Im Sudan sind im Zuge eines Machtkampfs zwischen der Armee und einer wichtigen paramilitärischen Gruppe Gefechte in mehreren Teilen des Landes ausgebrochen.
Airlines aus Saudi-Arabien und aus Ägypten wollen ihre Flüge in das Land vorerst aussetzen.
In der Hauptstadt Khartum waren seit Samstagmorgen in mehreren Stadtteilen anhaltende Schüsse und Explosionen zu hören, darunter am Flughafen und in der Nähe des Präsidentenpalasts im Norden der Stadt.
Auch im Süden der Stadt schien es Kämpfe zu geben. Dort befindet sich das Hauptquartier der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF), die eigentlich in das staatliche Militär integriert werden sollte. Mindestens drei Menschen kamen in Khartum ums Leben. Medienberichten zufolge kam es auch in den Bundesstaaten White Nile und Nord-Darfur zu Kämpfen.
Die RSF erklärten, sudanesische Soldaten seien am Samstagmorgen in ihr Hauptquartier einmarschiert. RSF-Kräfte griffen Berichten und Augenzeugen zufolge den Flughafen in Khartum an. Die RSF meldeten zunächst, den Präsidentenpalast und den Flughafen unter ihre Kontrolle gebracht zu haben. Die sudanesische Armee widersprach dem jedoch auf Twitter.
Die Angaben beider Seiten konnten zunächst nicht unabhängig bestätigt werden. Die Luftwaffe griff Stützpunkte der RSF an. In Khartum waren Augenzeugen zufolge mindestens zwei Panzer im Einsatz.
Der US-Botschafter im Sudan, John Godfrey, bestätigte auf Twitter, dass in Khartum Schüsse und Kämpfe zu hören waren. Er warnte, dass eine Eskalation der Spannungen zwischen militärischen Einheiten «extrem gefährlich» sei. Die Botschaft rief ihr Personal und US-Bürger im Sudan auf, ihre Häuser nicht zu verlassen.
Angesichts der schweren Gefechte im Sudan wollen Airlines aus Saudi-Arabien und aus Ägypten ihre Flüge in das Land vorerst aussetzen.
Saudi Arabian Airlines stelle nach einem Zwischenfall am Flughafen von Khartum bis auf Weiteres alle Verbindungen von und in den Sudan ein, teilte die Fluggesellschaft am Samstag mit. Nach Angaben des Unternehmens sei eine ihrer Maschinen – mit Passagieren und Crew an Bord vor ihrem Abflug am Morgen durch Schüsse beschädigt worden. Berichte über Verletzte gab es nicht. Unklar war zunächst, wer die Schüsse abgeben hat.
«Flüge von und in den Sudan wurden ausgesetzt, um die Sicherheit der Gäste und der Besatzung zu gewährleisten», teilte die Airline mit. Sie hatte zunächst von einem «Unfall» gesprochen.
Die staatliche ägyptische Fluggesellschaft Egyptair kündigte an, angesichts der Sicherheitslage im Nachbarland für 72 Stunden alle Flugverbindungen von und nach Khartum auszusetzen.
US-Aussenminister Antony Blinken hat angesichts der schweren Gefechte zu einem Ende der Gewalt aufgerufen. «Wir fordern alle Beteiligten dringend auf, die Gewalt sofort einzustellen und weitere Eskalationen oder Truppenmobilisierungen zu vermeiden und die Gespräche zur Lösung offener Fragen fortzusetzen», twitterte Blinken am Samstag.
Die US-Regierung sei «zutiefst besorgt» über die Gewalt und in Kontakt mit der US-Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Die Botschaft hatte ihr Personal und US-Bürger zuvor dazu aufgerufen, ihre Häuser nicht zu verlassen.
Das deutsche Aussenministerium sprach von «schweren bewaffneten Auseinandersetzungen», die auch den Flughafen Khartum beträfen. Dort sei der Flugbetrieb offenbar ausgesetzt worden, hiess es. Die Lage sei unübersichtlich. «Bleiben Sie an einem sicheren Ort und meiden Sie alle Fahrtbewegungen», mahnte das Ministerium.
Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen im Sudan, Volker Perthes, forderte eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen. Beide Seiten müssten die Sicherheit des sudanesischen Volkes gewährleisten und auf weitere Gewalt verzichten. Auch der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell forderte ein sofortiges Ende der Gewalt. «Eine Eskalation wird die Situation nur weiter zuspitzen», warnte er über Twitter. Die Sicherheit der Bürger habe die oberste Priorität. Der italienische Aussenminister Antonio Tajani rief ebenfalls zum Dialog und zur Beendigung der Gewalt auf. Er verfolge die Ereignisse genau, schrieb er auf Twitter.
Hintergrund ist ein Machtkampf zwischen der Armee unter der Führung von General Abdel Fattah al-Burhan und den Paramilitärs, die eigentlich in die Streitkräfte integriert werden sollten. Dies ist ein wichtiger Bestandteil des seit Jahren andauernden politischen Übergangsprozesses, an dessen Ende demokratische Wahlen stehen sollen.
Seit dem Sturz von Langzeitmachthaber Omar al-Baschir im April 2019 hat das Militär unter der Führung von General Abdel Fattah al-Burhan die Macht im Land. Armee und RSF unter Anführer Mohammed Hamdan Daglo hatten im Herbst 2021 gemeinsam erneut die Macht übernommen, in den vergangenen Monaten mehrten sich aber die Spannungen zwischen den beiden militärischen Anführern.
Der Streit verzögert den von Machthaber al-Burhan versprochenen Übergang zu einer zivilen Regierung. Bei einer Eskalation wurden gewaltsame Zusammenstösse befürchtet, die in einen Bürgerkrieg münden könnten.
Erst am Donnerstag hatte die sudanesische Armee vor einer Mobilisierung der RSF gewarnt. Beobachter sahen in der Mobilmachung eine Drohgebärde gegen Machthaber und Oberbefehlshaber al-Burhan.
Zuletzt hatte sich Daglo überraschend für einen schnellen Übergang zu einer Zivilregierung ausgesprochen und sich damit in Opposition zu al-Burhan gestellt.
Den ursprünglichen Plänen zufolge hätte sich al-Burhan spätestens 2021 aus der Übergangsregierung zurückziehen und die Führung des Landes Zivilisten überlassen müssen. Stattdessen putschte sich das Militär erneut an die Macht und verschob demokratische Wahlen auf unbestimmte Zeit.
In dieser Woche verschob das Militär die Ernennung eines neuen Premierministers und verzögerte die Machtübergabe erneut.
In dem nordostafrikanischen Staat leben rund 46 Millionen Menschen.
(dsc/sda/dpa)