Die Kopfabschneider des Islamischen Staats (IS) sorgen weltweit für Angst und Schrecken. Die Terrormiliz massakriert «Ungläubige» und Unschuldige, versklavt Frauen und lockt orientierungslose Secondos aus Europa in Scharen an, die irgendwann in ihre Heimat zurückkehren könnten. Fast schon in Vergessenheit geraten ist daneben das Terrornetzwerk Al Kaida, das ebenfalls einiges auf dem Kerbholz hat, beginnend mit den Anschlägen vom 11. September 2001.
Diese Übel haben verschiedene Wurzeln. Eine davon ist religiöser Fanatismus. So die weitherum anerkannte Interpretation. Man kann es sich aber auch einfach machen: Für einige Zeitgenossen ist die Religion an sich das Problem, genauer der Islam. Er sei grundsätzlich intolerant und gewalttätig. Als Beweis werden entsprechende Koranverse angeführt.
Ein eifriger Verfechter dieser These ist hierzulande Ringier-Vordenker Frank A. Meyer. In seiner Kolumne im «SonntagsBlick» hat er wiederholt gegen den Islam polemisiert, ihn etwa als «totalitäre Religion» angeprangert. Die «Weltwoche» hat vor einige Jahren gar die Frage gestellt, ob der Islam nicht verboten werden müsste.
Wenn aber der Islam per se gewalttätig ist, dann müsste dies auch für seine Anhänger gelten, die Muslime.
Arsalan Iftikhar, ein US-Amerikaner pakistanischer Herkunft, Autor und Menschenrechtsanwalt, hält dagegen. Er ist Verfasser des Buches «Islamic Pacifism» und bekennt sich auf seiner Website und mit dem Twitternamen @TheMuslimGuy stolz zu seinem Glauben. In einem Tweet verweist er auf einen interessanten Aspekt:
FACT: Did you know that 5 out of last 12 Nobel Peace Prize winners were Muslims (3 were Muslim women)...Please Share! pic.twitter.com/0eZV4sAllm
— Arsalan Iftikhar™ (@TheMuslimGuy) 10. Oktober 2014
In den letzten zwölf Jahren ging der Friedensnobelpreis fünfmal an Anhänger jener Religion, die angeblich Krieg und Gewalt verherrlicht: Die iranische Anwältin und Menschenrechtlerin Shirin Ebadi (2003), den Ägypter Mohammed el Baradei, ehemaliger Leiter der Internationalen Atomenergie-Agentur (2005), den Mikrokredit-Pionier Muhammad Yunus aus Bangladesh (2006), die jemenitische Aktivistin Tawakkul Karman (2011) und neu die 17-jährige Malala Yousafzai aus Pakistan, der die Taliban eine Kugel in den Kopf geschossen hatten, weil sie sich für die Bildung von Mädchen einsetzt.
Fünf Friedenspreisträger, drei davon Frauen – wie passt das zusammen? Man könnte auch Barack Hussein Obama (2009) nennen, den viele Amerikaner unbeirrt für einen Muslim halten. Sein kenianischer Vater zumindest war einer.
Die Verfechter der Gewaltthese kontern solche Beispiele gerne mit einem anderen Argument: Nicht alle Muslime wollen Mord und Totschlag begehen, aber fast alle sind passiv gegenüber den Gewalttätern. So argumentiert Frank A. Meyer, und Patrik Müller, Chefredaktor der «Schweiz am Sonntag», fragt in einem Kommentar: «Wo bleiben die Demonstrationen gegen Islamisten?»
Es gibt sie, in letzter Zeit immer häufiger, vor allem von Kurden. Stumm sind die Muslime gegenüber den Fanatikern keineswegs. Einen treffenden Kommentar dazu liefert Hend Amry, eine gebürtige Libyerin, die in den USA aufgewachsen ist und heute in Katar lebt:
If you think Muslims aren't condemning ISIS, it's not because Muslims aren't condemning ISIS. It's because you're not listening to Muslims.
— Hend (@LibyaLiberty) 20. August 2014
Hören wir nicht hin, wenn die Muslime den Islamischen Staat verurteilen? Britische Muslime haben eine Kampagne gegen die Terroristen gestartet mit dem Hashtag #NotInMyName (nicht in meinem Namen). Die Botschaft des Videos: Der IS repräsentiert weder den Islam noch die Muslime.
Vielleicht sollten wir von den stereotypen Ansichten bezüglich Islam wegkommen. Oder wie es diese Twitter-Userin ausdrückt: Der IS repräsentiert den Islam so wenig, wie Fanatiker irgend einer Religion «ihre» Religion repräsentieren.
ISIL/IS does not represent Islam, and neither do fanatics of any religion represent 'their' religions. #NotInMyName pic.twitter.com/1rJfgXeN8l
— Sanaa (サナ) (@sanaalikespie) 23. September 2014