrund eines prominenten Absenders nachrichtenrelevant sind, künftig mit Hinweisen flankiert werden. Dies dürfte insbesondere auch Donald Trump betreffen, Facebook-Konkurrent Twitter hat schon vor Wochen damit begonnen, Tweets mit einer Warnung zu kennzeichnen.
Zahlreiche Kommentatoren im Internet glauben ihm nicht.
Einige Unternehmen äusserten Medienberichten zufolge Zweifel daran. «Wir glauben nicht, dass Facebook gewalttätige und spalterische Reden auf seinen Plattformen effizient verwalten wird», schrieb Hershey in einer von der US-Zeitung «USA Today» zitierten Erklärung. «Trotz wiederholter Zusicherungen von Facebook, Massnahmen zu ergreifen, haben wir keine bedeutsamen Veränderungen gesehen.»
Honda teilte mit, im Juli keine Anzeigen mehr bei Facebook und Instagram zu platzieren, um ein Zeichen gegen «Hass und Rassismus» zu setzen.
Ja, zumindest ein bisschen.
Unilever will sogar das gesamte restliche Jahr auf bezahlte Werbung verzichten – nicht nur bei Facebook, sondern auch bei Twitter. Der Kurznachrichtendienst, auf dem Trump mit Vorliebe seine häufig umstrittenen Botschaften veröffentlicht, steht ebenfalls schon länger in der Kritik. Der niederländisch-britische Konzern will sein US-Werbebudget nicht kürzen, sondern auf andere Unternehmen umverteilen.
Zuvor hatten sich bereits etliche andere Unternehmen, darunter der US-Mobilfunk-Gigant Verizon und die bekannten Outdoor-Marken The North Face und Patagonia der Initiative #StopHateForProfit angeschlossen.
Unilever – dessen Eiscreme-Marke Ben & Jerry's ebenfalls schon mit dabei war – geht nun aber noch einen Schritt weiter – denn eigentlich ging es bei der Aktion zunächst nur um einen Werbe-Boykott im Juli.
We have taken the decision to stop advertising on @Facebook, @Instagram & @Twitter in the US.
— Unilever #StaySafe (@Unilever) June 26, 2020
The polarized atmosphere places an increased responsibility on brands to build a trusted & safe digital ecosystem. Our action starts now until the end of 2020.https://t.co/flHhKid6jD pic.twitter.com/QdzbH2k3wx
(dsc/sda/dpa)
Für Blogger, YouTuber und Influenzer wird es ungemütlich werden.