Nach der Absage der Kundgebung «gegen Kuscheljustiz» sind am Samstag in Bern die befürchteten, unbewilligten Aufmärsche bis am Abend ausgeblieben. Die Polizei war mit einem Grossaufgebot in der Innenstadt präsent. Zu Recht, wie der Stadtberner Polizeidirektor Reto Nause findet.
Nause zog um 18 Uhr auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda eine erste Zwischenbilanz. Das Polizeiaufgebot sei verhältnismässig gewesen, sagte Nause. Es sei bisher gelungen, die Sicherheit in der Stadt aufrecht zu erhalten und Zusammenstösse zu vermeiden.
«Aus den Anhaltungen wissen wir, dass Linke und Rechte in der Stadt waren und vielleicht noch da sind», gab Nause zu bedenken. Die Polizei habe fortlaufend Personen angehalten und so die Bildung von grösseren Gruppen verhindert. Manche seien nicht in friedlicher Absicht nach Bern gekommen, wie die bei den Anhaltungen gefundenen Gegenstände nahe legten, führte Nause aus.
Die Kantonspolizei Bern teilte am Samstagabend ebenfalls mit, es sei trotz Mobilisation verschiedener Kreise zu keinen Zwischenfällen gekommen. Bereits am Mittag zeigte sich laut Berner Kantonspolizei, dass zahlreiche Personen den verschiedenen Aufrufen gefolgt und nach Bern gereist waren. Sie waren meist in kleinen Gruppen in der Stadt unterwegs. Um zu verhindern, dass sie sich formieren konnten, wurden verstärkt Personenkontrollen durchgeführt.
Insgesamt 56 Personen, die rechten oder linken Gruppierungen zugeordnet wurden, brachte die Polizei zur genaueren Überprüfung in den Festhalte- und Warteraum. Die Personen kamen nach einigen Stunden meist wieder frei, wie die Polizei in ihrer Mitteilung schreibt.
Den ganzen Samstag war die Polizei mit einem Grossaufgebot in der Berner Innenstadt präsent. Der Bundesplatz und angrenzende Strassen waren bereits am Mittag komplett abgeriegelt. Überall standen Einsatz- und Räumungsfahrzeuge mit Gittersperren zum Einsatz bereit. Polizistinnen und Polizisten in Vollmontur prägten das Stadtbild.
Die Berner Kantonspolizei hatte bereits vor Tagen angekündigt, sie schliesse die meisten Wachen auf Kantonsgebiet, um ihre Kräfte in Bern zu konzentrieren. Im Einsatz standen auch Polizistinnen und Polizisten aus anderen Kantonen, etwa aus Zürich, Basel und Solothurn.
In der Innenstadt herrschte zunächst eine angespannte Stimmung, denn niemand wusste, ob nicht doch Demonstranten aus dem rechtsnationalen und linksautonomen Lager versuchen würden, doch noch irgendwie auf den Bundesplatz zu gelangen.
In den Gassen und Lauben der Berner Altstadt waren vorübergehend merklich weniger Menschen unterwegs als üblich. Zahlreiche Geschäfte hatten angesichts von befürchteten Ausschreitungen private Sicherheitsleute bei den Eingängen postiert. Einzelne hatten ihre Schaufenster mit Bretterverschalungen geschützt. In der Folge blieb es in der Innenstadt aber ruhig.
Die Polizeipräsenz war auch Mitte Nachmittag nach wie vor gross, wenn auch weniger deutlich sichtbar als am Mittag. Der Verein «Stopp Kuscheljustiz» hätte am Samstag in Bern mit einer von der Stadtregierung bewilligten «Volksversammlung» eine konsequente Durchsetzung der Gesetze und mehr Rechte für Opfer von Straftaten fordern wollen. Dem Verein haftete ein rechtsextremer Anstrich an. Linke Kreise mobilisierten zu Gegenkundgebungen.
Am Mittwoch sagte der Verein die Kundgebung «Stopp Kuscheljustiz» dann aber überraschend ab. Im Internet kursierten daraufhin Aufrufe der beiden Lager, doch nach Bern auf den Bundesplatz zu kommen. (sza/sda)