Jeden Tag wird mehr als eine Tonne Gold aus dem afrikanischen Kontinent geschmuggelt. Im Jahr 2022 waren es insgesamt mindestens 435 Tonnen, wie die Nichtregierungsorganisation Swissaid in einer neuen Studie errechnet hat. Sie hat dazu 54 afrikanische Länder untersucht und erstmals das Ausmass des Goldschmuggels beziffert. Dieses Gold hat mit dem aktuellen Goldpreis einen Wert von 31 Milliarden Dollar.
Um den Goldschmuggel zu beziffern, verglichen die Studienautoren die weltweiten Export- und Importdaten. So konnten sie feststellen, dass in den Importländern Gold aus Afrika auftaucht, das offiziell gar nie aus dem Kontinent exportiert wurde. Gemäss der Studie bauen jährlich 41 der insgesamt 54 afrikanischen Staaten mindestens 100 Kilogramm Gold im handwerklichen Kleinbergbau ab. Doch 15 dieser Länder melden offiziell keine Exporte. Am stärksten involviert sind die Länder Ghana, Mali und Simbabwe. Laut Studie hat sich der Goldschmuggel zwischen 2012 und 2022 mehr als verdoppelt.
Das illegale Gold gelangt hauptsächlich in die Vereinigten Arabischen Emirate. Gerade Dubai ist zu einer bekannten Drehscheibe für Gold aus dubiosen Quellen aufgestiegen. Die Studie schätzt, dass in den letzten elf Jahren 2569 Tonnen afrikanisches Gold im Wert von 115,3 Milliarden Dollar nach Dubai geschmuggelt wurden.
In vielen afrikanischen Ländern ist der handwerkliche Kleinbergbau für Millionen von Menschen eine der wenigen Möglichkeiten, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Der steigende Goldpreis hat die Attraktivität dieses Geschäfts zuletzt massiv befeuert. Swissaid beobachtet «eine überstürzte und unkontrollierte Entwicklung von handwerklichen, kleinen und sogar halb mechanisierten Minen, in denen die Arbeitsbedingungen oft katastrophal sind».
Oft sind es Bauern, die nach der Erntezeit in Eigenregie auf Goldsuche gehen. Das Problem: Sie unterstehen keiner staatlichen Kontrolle. Nicht nur entgehen dem Staat damit Steuereinnahmen. Auch Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Umweltverschmutzung oder Terrorfinanzierung können mangels Kontrolle nicht ausgeschlossen werden.
Die Goldschürfer im Kleinbergbau verkaufen ihre Funde an Zwischenhändler oder lokale Raffinerien. Diese schleusen es aus Afrika heraus. «Dieses Gold lässt sich erstaunlich einfach auf den internationalen Markt bringen», sagt Yvan Schulz, Projektleiter Rohstoffe bei Swissaid. Entweder gelangt es auf dem Landweg in ein anderes afrikanisches Land, von wo es nach Dubai exportiert wird, oder es wird direkt per Flugzeug nach Dubai verschickt.
Die Spur führt auch in die Schweiz, wo vier der weltweit grössten Goldraffinerien ihren Sitz haben. Die Schweiz importiert jährlich tonnenweise – legales – Gold aus Afrika. Hinzu kommt afrikanisches Gold, das seinen Weg aus den Vereinigten Arabischen Emiraten in die Schweiz findet. Zwischen 2012 und 2022 waren es 1670 Tonnen. «Es besteht ein erhebliches Risiko, dass sich darunter auch illegales afrikanisches Gold befindet», sagt Schulz. «Durch die Umschmelzung in Dubai gelangt es völlig legal in die Schweiz.» Sogar in der Zollstatistik wird das Gold mit der Herkunft Vereinigte Arabische Emirate gekennzeichnet. Der Ursprungsort, zum Beispiel Ghana, verschwindet.
Swissaid fordert deshalb mehr Transparenz und richtet einen ganzen Katalog an Forderungen an die verschiedenen Akteure. Für die Schweiz erhofft sich die NGO einen Durchbruch bei der anstehenden Revision des Zollgesetzes. Der Ständerat wird im Herbst darüber diskutieren. Dort müsse «der gesetzliche Rahmen gestärkt und die Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen verbessert werden», so Swissaid.
Für bestimmte Verschärfungen bietet auch die Vereinigung der Edelmetallfabrikanten und -händler Hand. Der Verband betont, seine Mitglieder würden kein Gold aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kaufen. Gold von zweifelhafter Herkunft habe in der Schweiz nichts verloren, heisst es auf Anfrage. «Es geht um die Glaubwürdigkeit der Schweizer Goldbranche. Unsere Mitglieder halten sich an diesen Grundsatz und keines von ihnen bezieht Gold aus Dubai, auch wenn nicht alles Gold aus Dubai illegal ist», sagt Verbandspräsident Christoph Wild.
Eine Ausnahme ist die Tessiner Raffinerie Valcambi. Sie ist letztes Jahr aus dem Verband ausgetreten – wegen «unüberbrückbarer Differenzen». Dem Vernehmen nach war dem Eklat ein Streit darüber vorausgegangen, wie sich die Branche bei Goldkäufen aus Dubai positionieren sollte. Valcambi wollte daran festhalten. Man stimme nicht mit der Position überein, gewisse Herkunftsländer auszuschliessen, hiess es in einer Mitteilung. Denn damit gestehe man ein, dass man nicht in der Lage sei, «eine den inhärenten Risiken entsprechende Due-Diligence-Prüfung vorzunehmen». (aargauerzeitung.ch)