So absurd (und zutreffend! 😱) stellte man sich 1972 die Zukunft vor
So beginnt die ZDF-Sendung «Vorschau auf die Welt von morgen.»
Gedreht wurde sie 1972 ...
Ich kann mich der Empfehlung der österreichischen Kollegen von derstandard.at anschliessen: Das Anschauen (in einer ruhigen halben Stunde) lohnt sich wirklich! Dank YouTube ist die Doku für die Nachwelt verfügbar geblieben und verstaubt nicht einfach als Filmrolle in einem Fernseharchiv.
Die TV-Doku ermöglicht eine faszinierende Zeitreise, um zu sehen, wie man sich Anfang der 70er-Jahre die Zukunft vorstellte. Das war noch vor dem PC, und lange vor dem Internet! Die Apple Computer Inc. war nicht gegründet, und die beiden Google-Gründer schlummerten noch im Bauch ihrer Mütter ...
Die für damalige Verhältnisse wohl ziemlich revolutionäre Sendung beleuchtete auch drängende gesellschaftliche Fragen, die man sich heute mehr denn je stellt – von der Luftverschmutzung bis zur Verteilung des Vermögens.
Krasse Prognosen
Ein paar krasse Vorhersagen, die die TV-Macher in ihrer Sendung wagen (Achtung, Spoiler!):
- Der Protagonist des Films, Herr B., «arbeitet in einer Datenbank». Das ist ein übermächtiges Unternehmen, das alles Weltwissen speichert und an Dritte verkauft.
- Herr B. hat eine 25-Stunden-Woche und kann sich auf die Pensionierung mit 50 Jahren freuen.
- Wobei: Es droht die grosse Langeweile, abgesehen vom Fernsehen auf einem riesigen Wandbildschirm. Dagegen hilft ein Medikament namens «Optimum 10».
- Er verbringt sehr viel Zeit vor dem grossen Bildschirm in seiner Wohnung. «Man kann rund um die Uhr fernsehen», heisst es denn auch von der Off-Stimme in der Doku. Dies sei zu Beginn für viele Leute ein Problem gewesen, weil sie am Morgen völlig übermüdet zur Arbeit gingen.
- Es laufen Shows diverser TV-Sender, 15 davon seien sogar ausländische Stationen, die über «das internationale Funknetz» senden. Das Internet gab es noch nicht.
- Herr B. verwendet ein tragbares, kabelloses Schaltpult, um «Leben in seine von Elektronik beherrschte Wohnung» zu bringen. Das wäre dann quasi der Vorläufer für heutige Tablets. Und das Smart Home lässt grüssen.
- Dreimal täglich druckt sich Herr B. auf seinem Heimdrucker eine aktuelle Tageszeitung (im A4-Format) aus. Dazu muss man wissen, das es 1972 noch keine Faxgeräte gab.
- Kommuniziert wird hauptsächlich über ein «Fernseh-Telefon»: «Viele Leute besuchen ihre Freunde gar nicht mehr, sondern treffen sich nur noch per Bildschirm.»
- Im Hochfrequenzofen in seiner Wohnung wird am Morgen automatisch das «Normfrühstück FS10» zubereitet.
- Noch immer habe die Wissenschaft «kein Mittel gegen Schnupfen oder Bartwuchs» entwickelt.
- Die gesamte Landwirtschaft sei auf biologischen Anbau umgestellt worden, auf Dünger und Insektengifte werde komplett verzichtet. 1990 sei sogar über die Todesstrafe für Umweltverschmutzer abgestimmt worden.
- Randbemerkung: Rauchen war Anfang der 70er noch nicht gesellschaftlich geächtet und die gesundheitlichen Gefahren offensichtlich nicht bekannt. Herr B. greift jedenfalls wiederholt zur Zigarettenschachtel und pafft.
- Beim Umweltschutz waren die TV-Macher für einmal viel zu optimistisch. Zum Schluss ihrer Dokumentation malen sie dafür extrem schwarz. Ihr Fazit klingt sehr nach Weltuntergangsstimmung, und ist aktueller denn je ...
via derstandard.at