Nach einem Zwischenfall in England am Boxing Day 2014 wurde eine junge Frau vergangene Woche zu zwölf Wochen Gefängnis verurteilt – ihre Haft soll Tara Hudson in einem Männergefängnis absitzen. Bevor sich die Frau diversen Operationen unterzogen hatte, war sie selbst ein Mann und hiess Aaron. Heute ist von ihrem früheren Ich nichts mehr zu sehen. Auch ihre Ärzte bestätigen, dass Tara aus medizinischer Sicht eine Frau ist. Grund für den Beschluss, Tara in einen Knast für Kerle zu verweisen, ist ein winziges Detail in ihrem Pass: Darin steht bei «Gender» immer noch ein ‹m› für männlich.
Green Party leader Natalie Bennett speaks out for Tara Hudson
https://t.co/ZsglSn0nLQ #ISeeTara pic.twitter.com/Fvz8mjuHjz
— Bath Chronicle (@BathChron) 28. Oktober 2015
Ein Sprecher der britischen Strafvollzugsbehörde erklärte dem «Bath Chronicle», dass es seit vielen Jahren die Bestimmung gäbe, Straftäter entsprechend ihres rechtlich anerkannten Geschlechts in Gefängnissen unterzubringen. Ferner würden strenge Regeln sicherstellen, dass transsexuelle Insassen sicher und rechtskonform behandelt werden.
Tara selber ist natürlich überhaupt nicht glücklich über diesen Beschluss. Familie und Freunde sammeln nun Unterschriften für eine Petition, die von der britischen Justiz fordert, dass Tara in ein reines Frauengefängnis verlegt wird.
Die Initiatoren argumentieren damit, dass Transgender-Personen in Männergefängnissen 13 mal höhere Risiken haben, Opfer von sexuellen Übergriffen zu werden. Somit gehören sie zur meist gefährdeten Personengruppe. Die ursprüngliche Strafe würde daher eine Verletzung der Menschenrechte darstellen.
Es konnten mittlerweile schon 54.000 Unterschriften gesammelt werden und die Zahl steigt stetig. Sogar auf Twitter löste der Fall unter dem Hashtag #ISeeTara eine Welle an Solidaritätserklärungen aus. Anhänger haben sogar einen privaten Kanal eingerichtet, über den persönliche Nachrichten direkt an Tara weitergeleitet werden können.
Stop transgender woman being sent to mens' prison in Bristol https://t.co/o51ffETB6E #ISeeTara pic.twitter.com/42GUl8ka3t
— Sisters Uncut (@SistersUncut) 27. Oktober 2015
Bisher ist in der Schweiz zwar noch kein solcher Fall bekannt, für Marcel Ruef, Direktor der Justizvollzugsanstalt Lenzburg, wäre bei solch einer Zwickmühle eine intensive Abklärung von allen Seiten wichtig: «Bevor ein Beschluss gefasst werden könnte, müsste die betroffene Person auf jeden Fall medizinisch sowie psychisch abgeklärt werden.»
Rein rechtlich gesehen zählt in der Schweiz – wie auch in England – das Geschlecht, das im Zivilstandsregister angegeben ist. Ein Antrag für eine Geschlechtsänderung muss auf dem Zivilstandsamt gestellt werden.
Bevor 2011 eine Anpassung in der Gerichtspraxis für klarere Verhältnisse sorgte, fehlte eine gesetzliche Grundlage. «Für klare Verhältnisse braucht es einen ‹irreversiblen Geschlechtswechsel›. Die Fortpflanzungsunfähigkeit muss gewährleistet sein.» – so einfach wurde die Frage nach dem Geschlecht damals gehandhabt. Was das genau bedeuten soll, blieb aber offen.
Seit der Anpassung vor vier Jahren ist ein Geschlechtswechsel auch ohne operative Entfernung der Geschlechtsmerkmale möglich.