Die Flüchtlingshelfer des Rettungsschiffs «Open Arms» haben das Angebot zur Einfahrt in einen südspanischen Hafen abgelehnt. Der Vorschlag der Regierung in Madrid, die Hafenstadt Algeciras anzusteuern, sei angesichts der Notlage an Bord «vollkommen undurchführbar», sagte eine Sprecherin der Hilfsorganisation Proactiva Open Arms am Sonntag dem Radiosender Cope.
Zuvor hatte Spaniens Regierung angesichts der Notlage der mehr als 100 Flüchtlinge an Bord und der «unbegreiflichen» Blockadehaltung Italiens mitgeteilt, dass die «Open Arms» in Algeciras anlegen dürfe. Vor diesem Hintergrund ist die Lage auf dem Schiff eskaliert.
Die rund 1800 Kilometer lange Fahrt würde erneut mehrere Tage auf hoher See für die erschöpften Migranten bedeuten. Deshalb haben einige die Nerven verloren. Nach zweieinhalb Wochen auf See und nach Tagen auf Sichtweite vor der italienischen Insel Lampedusa sprangen sie am Sonntag ins Meer, offenbar um zu versuchen, die nahe gelegene italienische Insel schwimmend zu erreichen.
Der spanische sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte getwittert: «Ich habe veranlasst, dass der Hafen von Algeciras für den Empfang der #OpenArms aktiviert wird.» Die Migranten, die sich in die Fluten stürzten, reagierten offenbar auf die Nachrichten aus Spanien.
Die Menschen harren zum Teil seit 17 Tagen auf engstem Raum aus. Seit die «Open Arms» in unmittelbarer Nähe von Lampedusa liegt, ist der psychologische Druck noch grösser: Die Menschen haben Land in Sicht, das sie aber nicht betreten dürfen. «Die Menschen verlieren die Geduld», sagte eine spanische Fernsehreporterin an Bord.
Auf einem auf Twitter veröffentlichten Video war zu sehen, wie Helfer versuchten, die Migranten aufzuhalten und zu einer Rückkehr auf das Schiff zu bewegen. «Wir haben seit Tagen davor gewarnt, die Verzweiflung hat Grenzen», schrieb Oscar Camps, Gründer der spanischen Hilfsorganisation «Proactiva Open Arms».
Das spanische Fernsehen zeigte Bilder von Menschen an Bord, die Weinkrämpfe erlitten, andere reagierten wütend. Die Crew versuchte, die Menschen zu beruhigen. Die «Open Arms» müsste von ihrer Position aus noch einmal die gesamte nordafrikanische Küste entlang fahren, um Südspanien zu erreichen.
Die Regierung in Madrid kritisierte den italienischen Innenminister Matteo Salvini scharf wegen dessen unerbittlicher Haltung und sprach in einer Mitteilung von einer «unfassbaren Reaktion» des rechten Politikers. Salvini entgegnete auf Twitter: «Wer hart bleibt, gewinnt.»
Obwohl ein Verwaltungsgericht in Rom dem Schiff die Einfahrt in die Territorialgewässer Italiens erlaubt hatte und es seit Donnerstag nur wenige Hundert Meter vor Lampedusa liegt, dürfen 107 Migranten weiterhin nicht von Bord. Salvini hatte am Samstag aber nach wochenlangem Tauziehen 27 unbegleiteten Jugendlichen erlaubt, das Schiff zu verlassen und an Land zu kommen. «Gegen meinen Willen», wie der Politiker mitteilte und auch nur, weil Ministerpräsident Giuseppe Conte ihn zu dem Schritt aufgefordert habe.
Unter dem Applaus der Crew und der Migranten waren die Minderjährigen von der Küstenwache abgeholt worden. Jedoch wurden die verbleibenden Passagiere anschliessend offenbar wieder von Verzweiflung und Resignation übermannt. Einige Migranten hatten Augenzeugen zufolge schon seit Tagen damit gedroht, Selbstmord zu begehen oder über Bord zu springen.
Spaniens sozialistische Vize-Ministerpräsidentin Carmen Calvo bezeichnete das unnachgiebige Verhalten Italiens als «unbegreiflich» und kritisierte: «Wir erleben hier das, was die Rechte und Ultrarechte in Europa macht.» Deren Verhalten sei immer besorgniserregender.
Sechs EU-Länder, darunter Deutschland und Spanien, hatten sich zuletzt bereit erklärt, Migranten zu übernehmen. Dennoch darf die «Open Arms» bislang nicht in Italien anlanden.
Die «Open Arms» hatte zeitweise fast 160 Migranten an Bord. Jedoch waren einige gesundheitlich so angeschlagen, dass sie in den vergangenen Tagen nach Malta und Italien gebracht wurden.
Südlich von Sizilien wartete auch das Rettungsschiff «Ocean Viking» mit 356 Migranten auf die Erlaubnis, in einen sicheren Hafen fahren zu können. Die Organisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen (MSF) hatten die Menschen in mehreren Einsätzen in Sicherheit gebracht. MSF twitterte zuletzt: «Wir wissen, was diese im Meer geretteten Menschen durchgemacht haben. Wir kennen den Horror in Libyen, vor dem diese Menschen fliehen.» (kün/sda/afp)
Palma wäre etwa 320 Seemeilen entfernt, das würde ein Schiff der Qualität der Open Arms in weniger als einem Tag schaffen.